Weil den neuen E-Autos für die Kassenärztliche Vereinigung noch die Konzessionen fehlen, muss der Fahrdienst derzeit auf das Taxi zurückgreifen. Das senkt die Kapazität der Versorgung.
Wer in Berlin dringend einen Arzt braucht, auch nachts, sich aber nicht als Fall für Rettungswagen und Notaufnahme fühlt, erreicht unter der Telefonnummer 116 117 die Vermittlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die sich bemüht, einen Bereitschaftsarzt zum schnellen Hausbesuch vorbeizuschicken. Der kommt momentan aber nicht mit den bekannten Pkw mit blinkendem gelben „Arzt“-Dachzeichen, früher gelb, heute rosa-weiß lackiert, die seit Jahrzehnten zum Stadtbild gehören, und die signalisieren: Wir haben es eilig, auch wenn wir keine Sonderrechte wie die Feuerwehr haben, aber hier ist ein Arzt auf dem Weg zu einem eiligen Hausbesuch. Die 24 nagelneuen Peugeot e-2008, die vor wenigen Wochen für die fahrenden Ärzte angeschafft worden sind, haben einen elektrischen Antrieb und eine weiß-dunkelaltrosa Lackierung, gehören aber noch nicht zum Stadtbild, denn bislang stehen sie ungenutzt in der Tiefgarage der KV an der Soorstraße in Westend.
Momentan kommt die Ärztin oder der Arzt in einem hellelfenbein-farbenen Auto. Da der Fahrdienst, der normalerweise für die KV tätig ist, derzeit seine nagelneuen Fahrzeuge nicht einsetzen kann, musste er kurzfristig einen Vertrag mit Taxi Berlin abschließen. Wie lange dieser Sonderauftrag dauert, ist nicht abzusehen, mindestens aber bis Ende dieser Woche. Für den Fahrdienst bedeutet das höhere Kosten, für die KV weniger erledigte Aufträge pro Tag. Für das Berliner Taxigewerbe sind es zusätzliche, lukrative Fahrten. Und für alle zusammen ist es wieder einmal der Beweis, dass Taxis täglich rund um die Uhr zuverlässig zur Verfügung stehen, wenn die mobile Daseinsvorsorge anderweitig nicht erbracht werden kann.
Der Fahrdienst, der sonst eigentlich die Beförderung der Notdienstärzte übernimmt, ist die in Gelsenkirchen ansässige Stölting Service Group GmbH mit über 30 Standorten deutschlandweit. „Seit rund 25 Jahren leisten wir für die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin beanstandungslos, zuverlässig und für die Patienten erfolgreich den Fahrdienst“, so Udo Brefort, der kaufmännische Leiter des Unternehmens, gegenüber Taxi Times.
Die derzeitige unbefriedigende Situation liegt also weder an fehlenden Fahrzeugen noch an einem Fahrermangel. Die im „Zwangsurlaub“ befindlichen Fahrer stehen auf Abruf bereit, ebenso wie die Autos. Dem Fahrdienst fehlt derzeit die Genehmigung der zuständigen Behörde, obwohl man sich darum rechtzeitig bemüht habe, wie Brefort erklärt: „Ein Erstkontakt wurde von uns bereits im Januar 2022 zum Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) aufgenommen, um frühzeitig die Verlängerung der Genehmigung vorzubereiten.“ Das LABO schickte mit Datum 2. Juni einen ablehnenden Bescheid. „Völlig überraschend ist der von uns gestellte Antrag auf Verlängerung der Konzession vom LABO nach unserer Ansicht unverständlicherweise abgelehnt worden.“
Wie die „Berliner Zeitung“ in einer Meldung vom Freitag schreibt, arbeiten die Fahrer, die die Ärzte zu den Patienten bringen, „unter teils prekären Bedingungen – und möglicherweise zeitweilig auch illegal“, wofür keine näheren Erläuterungen oder Belege angeführt werden. Was die KV selbst betrifft, ist in dem Artikel von erforderlicher Geduld für die Warteschleife die Rede. „Im Gespräch kann dann der Beratungsarzt – seit Anfang des Jahres gibt es übrigens nur noch einen statt zwei – klären, ob ein Hausbesuch notwendig ist, oder auch den Rettungsdienst der Feuerwehr alarmieren.“ Das geschieht, wenn der Fall zu dringend erscheint, um auf den Bereitschaftsarzt zu warten. Umgekehrt gibt auch die Notrufzentrale der Feuerwehr Aufträge an die KV ab, wenn ein Notruf sich als nicht so dringend darstellt – was wegen der Überlastung des Notrufs künftig häufiger geschehen soll. Doch auch der Bereitschaftsdienst der KV steht laut einer Meldung der „Berliner Zeitung“ vom letzten Dezember „kurz vor dem Kollaps“, unter anderem, da dies 220 mal am Tag geschehe.
