Die bisherige Historie der Hamburger Taxivermittlung Hansafunk enthält nicht nur kuriose Begebenheiten, sondern ist auch eine Geschichte gewollter und gut gelungener PR.
Die größte und bekannteste Hamburger Taxivermittlung, der Hansa-Funk, hat zu seinem 50-jährigen Bestehen wieder einmal mit professioneller Pressearbeit dafür gesorgt, Gesprächsthema zu sein. So brachte das „Hamburger Abendblatt“ anlässlich des Jubiläums einen ganzseitigen Artikel mit der Überschrift „Als Hamburgs Taxifahrer den Aufstand probten“. Darin kommt Hansafunk-Veteran Günter „Charly“Jeschke zu Wort, der von der Gründung des Vereins und aus den ersten Jahrzehnten der Vermittlungsarbeit ein paar teils kuriose Begebenheiten zu erzählen hat.
Nicht nur, dass die Gründung einer eigenen Funkvermittlung im damals stockkonservativen Hamburger Taxigewerbe ein Skandal war – es wurde sowohl verbal als auch in einigen Fällen tatkräftig gegen die „jungen Wilden“ gekämpft. Einmal lag ein Schweinekopf vor dem Zentralengebäude. Ein anders Mal sei die damals noch einzige Telefonleitung der jungen Zentrale – noch vor der 211-211-Ära – mit einem Beil gekappt worden, wie der heute 84-jährige Jeschke berichtet.
Auch eine andere, gewaltfreie, aber ebenfalls effektive Form der Sabotage war zu Zeiten des Wählscheibentelefons möglich: Im rein analogen Netz war eine Telefonverbindung erst dann wirksam unterbrochen, wenn der Anrufer aufgelegt hatte. Solange nur der Angerufene aufgelegt hatte, konnte dieser durch erneutes Abnehmen des Hörers das Gespräch fortsetzen, jedoch keine Nummer wählen. Folglich konnte jeder Anrufer eine beliebige Telefonleitung per einmaligem Anruf beliebig lange blockieren.
Das taten Unbekannte auch mit der dringend benötigten Leitung des Hansa-Funks. „Da gab es dann einen Funk-Rundruf, und wir alle haben erst mal Ausschau gehalten, in welcher Telefonzelle der Hörer an der Strippe baumelte“, zitiert das „Abendblatt“ Charly Jeschke. Zwar ratterten bei einem Gespräch innerhalb Hamburgs – im Unterschied zu West-Berlin – damals noch die Telefoneinheiten, doch die waren billig.
1983 schaltete die Deutsche Bundespost die Telefon-Nummer 211 211, die heute das Markenzeichen der „Hansis“ ist. Dazu investierte man einmalig einen enormen Geldbetrag in Reklame, was sich augenblicklich auszahlte: Man kaufte eine Werbefläche auf dem Deckblatt des Hamburger Telefonbuches für 160.000 DM. Das führte bereits am ersten Tag der Veröffentlichung zu einem Tourenzuwachs von 40 Prozent und in der Folgezeit zu einer kontinuierlich steigenden Bekanntheit. Hansa-Taxi wurde zur Nummer eins in der Freien und Hansestadt Hamburg samt Umgebung.
Die Nummer 211 211 war mit Bedacht gewählt worden – auch dies eine Besonderheit der Wählscheiben-Ära. Nicht nur, dass die Nummer leicht zu merken ist. Da in vielen Kneipen Telefone standen, auf die die Kunden Zugriff hatten, mussten die Kneipiers sich vor unbemerkter Nutzung der Apparate schützen, indem kleine Schlösser in die Wählscheiben gehängt wurden. Damit dennoch Notrufe unter 112 getätigt werden können, war es üblich, das Schloss auf Höhe der 3 einzuhängen. Über die Nummer 211 211 konnten die Gäste folglich immer noch den Hansa-Funk anrufen. Das war so manchem Kneipier, besonders auf der Reeperbahn, im Zweifelsfall wichtiger als die Möglichkeit, schnell die 110 zu wählen. Besser, man hat ein Hansa-Funktaxi vor der Kneipe, von dem die Gäste sich freiwillig abholen lassen, als dass die Polizei ins Haus kommt und das gleiche unfreiwillig erledigt.
Die leicht zu merkende Rufnummer und ihre Bekanntmachung blieben nicht der einzige PR-Schachzug der „Hansis“. Nachdem man erkannt hatte, in welchem Maße gute Presse sich positiv auf das Geschäft und das Image auswirkt, leistet der Hansa-Funk sich seit 2010 einen PR-Berater. Die Tatsache, dass Taxifahrer den Ruf hatten, sich in ihrem Revier so gut auszukennen wie kaum jemand anderes (zumindest bis zur Abschaffung der Ortskundeprüfung), veranlasste diesen, einen Stadtführer ins Leben zu rufen, dessen Inhalt von Taxifahrern stammen sollte und den Stadtbesuchern Tipps gibt, die so woanders nicht so kompetent und gebündelt finden. Unter dem Namen „Der Weg-Begleiter“ wurde die Broschüre 2013 veröffentlicht.
