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Warum eine Verklärung der Vergangenheit zum Rohrkrepierer werden muss

von redaktion
2. Oktober 2025
Lesedauer ca. 3 Minuten.
5
Warum eine Verklärung der Vergangenheit zum Rohrkrepierer werden muss
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Das Taxigewerbe hat sehr schnell viele Antworten, wenn es um die Frage nach den Fehlern der Plattformvermittler geht. Der Nürnberger Taxiunternehmer und Taxi-Times-Abonnent Matthias Glowatsch fordert in seinem Gastkommentar dazu auf, die eigene Betriebsblindheit aufzugeben und sich im Gegenzug auch mal an die eigene Nase zu fassen.

Ein Gast-Kommentar von Matthias Glowatsch

Seit fast 25 Jahren bin ich Mehrwagenunternehmer in einer Großstadt, mit einer Unterbrechung mehr als zehn Jahre Aufsichtsrat in der örtlichen Monopolzentrale und seit einiger Zeit desillusioniert.

Einig sind wir uns, Uber und Bolt als Mietwagenplattform betreiben ein mit unternehmerischer Seriosität kaum in Einklang zu bringendes Geschäftsmodell mit dem Ziel, das Taxi platt zu machen. Jeder Taxiunternehmer und jede Taxizentrale, welche mit diesen Anbietern kooperiert, muss sich klar sein, es ist ein Pakt mit dem Teufel. Uber und Bolt haben nur ein Interesse an unseren Daten und dass sie zu starken Zeiten wie Samstagnacht ihren Überlauf wegbekommen.

Matthias Glowatsch hat sich Gedanken über die Zukunft des Taxis gemacht.

Klar werden müssen wir uns aber auch über folgende fünf Tatsachen:

  1. Ein wachsender Kundenkreis will per App bestellen. Wenn ein Fahrgast einmal ein Taxi bei FreeNow oder taxi.eu auf Knopfdruck geordert hat, ist dieser dann für das Telefongeschäft verloren. Er wird sich nicht mehr in eine Warteschleife einreihen und einem begriffsstutzigen Disponenten seine Abfahradresse auch noch buchstabieren. Dieser Trend wird sich fortsetzen und auch aus demografischen Gründen mittelfristig die Zielgruppen erreichen, welche wir heute noch als „safe“ ansehen. Heute 50- oder 60-jährige, für die das Smartphone selbstverständlich ist, sind die Omas und Opas von morgen. Wichtig auch: Nennenswerte Zielgruppen, z.B. Geschäftskunden, wollen eine einheitliche App, alleine wegen der Abrechnung.
  2. Als die Entscheidungen der Großzentralen für die Datenfunksysteme fiel, hat noch niemand an eine einheitliche, auch für den Datenfunk geeignete App-basierte Vermittlung gedacht. Trotz der Zusammenarbeit von FMS mit Seibt & Straub existiert noch Gefos, Microtek und wahrscheinlich noch andere. Das ist eine Hürde für die gewünschte einheitliche App „vom Gewerbe fürs Gewerbe“.
  3. Gravierender ist es, wir hätten die Entwicklung vor 10 oder 15 Jahren selber, spätestens mit dem Aufkommen von Intelligent Apps (my taxi) selber anstoßen müssen! Das hätte über die Verbände geschehen müssen, wurde dort aber komplett verschlafen. Zitat des von einigen immer noch gottgleich verehrten Hans Meißner gegenüber Wolfgang Ziegler und dem Verfasser dieser Zeilen: „So an Schmarrn brauch mer ned. De Leid soll’n oruafa.“ (Übersetzt für die Nordlichter: So einen Unsinn benötigen wir nicht. Das werte Zielpublikum möge telefonieren.)
  4. Zumindest manche Vermittlungen sind – trotz Datenfunk – auf dem Niveau der 90er Jahre stecken geblieben. Mal aus Fahrersicht. Die Vermittlung einer FreeNow-Fahrt auf das Handy und die Vermittlung einer Taxi Deutschland Fahrt auf einen Microtek-Datenfunk sind ein Unterschied wie Tag und Nacht, was unter anderem die Displayansicht und Navigation zu einem Kunden, der sich auch noch bewegt angeht. Gleiches gilt für den Kunden.
  5. Schlechte Dienstleister und einen gewissen Bodensatz gab es in diesem Gewerbe schon immer. Was früher ein gewisser Typus des deutschen Einzelunternehmers mit einem verrauchten und verstunkenen Taxi war, sind heute Kollegen, die unserer Sprache nicht ausreichend mächtig sind.Es ist 5 nach 12. Wenn die Zentralen und Verbände insgesamt (nur einzelne Personen reicht nicht) nicht aufwachen, dann werden wir Zentralen in Zukunft anders definieren. Wir werden telefonisch noch gewisse sehr schwierige Kunden bedienen („Absturzkneipen“) und uns ansonsten der Gewerbevertretung und Spezialgeschäften, wie bestimmte Behindertenfahrten, AST, ÖPNV-Ersatz, Schülerverkehr, bestimmte Mitarbeiter- oder Werksverkehre widmen. Auch ok, aber das bedeutet, es muss eingespart werden, weil die Vermittlungszahlen dann deutlich zurückgehen. Welcher (Neu)unternehmer wird dann in derart angespannten Zeiten noch hohe Teilnahmeentgelte zahlen bei Zentralen, welche immer weniger Geschäft haben und auch noch versuchen, seinen Mitarbeitereinsatz zu steuern? Auch wenn es kurzfristig gedacht ist, Verständnis darf schon aufgebracht werden, schließen sich in nicht allzu ferner Zukunft die Unternehmer nicht mehr den Zentralen an und laden sich stattdessen drei Apps auf die Smartphones der Fahrer. Wird dieses Szenario Realität, werden die Zentralen sparen müssen. Haben sie nicht externe Einnahmequellen in beträchtlicher Höhe, ist es irgendwann vorbei mit zwei oder drei sehr gut bezahlten Vorständen etc…. weil der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe her.

