Wenn ein Großflughafen außerhalb der Stadt liegt, sollten die Genehmigungsbehörden Tarife und Pflichtfahrgebiete möglichst sinnvoll abstimmen. In Leipzig, München und Stuttgart klappt das gut, in Berlin nicht.
Während über 45 Städte und Landkreise im Oktober und Anfang November ihre Taxitarife auf ein Niveau angepasst haben, mit dem sich zumindest halbwegs wirtschaftlich arbeiten lässt, warten in Berlin die gut 2.000 Taxiunternehmer seit Langem auf ihre Tariferhöhung. Seit die Verwaltungen des Landes Berlin und des benachbarten Landkreises, in dem der Hauptstadtflughafen liegt, sich auf eine gemeinsame Tarifstufe für Fahrten vom Flughafen (aber nicht zum Flughafen) geeinigt haben, sind Tarifanpassungen in beiden Genehmigungsgebieten wesentlich komplizierter, da jede Änderung einer Abstimmung mit der jeweils anderen Behörde bedarf. Die Taxi-Bedienung des Hauptstadtflughafens, an dem zu Ferienzeiten schon mal 80.000 Passagiere am Tag abgefertigt werden, ist seit der Eröffnung vor zwei Jahren ein Trauerspiel, da der Landrat des Landkreises Dahme-Spreewald (LDS) sich weigert, mehr als 500 der 5.500 Taxis aus Berlin eine Berechtigung zum Bereithalten am Flughafen zu erteilen – und selbst diese Zahl ist das Ergebnis zäher Verhandlungen in einem Dauerstreit und kostete Berlin das Zugeständnis, den knapp 300 Taxis aus dem LDS die Fahrgastaufnahme in ganz Berlin zu erlauben. Am Flughafen BER dürfen sich insgesamt also keine 800 Taxen bereithalten, und dadurch gibt es fast jeden Nachmittag und Abend Phasen, an denen die Passagiere an den leeren Ladeleisten Schlange stehen.
Letzte Woche hat die Stadt Leipzig nach kontroversen Debatten im Stadtrat ihren Tarif angepasst – vier Wochen später als ursprünglich geplant, denn eigentlich hatte man die Erhöhung zeitgleich mit vier anderen Gebieten in Kraft setzen wollen, um die Einheitlichkeit des „Mitteldeutschen Taxitarifs“ zu wahren: Rund um den Flughafen Leipzig/Halle, der im sächsischen Schkeuditz direkt an der Grenze zu Sachsen-Anhalt liegt, haben fünf Genehmigungsbehörden aus zwei Bundesländern sich vor Jahren auf den einheitlichen Tarif verständigt, um eintreffenden Fluggästen transparente Fahrpreise anbieten zu können. Seitdem ändern die Städte Leipzig und Halle/Saale und die Landkreise Leipzig, Nordsachsen und Saalekreis stets in Absprache und nach Möglichkeit gleichzeitig ihre Taxitarife.
Eine ebenso pragmatische und sinnvolle Lösung wurde seinerzeit am Flughafen München gefunden, der gut 20 Kilometer außerhalb der Stadt liegt, und dessen Gelände auf Teilflächen von fünf Gemeinden in zwei Landkreisen liegt, wobei die Landkreisgrenze mitten durch ein Flughafengebäude verläuft. Hier wurde zur administrativen Einfachheit das Flughafengelände zu einer Exklave der Stadt München gewidmet, so dass Fahrten zwischen der Stadt und den Flughafen bis maximal 50 Kilometer als Stadtfahrten gelten. Zudem haben sich die beiden Landkreise Erding und Freising, in denen der Flughafen liegt, mit dem Landkreis München und der kreisfreien Stadt München auf ein gemeinsames Pflichtfahrgebiet und einen gemeinsamen Tarif geeinigt, der seit einigen Jahren sogar Festpreise zwischen Flughafen, Messegelände und Hauptbahnhof beinhaltet. Eine ähnliche Festpreisregelung gibt es im Tarif der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, wo Pauschalpreise zwischen Flughafen, Messegelände und zwei Bahnhöfen festgelegt sind, allerdings nicht immer in beide Richtungen. In Hamburg gibt es dagegen ortsunabhängige, optionale Festpreise für Fahrten bis 12 Kilometer und bis 22 Kilometer.
Auch am Flughafen Stuttgart wurde eine praktikable Lösung gefunden. Sein Gelände liegt zum überwiegenden Teil in der Gemeinde Filderstadt, der Haupteingang im benachbarten Leinfelden-Echterdingen (beide Gemeinden im Landkreis Esslingen), und nur ein kleinerer Teil auf Stuttgarter Stadtgebiet. Das Pflichtfahrgebiet der Stuttgarter Taxis umfasst neben dem Stadtgebiet auch die beiden kompletten Gemeinden im südlichen Nachbarlandkreis.
Noch unkomplizierter als in München ist die Lösung, die einst für den größten deutschen Flughafen gefunden wurde: Bei der Planung und Inbetriebnahme des Flughafens Frankfurt am Main in der Nazizeit lag sein Gelände noch zum Teil auf Frankfurter Stadtgebiet, zum Teil aber auch in mehreren Gemeinden zweier verschiedener Landkreise. Im Zuge der großen hessischen Gemeindereform in den 1970er-Jahren wurde – ähnlich wie in München – das Flughafengelände „eingemeindet“, wobei dieses in Hessen tatsächlich zu einem neuen Stadtteil der Metropole wurde und den Namen „Frankfurt-Flughafen“ erhielt, ein Stadtteil mit so einigen Rekorden, beispielsweise beim Verhältnis aus Einwohnerzahl und Arbeitsplätzen (näheres dazu in der unten verlinkten Radiosendung).
Ein Beispiel für vergebliche Bemühungen um eine gute Lösung ist – neben Berlin – auch die österreichische Bundeshauptstadt Wien. Wie bei der deutschen Hauptstadt liegt auch hier der Großflughafen einige Kilometer südlich der Stadt im Nachbarbundesland, und auch hier wurde keine Einigung für ein gemeinsames Pflichtfahrgebiet und einen gemeinsamen Tarif gefunden. Im Unterschied zum brandenburgischen Schönefeld hat die Industriestadt Schwechat in Niederösterreich aber immerhin genug Taxis, um einen Hauptstadtflughafen zu bedienen. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle
Hinweise der Redaktion:
Weitere Informationen zu den erwähnten Tarifen finden Sie in unserer großen bundesweiten Tarif-Übersicht.
Eine bundesweite Betrachtung zum Thema Flughäfen und ihre Pflichtfahrgebiete, akribisch recherchiert und unterhaltsam aufbereitet, gibt es in einer Radiosendung unseres Redakteurs Axel Rühle vom 7.1.2021, nachzuhören hier ab Minute 24:10.