Können die nicht oder wollen sie nicht? Diese Frage stellt sich fast automatisch, wenn die Presse über Taximangel berichtet wie kürzlich in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Die Antwort liegt in der Politik.
Gähnende Leere am Taxistand – nicht nur in Potsdam klagen beispielsweise Hotels darüber, dass zu bestimmten Tageszeiten oftmals kein Taxi zu bekommen sei. Sind dies nur regionale Besonderheiten, oder gibt es aktuell vielleicht einen generellen Fehler im System Taxi? Oder ist das sogar gut so?
Nicht erst im Sommer 2019 beschwerten sich die Potsdamer Bürger regelmäßig darüber, dass in ihrer Stadt oftmals kein Taxi zu bekommen sei (Taxi Times berichtete). Auch aus anderen Städten wird von solchen „Missständen“ berichtet. Versucht man das Dilemma näher einzugrenzen, ist wahrzunehmen, dass es sich oftmals um Städte mittlerer Größe handelt und die Probleme meist zu bestimmten Tageszeiten auftreten. Die berechtigte Frage der regionalen Presse an das örtliche Gewerbe lautet daher meist: „Könnt ihr nicht oder wollt ihr nicht, wo ist das Problem, brauchen wir mehr Taxikonzessionen?“
Aber gibt es eine einfache Antwort, ist dies also ein systemisches Problem, oder entsteht der Mangel nur da, wo jemand mal nicht aufpasst? „Das kommt darauf an“ beginnt häufig die Antwort, die in der Folge meist überraschend leicht kopierbar bleibt. Die Worte „Mindestlohn“, „Fahrermangel“ und „kommt einfach mal vor“ tauchen immer auf, und die Gewerbevertreter weisen dann einen generellen Taximangel weit von sich.
Wo liegen denn die Ursachen? Das Phänomen taucht vermehrt seit ca. sechs Jahren auf. Es begann offensichtlich mit der Einführung des Mindestlohns. Denn bis zu diesem Zeitpunkt konnten es die meisten Mehrwagenunternehmen im städtischen Umfeld ihrem Fahrpersonal überlassen, dafür zu sorgen, dass zum richtigen Zeitpunkt genügend Taxis auf den Straße waren, denn die damals übliche Umsatzbeteiligung sorgte dafür, dass Arbeitszeiten und Zeiten hoher Nachfrage korrelierten. Zudem kam es vielen Taxlern nicht darauf an, wenn sie ihre Pause oder auch ihr Leben gemütlich am Taxistand verbrachten. Und die Unternehmer kostet es ja nicht mehr. Seit 2015 aber mussten die Unternehmer die Planung der Schichtabläufe übernehmen, denn der Mindestlohn zwang sie dazu, wenn sie ihr Geld nicht sinnlos verpulvern wollten.
Im Gegenzug war es für das Fahrpersonal nun egal, ob sie jede Tour mitnehmen, denn Lohn gibt es trotzdem. Im Ergebnis lernt das Fahrpersonal, dass man zu bestimmten Tageszeiten auch etwas anderes tun kann, obwohl es gleichzeitig viele offene Fahraufträge gibt. Man wünscht sich zusammenhängende Schichtzeiten mit kurzen Pausen, auch wenn dann der Bahnhof um fünf Uhr nachmittags nicht mehr besetzt ist.
Vor 2015 waren die Kilometer das Maß aller Dinge im Gewerbe, frei, besetzt, Umsatz pro Kilometer. Jetzt aber ist der Umsatz pro Arbeitsstunde zumindest für die Mehrwagenunternehmer die wichtigste Zahl, denn von fünfzehn Euro die Stunde lässt sich neben dem Auto kein Mindestlohn finanzieren. Will man viel Umsatz pro Stunde machen, muss das Auto rollen und darf nicht stehen. Ein auftragsbedingt rollendes Taxi aber braucht eher 15 bis 20 Minuten, bis es vor dem Hotel ankommt, und wartet nicht mehr um Ecke am Taxistand. Der Grund für eine Taxiknappheit vor Ort ist also häufig der Mindestlohn. Dabei ist aber nicht dessen Höhe ausschlaggebend. Es geht einfach um den daraus folgenden Systemwechsel von der Umsatzbeteiligung zur zeitabhängigen Bezahlung.
