Die Pläne des Bezirks Mitte, Taxis am Hauptbahnhof zu Gunsten von E-Scootern zu verdrängen, sind nach Protesten aus dem Gewerbe vorerst durch Verkehrssenatorin Schreiner gestoppt worden. Doch das Chaos ist weiterhin groß.
Auf dem Europaplatz, dem Vorplatz des Nordportals des Berliner Hauptbahnhofs, stehen so viele Taxis wie nie zuvor, doch die Situation ist noch lange nicht der Endzustand, geschweige denn der Weisheit letzter Schluss. Es ist ein für etwa ein Jahr gedachtes Provisorium, das zudem praktisch völlig anders umgesetzt wird als vom Bezirksamt vorgesehen.
Anstelle einer verbesserten Weiterentwicklung der halbwegs leidigen Situation, wie sie bis Oktober 2023 bestanden hatte – Taxis bedienen vom Nachrückplatz an der Clara-Jaschke-Straße (unter der großen Brücke) beide Halteplätze, also Washingtonplatz und Europaplatz – ist der Europaplatz jetzt zwar voller Taxis und gut anzufahren, doch ist die Abfahrtsituation in hohem Maße unpraktikabel: Da die ursprüngliche, östliche Zufahrt, das Friedrich-List-Ufer, aufgrund schlechter Planung seit etlichen Jahren eine Baustelle und damit unbefahrbar ist, kann der Europaplatz derzeit (wie schon bis zum letzten Herbst) von der Invalidenstraße, von der Ausfahrt des Tunnels Tiergarten–Spreebogen sowie theoretisch vom Nachrückplatz über die Ella-Trebe-Straße aus angefahren werden. Die Abfahrt ist legal nur – völlig unpraktikabel – über die sehr enge Ella-Trebe-Straße möglich, also nach Süden, von wo aus eine Weiterfahrt nach Norden nur sehr umständlich möglich ist. Daher bevorzugen viele die – verbotene, aber äußerst praktikable – Ausfahrt direkt auf die Invalidenstraße, von der aus offiziell nur in den Platz eingefahren werden darf.
Überhaupt ist die von den Taxifahrern und allen anderen motorisierten Verkehrsteilnehmern praktizierte Lösung eine gänzlich andere als die vom Bezirksamt angedachte, unter anderem wegen der unzureichenden Beschilderung und wegen der nicht sonderlich pragmatischen Gestaltung: Offiziell sollen an der Straßenkante direkt am Bahnhofseingang keine Fahrzeuge stehen, sondern es darf nur zum Ausladen gehalten werden. Das wird aber nicht durch Schilder, sondern lediglich durch Zickzacklinien auf der Fahrbahn angezeigt. Als Taxihalteplatz soll eigentlich die nördliche der beiden Fahrbahnen der östlichen Hälfte des Europaplatzes dienen, also die vom Bahnhof abgewandte Seite. Die Fahrbahn ist dreispurig, und als Ladeleisten sind die beiden äußeren Spuren vorgesehen, so dass die mittlere Spur als Fahrspur dienen würde. Als würden die Taxis hier vom Friedrich-List-Ufer kommend einfahren, sollen sie in Richtung Westen stehen und laden, um dann über die Ella-Trebe-Straße abzufahren.
So viel zur Theorie. Da viele Taxifahrer aber, in Berlin vielleicht in besonderem Maße, dazu neigen, die für sie und ihre Fahrgäste praktikabelste und bequemste Lösung zu wählen, sieht die tatsächliche Situation völlig anders aus: Die eigentlich als Halteplatz vorgesehene Nordfahrbahn wird – entgegen der vorgesehenen Richtung – als Nachrückplatz genutzt. Am östlichen Ende wird gewendet (also Verkehr im Uhrzeigersinn statt wie üblich umgekehrt), so dass dann direkt vor dem Bahnhofsausgang die (wilde) Ladeleiste besteht, wo die Taxis mit der Fahrerseite zum Gebäude, also in westliche Richtung blickend, stehen. So können die Fahrgäste – maximal bequem und sicher, ohne eine Fahrbahn queren zu müssen – in die bereitstehenden Taxis steigen.
