„Sozial geht anders“, so beschreibt die Fachvereinigung Taxi und Mietwagen im GVN Ihre Wahrnehmung der Option von Tarifkorridoren und appelliert an die Tarifgenehmigungsbehörden, von der Anwendung abzusehen.
Gundula Hauenstein als stellvertretende Vorsitzende des niedersächsischen Verbandes erneuert damit die bereits im Gesetzgebungsverfahren um die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes vorgetragene Kritik am sogenannten Tarifkorridor. Sie fordert die zuständigen Behörden – anlässlich der in einigen Landkreisen und Städten derzeit beginnenden Verwaltungsverfahren zur Anpassung der Taxitarifverordnungen – daher auf, von der Anwendung dieses neu eingeführten Tarifmerkmals unbedingt abzusehen.
Die seit 1. August geltende neue Regelung im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ermöglicht es den Genehmigungsbehörden, neben dem festgelegten Taxitarif für Bestellfahrten unter anderem auch Mindest- und Höchstpreise (deshalb „Tarifkorridore“) zu definieren, in deren Rahmen Fahrgäste mit dem Unternehmen den Fahrpreis aushandeln können. Der bisher geltende Grundsatz, dass in der Taxitarifverordnung stets feste Kilometer- und Zeitpreise für die Taxifahrten innerhalb des sog. Pflichtfahrgebietes verordnet werden müssen, wird so durchbrochen.
Die Prognose der niedersächsischen Taxibranche ist dabei, dass bei der Anwendung dieser Regelung eine Mehrklassengesellschaft bei der Taxinutzung entstehen würde. Leidtragende werden danach die normale Kundschaft und insbesondere mobilitätseingeschränkte Menschen sein, während Großkunden den Minimalpreis unerbittlich einfordern und bekommen werden.
„Oma und Opa, die dringend zum Arzt müssen, subventionieren den Großkonzern, das kann doch wohl nicht sein“, kritisiert die niedersächsische Vizechefin Hauenstein die als sicher befürchteten Auswirkungen eines Tarifkorridors. Marktmächtige Großkunden mit einer namhaften Zahl von Taxibestellungen werden (leider) wohl immer Taxiunternehmen finden, die damit zwar kaum noch ihre Kosten einfahren, aber trotzdem aus Auslastungsgründen auch den Mindestpreis akzeptieren, so die Darlegung des Verbandes. Der Normalkunde wird dagegen mangels Verhandlungsmacht diesen Preis im Regelfall nicht bekommen oder sich schon grundsätzlich scheuen, mit dem Unternehmen über den Preis zu verhandeln.
Gundula Hauenstein positioniert sich daher klar: „Die Folge dessen, dass der große Auftraggeber einen niedrigeren Preis erhält, wird dann sein, dass unsere Beförderungsunternehmen nur mit einer deutlichen Erhöhung der Fixpreise im Rahmen des nächsten Taxitarifs ein weiterhin ausreichendes Einkommen erzielen werden können. Die Preisspirale dreht sich also zu Ungunsten unserer normalen Kundschaft, die zudem häufig ganz besonders auf unsere Dienstleistung angewiesen ist – und dies zu einem bezahlbaren Preis“.
Schon aus dem Bewusstsein ihrer Bedeutung auch für eine soziale Mobilität wenden sich die Niedersachsen gegen den Tarifkorridor. Zudem werde das Verlässlichkeitsmerkmal der Taxi-Fixpreise verloren gehen. „Jeder Fahrgast konnte bisher darauf vertrauen, dass kein anderer, aus welchen Gründen auch immer, einen anderen Preis als den behördlich festgesetzten Fixpreis zahlen würde, denn Tarif ist Tarif. Und dieses Vertrauen in den festen Preis ist in den Augen unserer Kunden auch ein wichtiges Wesensmerkmal des öffentlichen Verkehrsmittels Taxi. Genauso wie im Linienbus- oder Straßenbahnverkehr, da verhandele ich den Preis auch nicht vorher“, so Hauenstein.
„Diesen ungerechten Unfug brauchen wir nicht“, lautet der gemeinsame, abschließende Aufruf in Richtung der Behörden. Ähnliches hatte vor Kurzem auch der Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) vorgetragen, indem er die Genehmigungsbehörden aufforderte, solche Tarifkorridore ausschließlich auf Initiative der örtlichen Taxibranche in Erwägung zu ziehen, auch wenn die Branche ansonsten die regionalen Gestaltungsoptionen gemäß neuem PBefG ausdrücklich begrüßt hatte. rw
Beitragsfoto: Axel Rühle