Patienten in Mecklenburg-Vorpommern, die zur Dialyse, Bestrahlung oder anderen medizinischer Behandlungen mit dem Taxi gefahren werden, müssen die Fahrten ab Januar selbst bezahlen und anschließend mit ihren Krankenkassen abrechnen. Die Taxibetriebe in dem nordöstlichen Bundesland stellen die Direktabrechnung mit AOK & Co. ein.
Es ist der pure Überlebenswille, der diese harte Entscheidung notwendig macht und die von einer breiten Mehrheit der Taxibetriebe in Mecklenburg-Vorpommern getragen wird. Die Entgelte, die von den Krankenkassen für die Patientenbeförderung bezahlt werden, sind wirtschaftlich nicht tragbar. Sie beinhalten Kilometervergütungen, die weit unterhalb des regional gültigen Taxitarifs liegen. Geregelt sind die Entgelte in Verträgen, welche die Krankenkassen mit den Taxi- und Mietwagenbetrieben bzw. mit Krankenfahrdiensten abschließen. Das erfolgt entweder in Form von Individualverträgen mit zahlreichen einzelnen Betrieben oder in Gestaltung eines Rahmenvertrags mit dem regionalen Taxiverband. Dann gelten für alle Mitgliedsunternehmen des Verbands die dort vereinbarten Vergütungen.
In Mecklenburg-Vorpommern ist das der Landesverband für das Taxi – und Mietwagengewerbe Mecklenburg – Vorpommern e.V., der seit 1990 die Interessen der Taxi- und Mietwagenunternehmen in Mek-Pom vertritt. Dem Verband sind 80 Prozent aller Taxi- und Mietwagenunternehmer mit 94 Prozent Fahrzeuganteil angeschlossen.
Wie der Verband und dessen Vorstand Guido Sembach sowohl auf seiner Mitgliederversammlung im November als auch anschließend gegenüber der Presse verkündete, habe man mit den Krankenkassen in den Verhandlungen keinen Vertragsabschluss erzielen können. Das Dumping-Angebot der Krankenkassen war nicht annehmbar. „Die Mitgliederversammlung hat nach diesem Dumping-Angebot das Scheitern der Verhandlungen erklärt“, verkündete der Landesverband und erläutert anschließend die Konsequenzen: „Somit geht der Verband erst einmal davon aus, dass es ab 1. Januar 2026 zu Versorgungsengpässen bei Krankenbeförderungen kommen wird. Die Vertragsbeziehung zwischen Kassen und Verband stützen sich lediglich auf die Vergütung und die Abrechnung, wenn Taxi- und Mietwagen von den Kassenversicherten einen Transportschein annehmen. Somit besteht keine Beförderungspflicht für Krankenbeförderungen für die Taxi- und Mietwagenunternehmen.“
Am Straßenrand stehen lassen werden die Taxler die betroffenen Patienten jedoch nicht. Der Verband verspricht: „Natürlich werden Versicherte gern als normale Fahrgäste im Taxi nach der gültigen Taxitarifordnung befördert. Den zu zahlenden Taxameterpreis können die Versicherten dann bei den Krankenkassen einfordern.“
Den Verbandsvorständen und Mitgliedern stößt ganz besonders bitter auf, dass Krankenkassen wie AOK, Barmer und IKK sich in keiner Weise mit dem drastischen Rückgang der Taxiunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern auseinandersetzten. „500 Unternehmen haben seit dem Jahr 2000 ihre Unternehmen schließen müssen“, bilanziert der Verband. Maik Göricke, Vorstandsmitglied des Landesverbands, nennt noch konkretere Zahlen: „„In den letzten 24 Jahren mussten 70 Prozent der Taxi- und Mietwagenunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern ihr Geschäft aufgeben, da die Einnahmen, insbesondere bei Krankenfahrten, nicht ausreichten, um den Kostendruck standzuhalten. In den nächsten drei Jahren werden nach unserer Prognose weitere 30 Prozent der noch bestehenden Unternehmer aufgeben, wenn sich nichts ändert.“
Gerade in der Fläche bestünden schon heute graue Flecken, in denen es zwar kranke Menschen gibt, aber keine örtlichen Taxibetriebe mehr, die diese zu den lebenserhaltenden Behandlungen fahren. Für die noch existierenden Betriebe bedeutet das lange Anfahrten zu den Kunden. „„Die AOK, Barmer, IKK usw. verlangen, dass wir im ländlichen Raum im Schnitt 20 km kostenlos zu ihren Versicherten anfahren und dann noch 30 Prozent unterhalb der Kassenvergütung dichter besiedelter Bundesländer befördern.“