Im westlichen Bereich des Platzes, wo nur eine Fahrbahn vor dem Bahnhofsgebäude verläuft und eigentlich nur kurz zum Ausladen gehalten werden soll, stehen meist ebenfalls Taxis, die sich bereithalten, und zwar mit Blick in östliche Richtung, so dass die beiden wilden Ladeleisten aufeinander zu verlaufen (entfernt vergleichbar mit den regulären Ladeleisten am Flughafen Berlin-Brandenburg).
Die Einfahrt von der Invalidenstraße aus wurde für alle Fahrzeuge freigegeben, um das Chaos an der Bushaltestelle wegzubekommen – bzw. praktisch gesehen, um es auf den Europaplatz zu verlagern. Da durch diese Einfahrt also Taxis, Mietwagen und Privatfahrzeuge auf den Platz kommen, die dann nur wenig Platz zum Ausladen, Rangieren oder Wenden haben, gibt es hier meist Chaos wie eh und je.
Dennoch ist die Situation für Taxifahrgäste am Hauptbahnhof damit im Moment günstiger als je zuvor, sieht man von der mangelhaften bzw. derzeit fehlenden Wegweisung innerhalb des Bahnhofsgebäudes ab. Sie ist aber ein exemplarisches Symptom für eines der großen Probleme, die zur Gesamtsituation beitragen: „Für die Deutsche Bahn enden die Bedürfnisse der Fahrgäste mit dem Verlassen des Zuges, spätestens aber beim Verlassen des Bahnhofsgebäudes. Was danach passiert, liegt hinter deren Horizont“, beschreibt Taxiunternehmerin Sonja von Rein das Problem etwas sarkastisch. Sie ist Mitglied der „AG Hauptbahnhof“.
Zur jetzigen Zwischenlösung, bzw. dazu, dass überhaupt wieder Taxis auf dem Europaplatz Platz haben, hatten Proteste aus dem Taxigewerbe und das Engagement eben dieser AG Hauptbahnhof beigetragen. Unter anderem hatten die Taxiunternehmer Danielo Baltrusch, Sonja von Rein und Michael Klewer Sitzungen des Verkehrsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) des Bezirks Mitte besucht und den Vertretern die Problemlage geschildert. Die drei beklagen allerdings, der jetzige Zustand sei „nicht auf unserem Mist gewachsen“, da die Bezirkspolitiker und die anderen Beteiligten, darunter Bahnvertreter, zu wenig zugehört und die inoffiziellen Gewerbevertreter als „zu kritisch und kontraproduktiv abgestempelt“ hätten.
Zudem sei es mitunter schwierig, den Bahn- und Bezirksamtsvertretern die Sicht des Taxigewerbes nahezubringen. So hätten die „Offiziellen“ unter anderem vorgeschlagen, den vorgesehenen provisorischen Halteplatz weiterhin über den Nachrückplatz unter der großen Brücke zu bedienen. Auf den Einwand der Taxler, dies sei nicht möglich, da man vom Nachrückplatz aus den Halteplatz nicht sehen kann und somit nicht weiß, wann Nachrückbedarf besteht, hätte ein Bezirksvertreter sinngemäß entgegnet: „Warum? Die Taxifahrer auf dem Nachrückplatz sehen doch, wenn ein besetztes Taxi den Platz über die Ella-Trebe-Straße verlässt, und wissen dadurch, dass ein Taxi nachrücken kann.“ Dem widersprachen die Taxler mit dem Argument, dass wohl die Mehrzahl der Taxis nach dem Laden den Platz zur Invalidenstraße hin verlassen würde, und dass der Halteplatz sicherlich auch von der Invalidenstraße aus statt über den Nachrückplatz aufgefüllt werde. Antwort des Bezirksvertreters: „Nein, das ist doch verboten.“
Auch bei den BVG-Vertretern fehle nach Beobachtung der Taxivertreter die Bereitschaft zur Annahme, dass es zumindest theoretisch möglich ist, dass einzelne Verkehrsteilnehmer, die nicht an die Weisungen einer Firmenleitung gebunden sind, zur Umgehung allzu realitätsferner Regelungen gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen könnten.