Je schwankender die möglichen Umsätze, desto schwieriger wird es für das örtliche Gewerbe, Fehlzeiten ohne Umsatz zu vermeiden. Gerade die sogenannten „Mittelstädte“ sind prädestiniert für eine schwankende Nachfrage, denn hier sind die Hauptnachfragezeiten oftmals kurz und im Tagesverlauf sperrig gelegen. Keine noch so gute Disposition des Fahrpersonals oder der eigenen Arbeitszeiten kann dieses Dilemma auflösen. In den Metropolen hingegen sind die entsprechenden Zeitfenster etwas weicher voneinander abgegrenzt, und gleichzeitig müssen sich auch nicht hundert Autos einen sehr kleinen Kuchen teilen, sondern viel mehr Autos mehrere große Torten. Daher fällt in den Metropolen dieser Effekt nicht so heftig aus.
Wollen alle Kunden gleichzeitig zwischen null und ein Uhr nach Hause, überschreitet die Nachfrage das Angebot bei weitem, wenn vorher und nachher nichts los ist, denn niemand kommt für nur eine Stunde zur Arbeit. Und wenn die Hotels gleichzeitig mit Patienten und Schülern alle morgens zwischen sieben und acht ein Taxi wollen, danach aber wieder Totentanz ist, bis Rückfahrten anstehen, lassen viele Unternehmer ihre Taxis lieber stehen, als dass sie Minus machen. Aus diesem Grunde würden zusätzliche Konzessionen nichts an dem Dilemma ändern, sondern dieses aufgrund der stärkeren Konkurrenz vielleicht noch verschärfen. Ist noch eine größere Metropole um die Ecke wie im Fall Potsdam, wird dies den gleichen Effekt auslösen, denn auch hier müssen die lokalen Unternehmen zusätzlich mit einer Konkurrenz leben, die einfach anderen Zwängen unterliegt als sie selbst.
Aufgehoben wird die Problematik wohl erst dann, wenn auch eine Fahrt pro Stunde ausreicht, um den Fahrerlohn zu zahlen. Dafür aber müssten Taxis ganz andere Fahrpreise aufrufen als bisher, und die bestimmen nicht sie selbst, sondern die Kommunen. Diese wiederum haben stets das vermeintliche Wohl ihrer Bürger im Auge und achten darauf, dass Taxifahren nicht zu teuer wird. Kalkulationsbasis ist dabei in der Regel der Mindestlohn. Ist das aber so, müssen minimal zwei oder drei Aufträge pro Stunde gefahren werden, bevor es sich überhaupt lohnt, das Taxi auf die Straße zu schicken. Gerade weil das Taxi an den Mindestlohn gekettet ist, kann es nicht mehr den Gelegenheitsverkehr so ausgestalten wie vor der Mindestlohneinführung.
Gleichzeitig zwingt diese Konstellation das Taxigewerbe bzw. die Kommunen dazu, jede Mindestlohnanpassung auch eins zu eins in den Taxitarifen widerzuspiegeln, denn man ist inzwischen auf Gedeih und Verderb mit dem Mindestlohn verkettet. Aus diesem Grunde hilft auch kein Ach und Weh, das kostet uns zu viele Kunden. Der Mindestlohn muss in die Tarife, so schnell wie möglich. Und wenn es hinterher weniger Kunden gibt, dann müssen eben auch Taxis von der Straße. Und wenn diese in Spitzenzeiten dann zukünftig fehlen, dann ist das einfach gesellschaftlich so gewollt.
Wo man sich also über fehlende Taxis beschwert, müsste die konsequente Antwort lauten: „Ja, das ist so und das muss auch so sein. Sie werden auch zukünftig oftmals länger auf ihr Taxi warten müssen, und wenn es denn kommt, werden sie trotzdem auch mehr dafür bezahlen müssen, denn die Zeiten der Ausbeutung des Fahrpersonals, wo immer ein Taxi um die Ecke auf Sie wartete, manchmal auch stundenlang, sind glücklicherweise vorbei – zumindest bei den Mehrwagenunternehmen.“ Schauen wir mal, wie es weitergeht … rw
Beitragsfoto: Leerer Taxihalteplatz in Potsdam-Babelsberg. Foto: Sebastian Stahl
Das Argument des vermeintlich“lernfähigen“ und durch den Mindestlohn gesättigten (und deshalb faulen?) Fahrpersonals greift viel zu kurz. Denn schon zu unseligen Umsatzbeteiligungszeiten war es für den interessierten Beobachter*in auffällig, dass zu viele Taxifahrer*innen in umsatzstarken Zeiten antizyklisch gearbeitet haben: Viel los – kurze, selbstbestimmte Schichtzeit, da das subjektive Lohnbedürfnis befriedigt war. Die Folgen waren lange Wartezeiten für Fahrgäste.
