Am Wiener Landesgericht ist ein Mann wegen versuchten Mordes verurteilt worden. Er hatte einen Taxilenker aus nichtigem Anlass mit einem Skalpell und einer Rasierklinge attackiert. Das Urteil ist rechtskräftig.
Zu der gewalttätigen Auseinandersetzung war es am 12. Juli im Südosten der Stadt gekommen, nachdem der Taxifahrer den Fußgänger auf der Simmeringer Hauptstraße kurz vor Mitternacht angehupt hatte, weil dieser „achtlos und auf sein Smartphone starrend“ die Fahrbahn bei roter Fußgängerampel überquert hatte. „Er musste abrupt abbremsen, um eine Kollision zu vermeiden“, so die Staatsanwältin, die die Reaktion des Taxlers „nachvollziehbar und wohl für jedermann verständlich“ nannte. Der 29-jährige Syrer habe zornig reagiert, mit der Faust auf die Motorhaube des Taxis geschlagen und mit dem Ellbogen den rechten Seitenspiegel abgeschlagen, worauf der Taxilenker aus stieg, um den Nötiger zur Rede zu stellen.
Daraufhin geriet dieser „in Panik“, wie sein Verteidiger unter Verweis auf die Fluchterfahrungen seines Mandanten später vor Gericht behauptete. „Er wollte den nicht töten“, versicherte der Anwalt. „Er hat das niemals gewollt. Er wollte seinen Gegner bedrohen und von dort wegkommen.“
Der Angreifer hatte den Taxilenker dann mit einem selbstgebastelten Skalpell und einer Rasierklinge attackiert und ihm eine tiefe, klaffende Schnittwunde am Nacken sowie oberflächliche Kratzer am Hals und im Schulterbereich zugefügt. Weiteren schwunghaften Stichbewegungen des Angreifers konnte das bereits schwerverletzte Opfer ausweichen. Die Staatsanwältin schilderte dem Schwurgericht das Geschehen, das sich knapp vor Mitternacht abgespielt hatte: „Der Betroffene ist nur deshalb glimpflich davongekommen, weil er sich massiv zur Wehr gesetzt hat.“ Dem Taxifahrer gelang es schließlich, den Angreifer, der noch immer das Skalpell in der Hand hielt, zu Boden zu treten. Da Zeugen inzwischen die Polizei alarmiert hatten, wurde er schließlich fixiert und festgenommen.
Vor Gericht versuchte der Verteidiger, seinen Mandanten mit einer Körpergröße von 1,65 Metern, der nur 50 Kilogramm wiege, als Opfer darzustellen, das dem Konfliktgegner körperlich unterlegen gewesen sei: „Er ist das, was man ein Zniachtl nennt. Er ist ängstlich, geknickt. Das Gegenteil eines Gewalttäters.“ Er habe nur zur eigenen Sicherheit Klingen eingesteckt. Den in Deutschland wenig bekannten Ausdruck erläutert die Autorin Rafaela Lobaza von der Deutschen Allgemeinen Zeitung: „Das Wort Zniachtl beschreibt eine kleine, schmächtige Person. Diese Beschreibung ist allerdings nicht wertfrei, sondern hat einen recht bitteren Beigeschmack. Wer Zniachtl sagt, meint das in den meisten Fällen böse.“
„Ich wollte ihm nur klarmachen, dass er weiterfahren soll“, behauptete der Angeklagte gegenüber dem Gericht. Auf die Frage der vorsitzenden Richterin, weshalb es dafür scharfe Klingen brauchte, sagte der Angeklagte anstelle einer Antwort: „Ich habe damals auch lange Nägel gehabt. Ich hätte ihn auch damit verletzen können.“ Das Ganze sei „eine sehr schnelle, dynamische Aktion“ gewesen. Einen Tötungsvorsatz bestritt er. Stattdessen rechtfertigte er seine Gewaltattacke: „30 Jahre bin ich geschlagen und erniedrigt worden. Soll ich noch 30 Jahre erniedrigt und beleidigt werden?“ Die Richterin belehrte ihn daraufhin, dass er noch keine 30 sei: „1994 geboren, rechnen Sie nach!“
Am vorletzten Donnerstag hat das Wiener Landesgericht den Angeklagten wegen versuchten Mordes zu 18 Jahren Haft verurteilt. Wie zahlreiche österreichische Medien berichten, nahm der Verurteilte, der in der Verhandlung den Tötungsvorsatz bestritten hatte, das Urteil „überraschenderweise“ an. Da sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil rechtskräftig. ar
Beitragsbild: Landesgericht Wien; Foto: Wikimedia Commons (Dnalor 01), CC-BY-SA 3.0