    Kurzfristige Lösung? Habe ich keine, hat niemand.

Mir ging es bei diesem Beitrag darum, endlich mit der Schönfärberei und Schulterklopferei aufzuhören und uns endlich an die eigene Nase zu fassen. Wir hätten Uber und Bolt nicht verhindern können, aber ihnen eine gescheite Strategie entgegensetzen müssen. Nur uns gegenseitig zu erzählen, wie toll wir sind, reicht nicht und stimmt auch nicht. mg

Hinweis: Gastkommentare und Kolumnen spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Taxi-Times-Redaktion wider.

Beitragsfoto: Grafik: pixabay

Tags: KommentarMatthias GlowatschMeinung
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redaktion

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Kommentare 5

  1. Franz Freund says:
    2 Monaten her

    Der Tenor stimmt. Das entspricht auch meiner Erfahrung mit Vermittlungszentralen. Man dringt nicht zu ihnen durch. Allerdings ist die „Flucht“ der Fahrgäste wohl doch eher mit der Ersparnis des Fahrpreises zu erklären. Diese Kunden nutzen dann sehr gerne die Versäumnisse des Taxigewerbes, um ihre deutliche Einsparung damit rechtfertigen zu können.

    Antworten
  2. J. Chronor says:
    2 Monaten her

    Die Beschreibung unserer Zunft kann ich ausdrücklich bestätigen. Als leitende Persönlichkeit in unserem Gewerbe möchte ich (und vermutlich viele Kollegen) auch von Ihnen schon konkrete Initiativen sehen, damit genau die Technik durchgesetzt wird, die sie beschrieben haben! Umsatz kommt schon immer vom Kunden. Unser Geschäft ist aber nicht in seiner ganzen Bandbreite nur mit Plattformen zu realisieren. Unsere Zentralen sind von größter Bedeutung in Öffentlichkeitsarbeit, politischer Interessenvertretung, speziellen Kundenwünschen, sonstigen besonderen Anforderungen. Wenn da nicht investiert wird, nicht nur mit Geld, sondern auch mit Hirnschmalz und Kreativität, wird’s zappenduster!

    Antworten
  3. Andi says:
    2 Monaten her

    Ein Artikel, der den Nagel auf den Kopf trifft!

    In München ist es mittlerweile so, daß die Vermittlungsgebühren beider Zentralen sich für Mehrwagen unternehmer nicht mehr rentabel darstellen lassen. Die Gebühren steigen sogar, trotz massiven Einbrüchen bei den vermittelten Fahrten. Gestern hab ich das selbst erlebt, Schicht von 9 bis 17 Uhr, EG Funk bis 16 Uhr so gut wie schlafend. Zur Wiesn!

    Aber 3 Vorstände und einen großen Aufsichtsrat, die ihre Energie in Streitereien stecken!

    Antworten
  4. Bruno says:
    2 Monaten her

    Voraussage: Ich bin das beste Beispiel, wie man immer wieder mal Fehler macht !!! Ja, ja, leider !!
    Der Bericht war zeitraubend für den Mathias, aber sehr gut ! Wie wärs eigentlich für den erwähnten Hans Meißner (dem inzwischen häufigen Holzfäller !!!), wenn er die damalige Aussage sehr bedauern würde ??
    Und irgendwie wirds ja höchste Zeit, daß der J.Chronor nicht nur Wichtiges schreibt,
    sondern in Verbandsfunktionen einsteigt.
    Anssonsten: Ich hab das Gefühl, taxitimes distanziert sich ????

    Antworten
    • J. Chronor says:
      1 Monat her

      Bin einfach als engagierter Beobachter tätig und in einem Alter, in dem ich keine Rücksicht mehr auf jemanden nehmen muß.

      Antworten

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