„Schwankende Nachfrage“ in Mittelstädten als Status Quo hinzunehmen ist und die Geiselhaft durch den Mindestlohn wiederholt zu beschwören ist unkreativ und nicht konstruktiv. Gerade in Zusammenarbeit mit den örtlichen Genehmigungsbehörden gilt es nach Lösungen zu suchen.
Mindestlohn setzt Umsatzbeteiligung nicht aus.
Natürlich kann der Fahrer mehr als nur den Mindestlohn verdienen wenn der Umsatz stimmt und er daran beteiligt wird.
Und zu wenige Fahrzeuge zu bestimmten Zeiten könnten durch Taxis der benachbarten Großstädte ergänzt werden.
Gerade in Potsdam wo sich sehr viele Berliner Tayis aufhalten die gerade einen Fahrgast dort abgesetzt haben.
Schon jetzt bestellen viele Kunden im Umland der Großstädte ihr Taxi einfach bei den jeweiligen Zentralen dieser Städte.
Endlich mal ein guter Artikel, auch wenn der Autor die richtige Antwort eher zynisch meint.
Eine Tariferhöhung löst nicht das Problem, sondern verschärft es! Steigen die Tarife drastisch an, zieht das sofort mehr Fahrer an. Das führt bei MWU ebenfalls sofort zu einer Erweiterung des Fuhrparks. Am Ende hat man dann deutlich mehr Taxen auf der Straße und der per Milchmädchenrechnung vergrößerte K6chen wird dann eben auch auf mehr Münder aufgeteilt, was zu deutlich kleineren Stücken führt als zuvor.
Der Mindestlohn hat endlich dazu geführt, daß die kriminellen Machenschaften im Taxengewerbe unter opportunistischer tätiger Duldung der zuständigen Aufsichtsbehörden auf Wunsch der Politik plötzlich ein unlösbares Problem hat. Die dadurch notwendigen Fälschungen bei den Arbeitszeiten (auch hier grätschen die Aufsichtsbehörden aktiv dem Amt für Arbeitsschutz zwischen die Beine) sind extrem leicht nachweisbar, was im Bedarfsfall zur sofortigen Stillegung des jeweiligen Betriebes führen kann.
Bis zur Einführung des Mindestlohnes diente in den Großstädten die absolute und durchaus auch freiwillige Ausbeutung der Fahrer dazu, daß systemimmanente Problem des Taxengewerbes auszugleichen. Das war politisch so gewollt. Auch nach der Einführung leisten die Aufsichtsbehörden aktiv Schützenhilfe, um dieses menschenverachtende Ausbeutungssystem am Leben zu halten.
Das Grundproblem des Taxengewerbe ist unauflösbar! Taxi ist nunmal, zumindest in Großstädten ein reines Stoßgeschäft. Man braucht also Fahrer, die bereit sind,die Nebenzeiten gesetzeskonform abzudecken.
Das kann aber nur der EWU.
Das Arbeitszeitgesetz und das Mindestlohngesetz sind selbst in ihrer derzeit sehr laschen Form und auch unter aktiver Beihilfe durch die Behörden nicht für das Taxigewerbe in seiner bisherigen Form geeignet und eigentlich war es das nie, auch nicht vor dem Mindestlohn.
Anstatt nun also nach einer Ausnahmeregelung für das Taxengewerbe, nach einer Befreihung sich überhaupt an Gesetze halten zu müssen, zu rufen, sollte man endlich sowohl in der Politik, als auch im Gewerbe und zuvörderst in den zuständigen Aufsichtsbehörden die einzig richtige Konsequenz ziehen.
Wenn legal ein Betrieb mit Fahrpersonal nicht möglich ist, dann wird diese Betriebsform eben abgeschafft!
