Landauf landab verhandeln Taxi- und Mietwagenverbände Tarife zur Entlohnung der Krankenfahrten. Gleichzeitig geschieht dies auch zwischen den Kassen und den Krankentransporteuren,. Die Ergebnisse der Taxler werden dabei meist mehr oder weniger offengelegt, die der anderen aber bleiben oft ein gut gehütetes Geheimnis. Ist das wirklich rechtens? „Nein“ sagt das Verwaltungsgericht Wiesbaden.
„Transparenz“ ist ein gern genutztes Schlagwort, nur wird diese Transparenz meist eher von anderen gefordert, als dass man selber bereit ist, seine Karten für jedermann sichtbar auf den Tisch zu legen. Jeder Kartenspieler kann nachvollziehen, dass sich die Partei, die keine Geheimnisse wahren darf, in eine schlechtere Position manövriert. Allerdings verlangen die Regelungen unseres Rechtsstaates gerade von den großen Playern in der Gesellschaft eine starke Transparenz, da sie sonst den größten Nutzen davon hätten, wenn sie ihre Geschäftsgeheimnisse wahren dürften.
Für Krankenkassen klingt das zunächst wie ein Nachteil. Sie müssen gemäß Sozialgesetzbuch zum einen mit Taxi und Mietwagen Tarife für deren sogenannte „Krankenfahrten sitzend“ aushandeln. Hier stammen die Gesprächspartner sowohl aus dem Taxi- und Mietwagensegment als auch aus dem Bereich der Krankentransporteure. Es mag logisch klingen, dass eine Krankenkasse ihre individuellen Verhandlungsergebnisse nicht allgemein bekanntgeben will. Zum einen würde dann die jeweilige prozentuale Steigerung des neuen Kostenerstattungssatzes verglichen, zum anderen aber wird so auch prüfbar, welche Parameter bei dieser Kostenfestlegung zum Tragen kamen.
Da im Krankentransport darüber hinaus auch viele Großanbieter aus der spendengeförderten Teilunabhängigkeit agieren (die Rede ist von den so genannten Wohlfahrtsorganisationen), deren Verhandler zumeist auch noch erheblich besser geschult und vernetzt sind als Taxler, kommt schnell das berühmte G´schmäckle auf, wenn die Verhandlungsergebnisse dann anschließend verglichen werden.
Wenn hier eine Fahrt von A nach B mit einem Taxi Summe X, mit dem Krankenwagen aber ein Vielfaches kostet, dann lassen sich nicht nur Fragen nach dem jeweiliges sachbezogenen „Warum“ stellen, sondern auch Rechnungen aufstellen, die eine veränderliche Auftragsverteilung zwischen beiden Anbietern zum Ziel haben, denn nicht jede Krankenfahrt lässt sich alternativlos nur dem einen oder anderem Segment zuordnen. Hier geht es also auch um die Verteilung der Märkte.
In der Konsequenz ist es also mehr als wissenswert, vor allem für Verhandler auf der Taxiseite, was denn die qualifizierteren Transporteure abrechnen dürfen. Bisher blieben diese Konditionen aber meist das Geheimnis der Verhandler der qualifizierten Krankentransporte. Und dagegen hatte nun ein hessischer Unternehmer geklagt und Recht bekommen: Die AOK Hessen als beklagte Krankenkasse muss diese Konditionen gegenüber dem Unternehmer offenlegen.
Das VG Wiesbaden stellt dazu fest, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der geltend gemachte Informationsanspruch des Klägers wegen entgegenstehender schützenswerter Interessen der Krankenkasse ausgeschlossen sei. Die AOK Hessen habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Erteilung der Auskunft zu einer Beeinträchtigung ihrer wirtschaftlichen Interessen führen könne. Die lediglich artikulierte Befürchtung, wonach die Bekanntgabe der konkreten individuell vereinbarten Preise ihre künftige Position bei Preisverhandlungen schwächen würde, belege keine Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen.
Besonders interessant ist in diesem Urteil aber auch noch eine andere Passage: Das VG weist unmissverständlich darauf hin, dass sich eine Krankenkasse nicht in genereller Weise ihren gesetzlichen Pflichten zur Erteilung von Auskünften dadurch entziehen könne, dass sie sich im Verhältnis zu den betroffenen Dritten vertraglich oder auf andere Weise Vertraulichkeit zusichern lasse. Genau dies ist aber eine gern geübte Praxis bei solchen Verhandlungen und die AOK hatte solche vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflichten über die Vertragslaufzeit und die verhandelnden Preise als Argument aufgeführt, weshalb sie eben nicht auskunftspflichtig sein könne.
Für die Kanzlei Rüping Unger Partnerschaft mbH mit Sitz in Hannover, die den Kläger in diesem Verfahren erfolgreich vertreten hat, ist deshalb klar: „Die gesetzliche Pflicht zur Gewährung von Einsicht in amtliche Informationen durch zivilrechtliche Vereinbarungen kann nicht umgangen werden.“
Leistungserbringer müssen es sich also nicht gefallen lassen, wenn Krankenkassen versuchen, in den Vergütungsverhandlungen ihre Marktmacht zu Lasten der Leistungserbringer auszuspielen. Erst Transparenz schafft die Voraussetzung, eine leistungsgerechte Vergütung auszuhandeln. Ohne eine solche leistungsgerechte Vergütung ist die Zahlung angemessener Gehälter an die Mitarbeiter nicht möglich, was aber die Grundvoraussetzung für den Fortbestand jedes Unternehmens ist. rw
Lesen Sie dazu auch unter diesem Link: Was dieses Urteil für die über 150 Betriebe in Hessen bedeutet, die Liegendkrankenfahrten durchführen können und welche Konsequenz der Fachverband Personenverkehr Hessen, der ja erst kürzlich einen Machtkampf mit der DAK gewonnen hat, daraus für seine Mitglieder zieht.
Beitragsfoto: Remmer Witte








