Ein Taxifahrer, der 2018 bei der Suche nach einer vermissten Frau im Flachgau half und diese versehentlich überfahren haben soll, ist laut neuem technischen Gutachten unschuldig.
Es war ein höchst tragischer Fall im Salzburger Land, der im April 2018 nach einem Indizienprozess am Salzburger Landesgericht mit der Verurteilung eines Taxilenkers wegen fahrlässiger Tötung endete. Dem Mann war seine Hilfsbereitschaft zum Verhängnis geworden. Doch die Aufhebung des Urteils nach knapp vier Jahren, lange nach Verbüßung der Haftstrafe, zeigt jetzt, dass der Fall offenbar anders war, als das Gericht damals annahm. Wie es aussieht, saß der Taxler unschuldig im Gefängnis.
Was war geschehen? Am 31. Mai 2017 soll eine 52-jährige Frau aus Seekirchen am Wallersee, nordöstlich der Landeshauptstadt Salzburg nahe der deutschen Grenze gelegen, nach einem Streit mit ihrem Lebensgefährten entschlossen gewesen sein, sich mit Medikamenten und Alkohol das Leben zu nehmen. Dem Lebensgefährten, einem in dem 10.000-Einwohner-Städtchen bekannten 76-jährigen Mediziner im Ruhestand, wurde vorgeworfen, die Frau damals nicht vehement genug von der Verzweiflungstat abgehalten zu haben. Als die Frau mit 1,2 Promille Alkohol im Blut auf eine Wiese flüchtete, begann am späten Abend eine Suchaktion, bei der nicht nur ihr Partner half, sondern unter anderem auch die Mutter der Frau und der Taxilenker, der die besorgte ältere Dame zum Ort des Geschehens gefahren hatte.
Da das Gras auf der Wiese einen halben Meter hoch stand, suchten die Beteiligten die Fläche zum Teil mit ihren Autos ab, da es völlig dunkel war. Der Taxilenker soll es gewesen sein, der mit Fernlicht mehrere Runden drehte, dabei die im Gras liegende Frau übersah und mit dem Taxi so unglücklich erfasste, dass sie an inneren Blutungen starb (Taxi Times berichtete). Die gesicherten Reifenspuren sah man als Beweis an.
Im Gerichtsprozess stritt der Fahrer dies ab und bekannte sich nicht schuldig. Er sei „nur kurz in die frisch geschnittene Wiese und nicht ins hohe Gras gefahren.“ Das Online-Nachrichtenportal des Österreichischen Rundfunks (ORF) zitiert den damals Beschuldigten, er habe keinen Widerstand beim Fahren gespürt. Das Fernlicht habe er verwendet, weil er damit genauso gut wie mit dem Abblendlicht gesehen habe, dafür aber viel weiter. Er sei dann aber gleich wieder zurück auf die Straße gefahren, weil er für einen anderen Auftrag weiter musste.
Das Opfer sei erst gefunden worden, wie der ORF weiter berichtet, „als sich wenig später auch der Lebensgefährte der Frau in sein Auto setzte, ebenfalls einige Runden in der Wiese drehte und auf den Körper der Frau stieß. Für die 52-Jährige kam da aber bereits jede Hilfe zu spät.“ Die Polizei ermittelte gegen beide Männer und weitere Helfer. Von vier untersuchten Fahrzeugen hätten aber laut Kfz-Gutachten nur die Reifen des Taxis zu den Spuren auf der Haut der getöteten Frau gepasst. So wurde dem Taxilenker seine Hilfsbereitschaft zum Verhängnis. Da im Blut der getöteten im Widerspruch zur Aussage ihres Lebensgefährten keine Medikamentenrückstände gefunden wurden, stand für das Gericht fest, dass der Taxilenker die Frau ungewollt getötet hatte. Es verurteilte ihn wegen fahrlässiger Tötung zu zehn Monaten „teilbedingter Haft“. Die Ermittlungen gegen den prominenten Mediziner wegen unterlassener Hilfeleistung wurden eingestellt. Der Taxilenker musste für drei Monate ins Gefängnis, der Rest der Strafe galt zur Bewährung.
Ein neues Gutachten auf Basis von neuesten wissenschaftlichen Methoden hat nun laut ORF ergeben, dass das Taxi die Frau doch nicht getötet haben kann. Stattdessen sei es nun eindeutig der Wagen des Lebensgefährten, der die tödlichen Verletzungen im Brustkorb der Frau verursacht habe. Der Prozess wird deshalb demnächst trotz des ergangenen Urteils und der verbüßten Strafe wieder aufgenommen. Ob die zu erwartende Entschädigung den Taxilenker für die wahrscheinlich zu Unrecht abgesessene Haft und die persönlichen Folgen tatsächlich entschädigen wird, ist fraglich. ar
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