Die Zahl der Taxis im nordöstlichsten Bundesland dürfte in den letzten zehn Jahren um rund die Hälfte gesunken sein. Die Daseinsvorsorge ist eingeschränkt. Der BVTM fordert Regionalisierungsmittel zur Rettung der Branche.
Die Probleme, die das Taxigewerbe vor allem in ländlichen Regionen hat, sind in „Meck-Pomm“ besonders gravierend: Da viele jüngere Menschen die Regionen in Richtung von Großstädten verlassen, fehlt der Branche Fahrpersonal. Dadurch können immer weniger Taxis permanent betrieben werden und bleiben vor allem nachts immer häufiger stehen, wie laut Online-Nachrichtenportal „Nordkurier“ eine Umfrage unter Taxiunternehmern ergeben hat.
Mecklenburg-Vorpommern ist das Flächenland mit der geringsten Zahl an Landkreisen und das am dünnsten besiedelte Bundesland. Rostock ist die einzige Großstadt des Landes und die einzige mit gut ausgebautem ÖPNV.
Carsten Thoms, Chef der Taxigenossenschaft Schwerin und Vorstandsmitglied des Landesverbandes für das Taxi- und Mietwagengewerbe Mecklenburg-Vorpommern e. V., sagte dem „Nordkurier“, dass inzwischen kaum noch alle Schichten aufrechterhalten werden können. In Spitzenzeiten oder auch in den Nachstunden könne die Nachfrage immer häufiger nicht mehr bedient werden.
Das Sinken der Nachfrage insgesamt ist aber angesichts der Betriebspflicht ein weiteres Problem. Laut Thoms sind Schichten nach 18 Uhr immer häufiger nicht mehr wirtschaftlich, sondern „Draufzahlschichten“. Sobald der letzte Zug einen Bahnhof verlassen hat, haben viele Fahrer keine Kundschaft mehr zu erwarten und machen Feierabend. Laut Frank Semler, Vorsitzender der Taxi-Genossenschaft Rostock, bestellen auch Gastronomiebetriebe zum Feierabend zunehmend weniger Taxis für ihr Personal. Während sich in den meisten Regionen das Taxigewerbe von der Corona-Krise mehr oder weniger erholt hat, gebe es in Mecklenburg-Vorpommern heute weniger Taxi-Fahrten als vor der Corona-Krise.
Der Vorsitzende des Landesverbandes, André Thedran, sagte zu Taxi Times: „Ich das nur bestätigen. Uns erreichen auch immer öfter Beschwerden von Fahrgästen, dass sie kein Unternehmen finden. Der Forderung meiner Kollegen nach Subventionen kann ich mich nur anschließen, nur sollten wir die Vielzahl der vernünftig arbeitenden Mietwagenunternehmen dabei nicht vergessen und uns nicht nur auf das Taxi fokussieren, denn in MV gibt es mittlerweile mehr Mietwagen als Taxis. Ohne diese auch einzubinden, ist schon jetzt eine Flächendeckende Lösung nicht mehr möglich.“
Während das Gewerbe in Städten wie Schwerin, Rostock, Wismar oder Neubrandenburg noch einigermaßen funktioniert, gibt es laut Thoms in den ländlichen Regionen des Flächenlandes inzwischen faktisch keinen Taximarkt mehr. Die einzige regelmäßige Einnahmequelle seien für viele Unternehmen die Krankenfahrten, wie die Unternehmerin Nadja Sabielny aus Waren an der Müritz aus eigener Erfahrung weiß. Ihr Fahrteam lebt zu etwa 60 Prozent von Krankenkassenaufträgen. Steigende Kosten tun ein Übriges.
Die Redakteure des Nachrichtenportals sprachen über die Probleme der Branche auch mit dem Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM). Geschäftsführer Michael Oppermann berichtete vom bundesweiten Taxi-Sterben, das in den ländlichen Regionen, allen voran in Mecklenburg-Vorpommern besonders dramatisch voranschreite.
Die letzte landesweite amtliche Statistik ist von 2020. Demnach ist die Zahl der Taxis in „MV“ von 2016 bis 2020 um über 40 Prozent gesunken, während sie bundesweit im gleichen Zeitraum um nur fünf Prozent zurückgegangen sei. Dadurch gibt es heute in Mecklenburg-Vorpommern gut 200 Taxis zu wenig, „um eine angemessene Versorgung der Bevölkerung mit einem Taxi je 2000 Einwohner sicherzustellen“, so Oppermann.
Der BVTM sieht „das System Taxi“ bedroht. Während in den (Groß-)Städten der illegale taxigleiche Verkehr das legale Taxigewerbe zu verdrängen droht, sei auf dem Land aufgrund der gesunkenen Nachfrage ein „Kollaps des Mobilitätsangebots“ zu erwarten. Davor warnt der Verband die Politik regelmäßig.
Auf die steigenden Kosten und den Fahrer- und Fahrgastmangel hat Nadja Sabielny nach 32 Betriebsjahren mit einer Umstellung von Taxi auf Mietwagen reagiert, da es nicht mehr möglich gewesen sei, die Betriebspflicht für Taxis zu wahren. In manchen Schichten seien die Fahrer mit 30 Euro Umsatz zurückgekehrt.
Ein weiteres Problem für die Taxibranche ist die Art, in der die Städte und Landkreise die Mobilitätsoffensive des Landes umsetzen: Die auf dem Land nahezu flächendeckend eingesetzten Rufbusse ohne Einbeziehung des Taxigewerbes schmälern deren Geschäft zusätzlich. „Die Fahrgäste fahren lieber für fünf Euro mit dem Rufbus als mit dem Taxi“, erläuterte Carsten Thoms dem „Nordkurier“. Ohne staatliche Förderung werde das Angebot künftig noch weiter schrumpfen: „Wenn Taxis 24 Stunden 365 Tage im Jahr zur Verfügung stehen sollen, braucht es eine Finanzierung wie im Nahverkehr.“
Der BVTM fordert seit Langem Regionalisierungsmittel für das Taxigewerbe, das als einziger Teil des ÖPNV komplett eigenwirtschaftlich arbeiten muss. Um seinen Auftrag, den Linienverkehr zu ergänzen und zu verdichten, zu erfüllen, müsse dies geändert werden, fordert Michael Oppermann. Das Taxi könne in ländlichen Regionen nur durch viel mehr flexible Lösungen wie ÖPNV-Taxis, Fifty-fifty-Taxis, Disco-Taxis oder Frauen-Nacht-Taxis erhalten werden, bei denen das Taxi in die ÖPNV-Finanzierung einbezogen wird. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle