Ähnlich wie in deutschen Städten stößt Uber auch bei seiner Invasion in der Schweiz sowohl auf Proteste als auch auf Taxiunternehmer, die schnelles Geld wittern und kooperieren.
„Derzeit vermittelt Uber nach eigenen Angaben bereits in Bern, St. Gallen, Neuenburg und La-Chaux-de-Fonds ausschliesslich Fahrten an Taxis. Darüber hinaus nutzen auch Taxis in Luzern, Zürich, Basel, Freiburg und Genf neben ihrem regulären Geschäft die Uber-App.“ Was die „Berner Zeitung“ vor einer Woche schrieb, klingt nach einem übersichtlichen und gut regulierten Markt wie in Österreich. Doch Meldungen aus anderen Teilen der Schweiz zeichnen ein anderes Bild.
Beispiel Luzern: Die Stadt gehört mit 84.000 Einwohnern zur Top Ten der Schweizer Städte. Da der Kantonshauptort in der Zentralschweiz liegt, kann man sagen, dass Uber in der Mitte angekommen ist. Das Online-Portal „Pilatus today“ titelte bereits im vergangenen Herbst: „’Luzern ist ein Paradies für Uber-Fahrer’ – Taxifahrer sind verzweifelt“. Es ging darum, dass Luzerner Taxifahrer von der Kantonsverwaltung eine Gleichstellung des Fahrdienstes Uber und der Taxis fordern. Die große Preisdifferenz ohne Reglementierung sei eine Existenzbedrohung für die Taxis. Es wurde eine Protestaktion der Taxi-Organisation Luzern vor dem Gebäude der Kantonsregierung angekündigt.
Uber ist seit 2020 in Luzern aktiv. Der sozialdemokratische Stadtrat David Roth wollte Uber im Kanton Luzern umgehend verbieten lassen, womit er im Kantonsparlament aber keine Mehrheit fand.
Causevic Sejfudin, Präsident der dortigen Taxi-Organisation, beklagte gegenüber den Medien im Oktober, dass der Fahrdienst im Kanton Luzern keinem Reglement unterlag, das er wie die Taxis einhalten müsse. Unter anderem zahlten Uber-Chauffeure keine Sozialabgaben, mussten keine Taxiprüfung absolvieren und mussten keine Standplatzgebühren und keine Taxiausrüstung zahlen. Somit konnten sie Preise bis zu 40 Prozent unter denen des Taxigewerbes anbieten. „Die niedrigen Fahrpreise seitens von Uber sind ein Problem. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, dass die Chauffeure überhaupt davon leben können.“ Konnten sie aber: Sie nahmen auf eigene Kappe höhere Preise und verlangten laut Sejfudin zu größeren Events beispielsweise für eine Fahrt, für die man sonst 15 Franken zahlen würde, plötzlich 45 oder 50 Franken. Sein ohnmächtiger Kommentar: „In Luzern ist es momentan ein Paradies für Uber-Fahrer.“
Da in anderen Kantonen bereits Regularien eingeführt worden waren, kamen Fahrer nach Luzern, um die vermeintlich paradiesischen Zustände auszunutzen – was die Probleme der dortigen Taxifahrer noch weiter verstärkte. Uber-Fahrer aus Bern, Solothurn, Schwyz und besonders Zürich hätten den Luzerner Taxifahrern die Kundschaft weggenommen.
Causevic Sejfudin will mit seiner Taxi-Organisation erreichen, „dass man zusammensitzt und miteinander redet“, so „Pilatus today“. Das System der Uber-Dienste müsse umgestellt werden. So ginge es nicht weiter, deshalb folgten Taxifahrer seinem Aufruf zum Protest. „Wir möchten, dass Politiker aus der Stadt uns hören und auf uns zukommen.“ Sie fordern vom Kanton eine Gleichstellung von Taxis und Uber sowie ein Reglement für Uber. Der Fahrdienst solle als offizieller Arbeitgeber festgelegt werden. Die Lage sei eine Existenzbedrohung für die Taxifahrer aus Luzern.
Ein gutes halbes Jahr später, im Januar dieses Jahres, war man einen großen Schritt weiter. Wie die „Luzerner Zeitung“ am 9.1. meldete, soll Uber auf Druck der Taxikommission im Kanton reguliert werden. Es habe ein runder Tisch zum Thema Uber stattgefunden, an dem sich Vertreter von Uber, des Taxigewerbes sowie Behörden gegenüber saßen. Als Ergebnis prüfe der Kanton nun verschiedene Regulierungen, denen Uber unterworfen werden solle, etwa ob der Fahrdienst als Arbeitgeber eingestuft wird.
Die Prüfung der Anliegen des Taxigewerbes sei auch im Sinne des Luzerner Stadtrates, wie dessen Mitglied Adrian Borgula, der bis vor Kurzem im Amt war, schrieb: „Auch die Stadt Luzern wünscht eine rasche Klärung und ist offen für die Prüfung von Regulierungen, die idealerweise auf kantonaler oder nationaler Ebene festzulegen sind.“
Im Taxigewerbe schöpft man seitdem Hoffnung. Sejfudin Causevic zeigte sich mit dem Ergebnis des runden Tisches zufrieden. Es habe einen konstruktiver Austausch gegeben, alles Weitere werde sich zeigen. Für den Fall, dass Uber nun tatsächlich als Arbeitgeber eingestuft wird, erwartet er, dass der Fahrdienst Sozialabgaben entrichten müsse, was das Preisdumping entschärfen würde. Gemäss der Mitteilung der Behörden wird innerhalb des nächsten Jahres eine Folgeveranstaltung des erwähnten runden Tisches stattfinden.
