Wird der Umgang mit Daten über die Zukunft der Automobilhersteller entscheiden?
Über diese These spricht Prof. Dr. Andreas Herrmann, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten. Ein Ansatz, der unmittelbar an die fortschreitende Digitalisierung und technologische Weiterentwicklung in der Automobilbranche anschließt, denn mittlerweile, so Herrmann, ist das autonome Fahrzeug nicht mehr aufzuhalten. Mit Blick auf den deutschen Markt sieht er gewohnt starke Marken und Hersteller, die auch sehr am autonomen Auto interessiert sind, aber es gibt seiner Meinung nach zur internationalen Konkurrenz einen großen Unterschied. Denn inzwischen wird das autonome Auto nicht mehr bei den großen Herstellern entwickelt, sondern die Schlüsseltechnologien kommen aus San Francisco, Israel, Singapur, Shanghai, Finnland und der Schweiz. Dort wird die künstliche Intelligenz erforscht und entwickelt, die letztlich die Autonomie erst ermöglichen wird.
Wichtig ist, dass man sich klarmachen muss, welchen Wirtschaftsfaktor das autonome Fahren bringt. In Zukunft wird es nicht mehr darum gehen Autos zu verkaufen, sondern die Zeit, in der autonom gefahren wird, soll dazu genutzt werden, mit den Kunden Umsatz zu generieren – beispielsweise durch Shopping.
In einem Beispiel rechnet Prof. Dr. Andreas Herrmann vor, welchen Umfang der Umsatz haben kann. Ausgehend davon, dass pro Jahr die Menschen weltweit über 400 Milliarden Stunden im Auto verbringen, setzt er pro Stunden ca. zehn Dollar möglichen Umsatz an. Hochgerechnet könnten so bis zu vier Billionen Dollar erschlossen werden. Pro Jahr! Das ist mehr, als man in einem Jahr durch den Verkauf von Autos umsetzen könnte. Auch wenn man kritisch anmerken kann, dass zehn Dollar pro Stunde möglicherweise zu hoch angesetzt sind, dann bekommt man doch eine Ahnung davon, dass das autonome Fahren nicht nur für den Mobilitätsdienstleister Umsatz bringt, sondern auch für Google und Co, die während der Fahrt auf Kundenfang gehen. Der Verlierer wird die klassische Autoindustrie sein, deren Umsatz auch durch Ridesharing-Anbieter wie beispielsweise Uber geschwächt wird. Der Trend geht weg vom eigenen Auto und das steigende Bedürfnis nach Mobilität kann in Zukunft durch Flotten autonomer Fahrzeuge gestillt werden.
Dieses Szenario ist fast schon eine Farce, denn heute bekommt Uber noch Unterstützung von den Automobilherstellern. Wenn es nach Herrmann geht, dann machen Sie sich so in Zukunft selber überflüssig. Laut Herrmann gibt es aber noch einen Weg, wie sich die Konzerne aus dem drohenden Schlamassel retten könnten. Schon heute mutieren die Fahrzeuge zu wahren Datenkraken. Es werden aberwitzig viele Daten, genannt Big Data, generiert, aber speziell von den deutschen Herstellern finanziell kaum genutzt. Laut Stefan Herrmann ist dies ein entscheidender Fehler. Die Branche selbst hat weiterhin Zukunft, aber die Umverteilung und die Erschließung neuer Geschäftsfelder findet jetzt statt, denn der Wunsch nach Mobilität wird weiterwachsen. sg
Symbol-Foto: Michaël GOUNON/Navya
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