Beeindruckend schnell haben Taxiunternehmer auf die potenzielle Ansteckungsgefahr in Taxis reagiert und schnelle, einfache Trennschutzlösungen installiert. Doch die Übergangsvariante wird wahrscheinlich zur Dauerlösung werden – und damit spielt nunmehr auch der Aspekt der Crash-Sicherheit eine Rolle bei der Kaufentscheidung.
Seit der Definition des Abstandsgebots von 1 bis 2 Metern waren Taxiunternehmer in einem Dilemma. Einerseits bestand eine gesetzliche Vorgabe in Form der Betriebs- und Beförderungspflicht, andererseits galt es, sich selbst, die angestellten Fahrer und die Fahrgäste zu schützen. Beeindruckend schnell haben deshalb viele Betriebe reagiert und in ihre Fahrzeuge einen Trennschutz eingebaut. Bei einer Abfrage durch Taxi Times für eine exklusive Übersicht haben Taxizentralen und Taxibetriebe bereit süber 3.000 Taxis mit einem eingebauten Trennschutz gemeldet (Stand Ende April 2020).
Nicht weniger innovativ waren die Anbieter solcher Trennschutzlösungen. Vom Festeinbau bis zur Folie wird aktuell ein breites Spektrum produziert, nachzulesen in dieser Übersicht.
Die beiden Hauptkriterien waren zu Beginn, dass es eine schnell einzubauende Lösung sein sollte, die vor allen Dingen die Übertragung der Corona-Viren verhindern sollte. Die Nutzungsdauer war für 4-5 Wochen geplant. Der Trennschutz sollte eine Übergangslösung in einer Zeit sein, in der fundamentale Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden – weshalb es auch niemanden interessierte, ob diese Lösungen den Anforderungen an eine straßenverkehrsrechtliche Zulassungsvorgabe entsprechen würden. Wo kein Kläger, da kein Richter. Oder anders ausgedrückt: Wo kein Unfall, da kein Kläger.
Doch allmählich wird klar, dass es noch viele Monate nötig sein wird, Taxis mit entsprechenden Schutzvorrichtungen auszustatten. Und damit rückt neben dem gesundheitlichen Aspekt (der sowieso nie zu 100 Prozent gesichert war) immer mehr der Aspekt der Verkehrssicherheit in den Vordergrund. Dies mit den Herausforderungen einer schnellen Verfügbarkeit unter einen Hut zu bringen, ist ein schmaler Grat, denn Zeit für die notwendigen Zertifizierungen der aktuellen Lösungen blieb bisher kaum.
Folglich liegt es in der individuellen Verantwortung der Taxiunternehmer, für sich diejenige Trennschutz-Lösung zu finden, die eine ausreichende Nachhaltigkeit garantieren und die Verkehrssicherheit weiterhin gewährleisten. Diese wird je nach Material sehr unterschiedlich interpretiert. „Nach im Moment noch unbestätigten Informationen würde der TÜV-Süd „feste Trennplatten“ (= Kunststoff oder Plexiglas) als ABE/eintragungsrelevante Änderung ansehen. Diese Frage sollte definitiv geklärt werden, damit nicht sinnlos starre Varianten mit ungeklärtem Haftungsrisiko gekauft werden“, warnt beispielsweise Christian Linz, Vorstand der Taxi Nürnberg eG. „Die vielfach zu lesenden Meinungen nach dem Motto „zu Corona-Zeiten drückt der TÜV schon ein Auge zu“ ist sicher nicht zielführend, was den Einbau von möglicherweise unzulässigen Fahrzeugbestandteilen ist.“
Die aktuell günstigsten Ausführungen sind aus Folie oder Acrylglas und starten bei rund 20-30 Euro. Die preisliche Obergrenze bilden feste Trennwände, die dann auch über einen TÜV-Segen verfügen und ab rund 650 Euro zu bekommen sind. Prinzipiell lassen sich die verschiedensten Ausführungen grob in feste oder flexible Abtrennungen unterscheiden. Letztere bestehen zumeist aus durchsichtigen Folien, die aus dem LKW- oder Segel-Bereich stammen und unproblematisch an die Fahrzeuge angepasst werden können.
Die festen Trennwände unterscheiden sich in erster Linie durch das verwendete Material, Größe und die Art der Befestigung. Sehr häufig werden die Trennwände aus Acrylglas, besser bekannt als Plexiglas©, gefertigt und mittels Kabelbinder an den Kopfstützen befestigt. Weiterhin findet sehr oft Polycarbonat, welches unter anderem auch als Makrolon© gehandelt wird, Verwendung.
Beide Materialen weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Grundsätzlich ist Acrylglas als Rohstoff vergleichsweise günstig. Scheiben aus Polycarbonat sind circa 3-mal so teuer. Acrylglas hat zudem den Nachteil, dass es splittern kann. Verschiedene Prüfinstitute sehen das als potenzielle Gefahrenquelle für Fahrer und Fahrgast an. Allen angebotenen Trennwand-Lösungen ist aber eines gemein: Sie bieten einen größeren Schutz gegen eine Infektion als ohne.