Seit drei Wochen ist Uber auch gut 60 Kilometer weiter südwestlich, im Kanton Bern, auf dem Markt. Wie das Nachrichtenportal „Bärn today“ unter der ermunternden Überschrift „Buchen auf Knopfdruck“ berichtet, ist die „US-Taxi-App Uber“ neuerdings auch den Städten Thun und Interlaken verfügbar. In der Kantonshauptstadt Bern gibt es das Angebot wie in Luzern bereits seit 2020. Die Märchen, mit denen die Uber-Manager ihren Fahrdienst den Medien und der Öffentlichkeit anpreisen, sind die gleichen wie überall: „Viele Taxis haben lange Standzeiten, in denen sie auf Kundschaft warten müssen und in denen sie kein Geld verdienen. Mithilfe unserer Vermittlungs-Technologie können sie ihre Auslastung erhöhen, neue Kunden gewinnen und dadurch mehr Umsatz erzielen.“
Auch die Berner Zeitung (BZ) schreibt über die Ausweitung des Uber-Angebots überaus positiv. „Uber kommt nach Thun und Interlaken – Ab sofort können Kunden auch im Berner Oberland Taxifahrten über die Uber-App buchen.“ In den beiden Städten könnten „ab sofort über die Smartphone-App von Uber Fahrten mit Taxifahrerinnen und Taxifahrern zum vordefinierten Preis gebucht werden“. Die Nennung eines der wenigen Vorteile und Verschweigen der Nachteile deutet auf die gewohnt gute Pressearbeit des Konzerns hin.
Von Protesten aus der Taxibranche ist in diesem Teil der Schweiz noch nichts den Medien zu entnehmen. Die Kommentare unter der Online-Meldung zeigen jedoch, dass die Kundschaft das nicht alles schluckt. So schreibt eine Leserin: „Sorry, was soll ich mit Uber? Lasse mich schon immer mit einheimischen Taxi-Fahrern chauffieren und bin zufrieden und so teuer sind die auch nicht. […] Dass Uber mit selbständigen Taxi Fahrern aus der Region Kontakt hat, glaube ich nicht, und wenn ja, sollte die Gewerkschaft die Bedingungen prüfen.“
Ein anderer: „Wie man weiss hat ein Uber-Fahrer nichts mit Selbständigkeit zu tun. Dies ist ein reiner Uber-Trick um die sozialen Verpflichtungen eines Arbeitgebers zu umgehen. Wieso lässt es dieses „Blatt“ bei einer lapidaren Meldung bewenden, welche ausser gratis Werbung für Uber nicht den geringsten Informationsgehalt hat?“
Im Nordosten der Schweiz haben sich die Proteste dagegen bereits parlamentarisch manifestiert, wie aus einer Meldung des Online-Portal „linth24“ aus Rapperswil mit der Überschrift „Kritik an Uber erreicht Regierung“ hervorgeht. In der 76.000-Einwohner-Stadt St. Gallen südlich des Bodensees habe das neue Taxireglement des Stadtparlaments App-basierten Transportdiensten den Weg geebnet. Die Kritik an der „freien Fahrt für Uber“ habe nach dem Stadtrat die Kantonsverwaltung erreicht.
Die Entscheidung im Stadtparlament für ein neues Personenbeförderungsreglement zu Gunsten der Fahrdienste war Ende Juni mit 42 zu 15 Stimmen angenommen worden, ein Referendum dagegen scheiterte. Die sozialdemokratische Juso und die größte Schweizer Gewerkschaft Unia kritisieren unter anderem die „systematische Schwarzarbeit bei Uber“, weil Beschäftigte als Scheinselbständige eingesetzt würden. Uber-Angestellte seien nicht bei der Sozialversicherung angemeldet und bekämen auch keine branchenüblichen Löhne.
Im Stadtrat wurde die Kritik mit dem Argument abgetan, dass für arbeitsrechtliche Angelegenheiten der Kanton zuständig sei. Laut „linth24“ nahm Kantonsrätin Eva Lemmenmeier diese Aussage als Vorlage für einen neuen Vorstoß, mit dem sie die Kantonsregierung zum Umgang mit der Scheinselbständigkeit im Taxigewerbe zur Rede stellte. Sie habe unter anderem auf ein Bundesgerichtsurteil vom Februar 2023 verwiesen, das festhält, dass das Verhältnis der Fahrerinnen und Fahrer zu Uber arbeitsrechtlich als Unselbständigkeit gelte, nachdem Uber im Kanton Genf bereits im Herbst 2022 als Arbeitgebereingestuft worden war. Lemmenmeier erwartet eine Erklärung, ob es bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) eine Praxis für Fahrerinnen und Fahrer gebe, die die Uber-App nutzten, und ob die SVA bei Taxifahrerinnen und Taxifahrern generell prüft, ob eine Scheinselbständigkeit vorliegt. ar
Beitragsbild: Schweizer Taxi; Symbolfoto: Corinna Voß