In dem Heft stehen nicht nur 211 Beschreibungen zu Sehenswürdigkeiten. Auch die Fahrerinnen und Fahrer, von denen die Tipps kommen, werden mit Name, Foto und Konzessionsnummer vorgestellt. So hat der Leser anstelle eines anonymen Reiseführers ein Heft, in dem ihm von Menschen mit Gesicht Empfehlungen gegeben werden. Dank dieser nahbaren Aufmachung und erneut guter Pressearbeit wurde das Heft in der Hansestadt schnell zum begehrten Renner, über den auch die Medien umfassend berichteten, unter anderem auch Taxi Times. Ein gutes Verkaufsargument und zugleich genialer PR-Gag ist auch der Kaufpreis von schnäppchenhaften 2,11 Euro.
Eine andere PR-Geschichte aus demselben Jahr kam ursprünglich durch Zufall zustande: Als ein Hansa-Funker eines Abends Feierabend machen wollte und gerade aus der Autowäsche kam, erhielt er noch schnell einen Funkauftrag am Flughafen Fuhlsbüttel, dem heutigen „Hamburg Airport Helmut Schmidt“. Die Fahrstrecke war etwas länger als üblich: Die fünf Mitarbeiter der Landwirtschaftskammer eines indischen Bundesstaates wollten nach Hannover. Man verstand sich auf Anhieb, plauderte über Fußball, die Geschichte Preußens und Landwirtschaft. Stau- und hungerbedingt kehrten Fahrer und Fahrgäste in einem Restaurant ein. „Noch bevor sie in Hannover ausstiegen, fragten sie mich, ob ich sie nach ihrem Geschäftstermin durch Europa fahren würde“, erzählte der Fahrer später dem Reisemagazin „Lonely Planet“, das die Geschichte veröffentlichte.
Als die Männer dem Fahrer pauschal 3500 Euro für eine Tour über Berlin, Dresden, Prag, Wien, Budapest und Brüssel anboten, habe er nicht gezögert. „Ich habe mir Stadtführer besorgt, die Route geplant, mir überlegt, was wir in den Städten anschauen können und sogar die Hotels gebucht.“ Knapp zwei Tage später startete die Taxi-Rundtour. Aus dem Chauffeur Bernd Meyn wurde ein Reiseleiter: knapp eine Stunde Frauenkirche in Dresden, zwei Stunden Wien mit Hundertwasserhaus, Verschnaufpausen mit Übernachtungen in Berlin, Prag und Budapest, Abstecher zum Schloss Sanssouci in Potsdam, Stippvisite bei einem Diplomaten-Onkel in Gunzenhausen. Nach ihrer Heimreise schickten die fünf einen herzlichen Brief und luden ihn ein, Indien kennenzulernen.
Auch diese Geschichte wurde so für die Presse aufbereitet, dass neben dem Fahrer auch der Hansa-Funk Sympathiepunkte sammeln konnte und so durch einen Image-Gewinn profitierte.
2015 verschaffte ein Prominenter dem Hansa-Funk große PR durch seinen Besuch: Der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz besuchte die Zentrale (Taxi Times berichtete).
2016 eine weitere PR-Aktion, bei der der Hansa-Funk sich die gute Presse mehr als redlich verdiente: die Aktion Herz-Taxi, bei der 50 Taxis mit lebensrettenden Defibrillatoren bestückt und die Fahrer entsprechend geschult wurden (Taxi Times berichtete). DieAktion machte Schule. Schon bald zog Wilhelmshaven nach, dann mehrere Städte in der Schweiz.
Gute PR-Arbeit weiß auch aus Krisen das beste herauszuholen. Als 2020 die Corona-Politik zuschlug, war der Hansa-Funk neben Taxi Berlin und dem IsarFunk München eine der ersten Zentralen, die innerhalb weniger Tage den Ausgangssperren mit Essenslieferungen zum Pauschalpreis – und mit guter Werbung dafür – begegneten.
Aktuell läuft eine Werbekampagne, die der Entwicklung entgegenwirken soll, dass junge Leute zunehmend halblegale Fahrdienste cooler finden als das Taxi, und das, obwohl Hamburg eine der letzten deutschen Großstädte ohne Uber-Problem ist. In bestimmten, bei der jungen Generation beliebten Sozialen Medien wie „tiktok“ erzählen Taxifahrer in kurzen, jugendgerecht aufbereiteten Clips von Begebenheiten aus ihrem Berufsalltag, mit denen sie sehr sympathisch, menschlich und nahbar herüberkommen.
Die Geschichte der Hamburger Funkvermittlung Hansa-Taxi zeigt, dass das Image einer Taxizentrale direkt mit guter Werbung bzw. PR-Arbeit zusammenhängt. ar
Bilder: Hansa Funktaxi eG (falls nichts anderes angegeben ist)