Professor Dr.-Ing. Bernhard Rief vom Institut für Kunststoff- und Entwicklungstechnik (IKET) sieht bei der bunten Auswahl von Werkstoffen ganz klar Polycarbonat als den optimalen Werkstoff an. Wie Rief gegenüber Taxi-Times berichtete, wird Polycarbonat auch in der Automobilproduktion eingesetzt. Das Plattenmaterial ist nahezu unzerbrechlich, hitzebeständig, selbstlöschend und feuerhemmend. Durch die Festigkeit ist die Platte auch gut zu bearbeiten und lässt sich mühelos biegen, ohne dass sie auf der Faltlinie reißt. Deshalb dürfte Polycarbonat bei einem längerfristigen Einsatz in als Taxi Trennwand auf Dauer mehr Freude machen. Solche Trennscheiben gibt es bereits jetzt mit TÜV-Segen, beispielsweise bei dem bekannten Umrüster MobiTEC in Berkheim.
Die Freigabe durch einen technischen Sachverständigen ist übrigens ein wichtiger Aspekt bei der Kaufentscheidung. Neben der Materialbeschaffenheit müssen die verbauten Airbags in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden. Wird die Abtrennung an der Sitzflanke herumgezogen, könnte die Funktion der Seitenairbags, die im Sitz oder der Türverkleidung verbaut sind, beeinträchtigt werden. Ebenso könnte Kopf und Vorhangairbag mit den Trennscheiben kollidieren. Um all diese Themen abschließend zu klären ist eine Freigabe der bekannten Prüfstellen unabdingbar. Zahlreiche Anbieter bemühen sich derzeit intensiv um ein Sicherheitszertifikat. Die Produktübersicht bei Taxi Times wird daher auch unter diesem Aspekt ständig aktualisiert.
Noch ist die Haltung von TÜV und Dekra breit gefächert. Manche Taxiunternehmer berichten gegenüber Taxi Times, mit ihren Trennschutzlösungen problemlos durch den TÜV gewunken worden zu sein, andere wiederum sind abgewiesen worden.
Also wird es weiterhin im Verantwortungsbereich des Taxiunternehmers liegen, das richtige Produkt sowohl für die Gesundheit als auch für die Verkehrssicherheit einzubauen. Bleibt zu hoffen, dass sich auch möglichst viele Hersteller um eine entsprechend Zertifizierung kümmern – auch wenn dann klar sein muss, dass es Lösungen für 40 Euro bald nicht mehr geben wird. sg
Übrigens: Das PBefG muss wegen eines Trennschutzes nicht geändert werden, denn die das PBefG ergänzende Verordnung „BoKraft“ erlaubt nach wie vor den Einsatz von Trennscheiben und beschreibt sogar deren Beschaffenheit. Wörtlich heißt es im § 25, Abs. 3 der BoKraft: „3) Taxen und Mietwagen können mit einer Trennwand ausgerüstet sein, die zum Schutz des Fahrzeugführers ausreichend kugelsicher ist. Die Trennwand soll entweder zwischen den Vorder- und Rücksitzen angebracht sein oder den Sitz des Fahrzeugführers von den Fahrgastplätzen abteilen; sie darf versenkbar oder so beschaffen sein, dass ein Teil seitlich verschoben werden kann.“
Auch wir waren gestern mit unserer Selbstbau-Lösung beim TÜV und dort gab man folgendes Zitat frei „der Tüv hat diese Trennscheibe begutachtet und nichts zu beanstanden gehabt“. Mehr wird man dort natürlich nicht erreichen können (https://www.facebook.com/achtelfelf/photos/a.290456697796011/1588869794621355/?type=3&theater … inzwischen hat das Ding auch noch nen Kantenschutz bekommen).
Aber…! Um wirklich Verantwortung für die Selbstbaulösungen übernehmen zu können, ist folgendes Foto von einem ausgefalteten Seitenairbag aus der E-Klasse wahrscheinlich sehr hilfreich: https://blog.mercedes-benz-passion.com/wp-cb4ef-content/uploads/2048__W1_9742.jpg – ein Video vom herausplatzenden Seitenairbag habe ich leider nicht gefunden). Der Airbag kommt also in jedem Fall von oben als Rollo herunter und gleitet dann in den Winkel zwischen Nacken und Gurt. Er benötigt also nicht nur Platz zwischen Trennscheibe und B-Säule sondern genau den Platz, den die Trennscheibe schließen soll. Die Rettungsfunktionseinschränkung muss man also ggf. hinnehmen – Coronaschutz und Airbagschutz sind gleichzeitig nicht zu haben.
Es bleibt also nur die Frage, ob der Airbag in Kombination mit der Trennscheibe neue Gefahren hervorbeschwört. Vielleicht findet sich ja hier ein Unfallfachmann oder irgendjemand kennt jemanden, der eine Idee hat, was ein Seitenairbag mit einer Trennscheibe aus Polycarbonat o.Ä. macht, die ihm im Winkel von 90 Grad im Weg steht (hier ist gerade auch die Firma MobiTec gefragt, den deren TÜV-genehmigte Trennscheibe schließt ja auch besonders eng mit der B-Säule ab).
Es ist wirklich interessant, wie die Taxiunternehmen auf die aktuelle Situation reagieren. Ich finde es gut, dass dahingehend auch so schnell von den Unternehmen reagiert wurde. Mir war aber nicht bewusst, dass es so viele unterschiedliche Ausführungen und Preisklassen gibt. Eine Trennwand aus Plexiglas ist meiner Meinung nach eine wirklich sinnvolle Lösung. Vermutlich wird dies auch der Standard in Zukunft werden, denn wir sehen es ja auch in anderen Ländern wo die Trennwand in den Taxis bereits seit Jahren dazugehört.