Der Bereitschaftsdienst der KV hat einen Versorgungsauftrag des Berliner Senats, beschäftigt 320 Ärztinnen und Ärzte und ist Tag und Nacht erreichbar für Personen, die wegen ihrer Erkrankung nicht selbst einen Arzt aufsuchen können. Pro Werktag besuchen die Bereitschaftsärzte laut KV durchschnittlich 400 Erkrankte zu Hause, an Wochenenden etwa 700. Momentan läuft es aus den genannten Gründen nicht problemlos.
Aus welchen Gründen das LABO die Mietwagenkonzessionen derzeit nicht verlängern bzw. erteilen will, ist nicht ganz klar. Die „Berliner Zeitung“ schreibt, mehrere Fahrer hätten berichtet, dass sie trotz abgelaufener Konzession hätten weiter fahren müssen. Auch seien Fahrzeuge dieses Jahr zum Teil mit abgelaufener TÜV-Plakette eingesetzt worden, weshalb einige Fahrer „auf die Barrikaden gegangen“ seien, die ihren P-Schein in Gefahr gesehen hätten. Die Firma Stölting widerspricht und schreibt, vor der aktuellen Ablehnung habe es „keine Beanstandungen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für den Erhalt und die Fortführung der entsprechenden Konzession“ gegeben. „Umstände, dass sich dies geändert hätte, waren diesseits nicht ersichtlich. Die Begründung des ablehnenden Bescheids ist inhaltlich nicht zutreffend.“ Nach dem Eingang des Bescheids habe das Unternehmen – bisher vergeblich – erneut versucht, mit dem LABO in Kontakt zu treten.
Stölting will jetzt gegen den Bescheid des LABO Rechtsmittel einlegen. Auch die KV kann nach eigenen Angaben das Verhalten des LABO gegenüber dem Fahrdienst nicht nachvollziehen. Vom LABO selbst sind keine Informationen erhältlich.
Zum Vorwurf des angeblichen Fahrens ohne Konzessionen zitiert die „Berliner Zeitung“ Boris Westerfeld, den Geschäftsführer der Stölting Service Group, mit der Aussage, man überprüfe die Vorwürfe, könne aber bereits jetzt sagen, dass der Großteil der Vorwürfe nicht zutreffend sei. Auch Vorwürfe zu Dumpinglöhnen werden zurückgewiesen: „Wir vergüten unsere Mitarbeitenden ordnungsgemäß nach dem Stundenlohn, der sich an dem Landesmindestlohngesetz Berlin orientiert, einschließlich der Nachtzuschläge“, so Udo Brefort gegenüber Taxi Times.
Da die Versorgung mit Taxis statt firmeneigener Mietwagen erheblich mehr kostet, ist die Rede von einer „Notlösung“, deren dauerhafte Durchführung „nicht garantiert werden kann“. Für die täglichen drei Schichten werden bei Taxi Berlin jeweils sechs Taxis gebucht – für das Gewerbe ein lukrativer Auftrag, da die Zeit, in der die Ärzte in der Wohnung die Patienten versorgen, als Wartezeit berechnet wird.