Wie kann es zu solch einem Ungleichgewicht kommen? Die Erklärung liefert Christian Teetz, ebenfalls Vorstandsmitglied des Verbands: „Seit Jahrzehnten nutzen die Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern das kleinteilige Taxi- und Mietwagengewerbe extrem aus. Verhandlungen gleichen stets einem Diktat.“
Um das zu durchbrechen, hatte sich der Verband diesmal nach eigener Aussage „fachlich extrem gut vorbereitet und organisatorisch eine historische Einigkeit erzeugt.“ Das habe den Kassenvertretern nicht gepasst. „Sie verschließen sich vor Fakten, Mathematik und behaupten, unsere Forderung würde zu Beitragssteigerungen führen. Unsere komplette unverhandelte Forderung würde beispielsweise bei der AOK Nordost (NO) zu einem Anstieg der Gesamtkosten von minimalen 0,148 Prozent führen. Bei den anderen Kassen reden wir von 0,05 Prozent. Wer uns da Beitragssteigerungen in die Schuhe schieben möchte und gleichzeitig Beitragsmehreinnahmen von 10 Prozent in den Jahren 2025 und 2026 einkassiert, der lügt und meint, die Taxi- und Mietwagenunternehmer könnten nicht rechnen“, sagt Maik Göricke.
Gegen „Birnen- und Äpfel-Vergleiche“ wert sich der Verband: „Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass die Kassen meinen, die angebotene Steigerung (5,17 Prozent) für Krankenbeförderungen würden deutlich über denen des öffentlichen Dienstes (5,8 Prozent) liegen. An den ist ganz klar zu erkennen, dass hier die Argumente und Sachlichkeit fehlen. Scheinbar auch ein Zeichen für unzufriedene Gehaltssteigerungen im eigenen Haus. Weiterhin vermelden die Kassen, dass die Vergütungen in MV im Vergleich mit denen in Berlin-Brandenburg auf dem gleichen Niveau liegen. Das stimmt, aber auch dort haben sich die Taxi- und Mietwagenunternehmer solidarisiert und fordern deutlich mehr von den Kassen als angeboten. Das Taxi- und Mietwagengewerbe hat sich länderübergreifend zwar noch nicht abgesprochen, jedoch können wir alle rechnen“, sagt Maik Göricke.

Um die Absurdität der aktuellen Verhandlungen zu verdeutlichen, malt die stellvertretende Vorsitzende Nadja Sabielny ein plastisches Bild: „Sie müssen sich die diesjährigen Verhandlungen mit den Kassen so vorstellen, dass wir fachlich und sachlich richtig vortragen, dass 1 Meter 100 Zentimeter hat und die Kassenvertreter verstehen das natürlich, aber dennoch hat bei uns der Meter nur 20 Zentimeter. Alles andere würde zu einer Verlängerung des Meterstabes führen“.
Die Taxi- und Mietwagenunternehmer haben genug von dieser Art und Weise des Umgangs. „Damit ist jetzt Schluss“, sagt Christian Teetz. „Ab dem 1. Januar 2026 können wir nicht mehr gewährleisten, dass Versicherte im Rahmen des Kassen-Rahmenvertrags befördert werden. Wir werden alle Menschen befördern. Das an uns bezahlte Geld können sich die Versicherten mit der Quittung bei ihren Krankenkassen erstatten lassen.“
Sollte es dazu wirklich kommen, dürfte das einige mediale Aufmerksamkeit erzeugen, ähnlich wie vor einem Jahr in Hessen, als die dortigen Kollegen ebenfalls ihre Fahrten für die Krankenkasse DAK einstellten. Dort hatte man sich am Ende durchgesetzt und Verhandlungen auf Augenhöhe mit einem tragbaren Abschluss erreicht (Taxi Times berichtete ausführlich)
Vielleicht bekommen die Taxi- und Mietwagenbetriebe in Mecklenburg-Vorpommern aber auch Unterstützung von der Politik und den Behörden. Der Landesverband äußert sich in diesem Punkt optimistisch: „Nach unserem Kenntnisstand sehen die Aufsichtsbehörden des Taxi- und Mietwagengewerbes in Mecklenburg-Vorpommern die Kassenvergütungen ebenfalls kritisch, da sie das Taxi-Gewerbe in seiner Existenz bedrohen.“ jh
Beitragsfoto: KI-generiert