So sieht die heutige Situation aus. Morgen, also in einem Jahr, dürften all diese Probleme allerdings schon wieder Schnee von heute, also dann von gestern, sein, denn nächstes Jahr soll mit der Umgestaltung des Europaplatzes zu einem „grünen Schirm“ begonnen werden, bei dem aus Platzmangel kein Taxiverkehr mehr vorgesehen ist, dafür jede Menge Fahrräder, E-Scooter und Leihmopeds und Sitzbänke – eine Planung aus der Zeit der beiden rot-grün-roten Senate. Zudem wird der Bau eines Hochhauses vorbereitet – was dann eine Baustelle verursachen wird, die die (seit einer gefühlten Ewigkeit den Verkehr behindernde) Baustelle der unterirdischen S-Bahn-Linie vom Hauptbahnhof nach Wedding zu einem noch größeren Chaos ergänzen dürfte. Dann wird es, sollte an den realitätsfremden Planungen nichts geändert werden, für das Taxigewerbe und seine Kunden erst richtig schlimm werden, weil dann die Taxis dauerhaft vom Europaplatz verschwinden sollen. Die Verkehrssenatorin hat die Katastrophe mit Ansage jetzt vorerst kurzfristig stoppen können.
Zu welchem Chaos die mittelfristige Planung führen wird, durfte man jetzt für ein Halbes Jahr als Vorgeschmack erleben. Die BVG hatte aufgrund der permanent von Taxis, Mietwagen und Privat-Autos blockierten Bushaltestelle auf der bahnhofszugewandten Seite der Invalidenstraße bereits ernsthaft damit gedroht, den Hauptbahnhof einfach nicht mehr anzufahren, sollte sich nichts ändern. Ob die jetzige Verkehrssenatorin und Juristin Manja Schreiner (CDU), die mit dem Taxigewerbe bestens kooperiert, und der jetzige Stadtentwicklungssenator und Verkehrsexperte Christian Gaebler (SPD), der das Taxigewerbe bestens kennt (er fuhr als Student des Verkehrswesens Taxi) und ebenfalls für seine gute Kooperation mit dem Taxigewerbe bekannt ist, die verkehrsplanerisch katastrophale Fehlplanung für das Umfeld des Hauptbahnhofs noch retten können, wird sich zeigen. Die AG Hauptbahnhof appelliert weiterhin an die Vernunft der Verantwortlichen. ar
Anmerkung der Redaktion: Man kann nur hoffen, dass der amtierende Senat die eklatante Fehlplanung erkennt und noch ändert. Die Vorstellung, am Hauptbahnhof einer Millionenmetropole seien Leihroller wichtiger als Taxis, mutet in etwa so realistisch an wie plaudernde und schlendernde Leute, die sich über die Abwesenheit von Kraftverkehr freuen und das Bahnhofsumfeld zu einem netten Ort machen. Realistisch sind stattdessen Alkoholiker auf den Sitzbänken vor dem Bahnhof und extremes Verkehrschaos in der Invalidenstraße, wo immer mehr Taxis, Mietwagen und Privatwagen die Bushaltestellen blockieren, während die Zweiräder großenteils ungenutzt herumstehen.
Fotos: Axel Rühle (außer bei den beiden Portraits)
Was macht der der Toyota Mietwagen mit TF Kennzeichen am Berliner HBF ? Der kommt 60 km weit von HBF Berlin bestimmt nicht weil er aus seinem Betrieb Auftrag erhalten hat )))