Die KV Berlin befürchtet Einschränkungen bei der Versorgung der Patienten, abgesehen von den finanziellen Einbußen auch für die Ärzte. Für die KV habe es „oberste Priorität, den Hausbesuchsdienst auch zukünftig sicherzustellen“. Auch Stölting sieht sich gezwungen, vorerst in den sauren Apfel zu beißen, da das Wohl der Patienten über wirtschaftlichen Interessen stehe: „Das Thema der Wirtschaftlichkeit ist derzeit nicht in unserem Fokus, da es uns insbesondere auf die Versorgung der immobilen und hilfebedürftigen Berliner Patienten ankommt“, so Brefort wörtlich. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle
Sehr interessant. Bei uns machen das seit Jahren die Malteser: ohne lästige Genehmigungen und mit Fahrzeugen, die 3 Jahre TÜV ( als Neuwagen ) haben. Früher haben das die Taxen gemacht. Auf Anfrage teilte damals die zuständige Behörde mit, daß diese Fahrten nicht genehmigungspflichtig seien.
@Martin, als Bundesweite Regelung gilt:
Der Betrieb eines Taxi-, Mietwagen- oder Busunternehmens zur entgeltlichen oder geschäftsmäßigen Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen im Gelegenheitsverkehr bedarf einer Genehmigung (Konzession).
Diese Fahrzeuge haben dann immer nur ein Jahr Tüv.
Das die Firma Stölting schon seit 7 Monaten ohne Konzession unterwegs war, war der KV bekannt. Der Landesmindestlohn wird erst seit dem 1.5.2023 gezahlt. Und ja, einige Wagen waren auch ohne gültigen TÜV unterwegs. Auch sämtliche Ausnahmegenehmigungen wurden nicht rechtzeitig verlängert. Der Grund, man wartete auf die neue E-Auto Flotte und wollte für den Altbestand kein Geld mehr ausgeben.
Das Labo macht jetzt seinen Job und hoffentlich machen sie ihn richtig!
Das Brefort das Wohl der Hilfsbedürftigen Berliner:innen über das Geschäftsinteresse stellt, ist eine unverschämte Lüge. Ebenso die Aussagen von Stölting, unverschämte Lügen.
Oh ein Insider, scheint sich ja einer auszukennen.
Gibt es auch Beweise?
Hallo angeblicher Dr. Schmidt, ja die Beweise gibt es.
Das LABO hat wie man hört die Ablehnung mit zwölf Punkten begründet. Stölting hat hier im großen Stil gegen viele Regeln verstoßen und ein hartes Durchgreifen des LABO hätte Signalwirkung. Stölting hofft nun darauf, daß sich die KV-Berlin schützend vor sie stellt. Habe so meine Zweifel das das so passieren wird. Stölting/C.Kleine haben sich viel erlaubt in all den Jahren. Die KV hätte gute Gründe gehabt sich von Stölting zu trennen. Sie müssen sich die Frage stellen/gefallen lassen, warum sie so lange nicht reagieren. Die Behauptung man wäre stets zufrieden mit den Diensten von Stölting, ist ja nur eine von vielen Lügen Stöltings. So ist eben der ganze Laden Stölting …. […]. Folgerichtig wäre jetzt, daß Stölting nun die Verantwortung tragen muß. Also schön weiter durch Taxen die Dienste versehen und wenn die Kohle alle ist ab in die Insolvenz und die Fa. Stölting zerschlagen. Das ist zwar bitter für die Fahrer, aber anders geht es nicht. Wollen wir hoffen, daß das übergeordnete Ministerium, dem die KV untersteht, zusammen mit dem LABO im Schulterschluß dieses Szenario wahr werden lässt.
Es geht weiter!
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/kassenaerztliche-vereinigung-kv-kassenaerzte-wurden-illegal-durch-berlin-gefahren-42000-verbotene-fahrten-li.365548
Ich bin gespannt, ob die Taxiunternehmen ihr Geld von Firma Stölting bekommen.
Wurden schon Rechnungen für die KV Fahrten bezahlt?
Was hat sich denn die Firma in den Jahren zuvor zu Schulden kommen lassen?
Haben Sie Beweise?
Hallo angeblicher Dr. Schmidt, um die Jahre zuvor geht es nicht.
Und nun sind die Fahrer*innen der Fa. Stölting wieder unterwegs. Die Mehrheit der Ärzte*innen begrüßen das.
Mit freundlichen Grüßen Dr.Schmidt