Es gibt genug Individualisten, die in einem solchen Umfeld als EWU dann den Markt auffüllen. Beispiele dafür gibt es in Hamburg in zahlreichen Randbezirken.
Das Grundproblem wird dadurch zwar nicht gelöst, aber deutlich abgemildert.
Dazu wäre allerdings auch ein konsequentes Vorgehen gegen Gewohnheitskriminelle mit viel Geld nötig. Uber hat gezeigt, daß man sich grundsätzlich nicht an Gesetze halten will. Hier gehört eine Lex Uber her, die Uber und all jenen Unternehmern die damit zusammenarbeiten auf Lebenszeit den Betrieb auf Deutschem Boden verbieten. Was bei Verboten von verfassungsfeindlichen Vereinen funktioniert, kann doch wohl auch bei Wirtschaftskriminellen angewandt werden.
Genauso – aber nicht unbedingt die Umsatzbeteiligung. Diese hatten wir z.B. vorher auch nicht. Es war mehr los, die Trinkgelder sprudelten – somit lohnt es sich für den/die FaherIn auch. Jetzt sind es nur noch „Spitzenzeiten“, die sehr kurz sind, wofür es sich nicht lohnt für den Arbeitnehmer nicht und für den Arbeitgeber, der nun zwingend darauf achten muss, dass zu umsatzschwachen Zeiten nicht so viele Lohnkosten anfallen, d.h. den Fahrern Pause geben oder auch Schichtzeiten entsprechend anzupassen, was wiederum zu nicht lohnenswerten Zeiten für die Arbeitnehmer führte. Dem Rentner, der nur morgens und mittags seine Schultour fährt ist es egal… Und dann ist darauf noch zu achten, v.a. die FahrerInnen, die Lust zum Fahren haben und daraus ein Hobby mit Erwerb machen, dass diese auch die Pausen einhalten. Erkläre das mal jemandem, der Samstags Nacht zur Happy Hour um 1:00 Uhr seine Pause machen muss, die er/sie zu dieser Zeit gar nicht machen möchte…
Ich finde es super das mal jemand die ganze Sache auch von dieser Seite betrachtet. Was ich allerdings als noch gravierenderes Problem ansehe gerade in Potsdam ist das diese Herrschaften die hier in Potsdam mittlerweile leben sich niemals im Leben hinter das Steuer eines Taxis setzen würden da sie sich dann ihre Miete nicht mehr leisten können und die Städte und Gemeinden nichts dagegen unternehmen, im Gegenteil die aufstrebenden Gemeinden treiben die ganzen Nebenkosten noch in die Höhe (Stadtwerke) damit sich auch gar keiner aus dem Niedriglohnsektor ein Leben leisten kann in den ach so schönen Städten. Dazu kommen noch die ganzen Baustellen wo man im Berufsverkehr bis zu 30 Minuten zum Kunden braucht…und in unserer Gesellschaft haben es leider alle eilig!!!
Aber das schöne ist das es ja offensichtlich nicht nur hier in Potsdam das Problem ist und ich kann euch versichern das es der Stadt nicht wirklich interessiert was auf den Straßen los ist!!!
Ich glaube (aber ich weiß es natürlich nicht genau), daß es häufig viel zu viele Konzessionen gibt. Ein kaum lösbares (geheimes ?) Problem vermutlich ?????
In unserer Stadt gibt es 55 Taxen, viele haben nur ein Taxi und auch keinen Fahrer.
Die Unternehmer mit mehreren Taxen haben Mangels Fahrer die Taxen nicht ausgelastet
und die Unternehmer die alleine fahren kommen und gehen wie sie Lust haben
In Firmen mit Chef / 1 Fahrer läßt sich halt individuelle Freizeit viel leichter
planen wann gearbeitet wird als in Firmen mit mehreren Autos.
So passiert es einfach oft das in Zeiten wo nix los ist viele anwesend sind
und wenn mehr los ist, arbeitet keiner.
Der Übergang von der Tag auf die Nachtschicht ist fließend,
was bedeutet: von 15 bis ca 19 Uhr hört die Tagschicht auf
und die Nachtschicht kommt zwischen 18 und 22 Uhr.
Wären aber in jeder Schicht alle 55 Taxen anwesend, würde es ein paar Monate dauern und alle wären Pleite.