Das Personenbeförderungsgesetz PBefG wird novelliert und die SPD soll sich zu den geplanten neuen Inhalten klar positionieren. Ein entsprechender Antrag von drei Berliner Abgeordneten mit überraschenden Lösungsvorschlägen wurde auf dem Landesparteitag angenommen.
Initiatoren des Antrags, der unserer Redaktion vorliegt, waren die Berliner SPD-Mitglieder Tino Schopf, Carsten Reichert und Oliver Schulz. Die drei Politiker hatten in den letzten Monaten intensive Gespräche mit der Taxibranche geführt. Reichert ist zudem Mitglied der Innung des Berliner Taxigewerbes e. V. Im Unterschied zum CSU-geführten Bundesverkehrsministerium müsse es für die SPD andere Standpunkte geben, führen die drei Kenner der Taxibranche aus.
Zum einen müsse sich Mobilität als Teil öffentlicher Daseinsvorsorge an den öffentlichen Verkehrsbedürfnissen orientieren und „sich der Qualitätssicherung für Nutzer*innen und der Wahrung von Arbeitnehmer* innenrechten verpflichten.“ Zum anderen dürfe es zu keiner Aufhebung der Tarifpflicht kommen. Diese sei unerlässliches Instrument sowohl der kommunalen Verkehrsplanung als auch des Verbraucherschutzes. Flexible, nachfrageabhängige Fahrtpreise, die sich zu Stoßzeiten oft um ein Vielfaches erhöhen (sogenanntes Price Surging) und große Bevölkerungsgruppen von Mobilität ausschließen würden, seien dadurch nicht möglich.
Drittens soll die SPD-Position sowohl rechtlich als auch praktisch eine klare Abgrenzung zwischen Taxi- und Mietwagengewerbe befürworten. Für echte Chauffeur- und Mietwagendienste, deren Nutzung im Voraus verbindlich angemeldet wird, ist die gesetzliche Rückkehrpflicht weiterhin sinnvoll, da sie eindeutig einen anderen Markt bedienen als Taxis.
Als durchaus überraschend darf die geforderte vierte Position bezeichnet werden: „Ride-Hailing-Plattformen, die wie Taxis operieren, müssen jedoch auch rechtlich als solche behandelt werden“, heißt es im Antrag. Damit ergebe zwar eine Rückkehrpflicht keinen Sinn, „jedoch müssen für Ride-Hailing-Plattformen dann auch sämtliche gesetzliche Regularien des Taxigewerbes gelten, insbesondere die Tarifpflicht, Genehmigungspflicht,
Kennzeichnungspflicht und die planerische Einbindung in den ÖPNV.“ Diese Abgrenzungen seien in einer Novellierung des PBefG zu berücksichtigen.
Als fünftes Statement will die SPD die Taxi-, Mietwagen und Ride-Hailing-Unternehmen verpflichten, „die erforderlichen Daten mit den zuständigen Aufsichtsbehörden zu teilen. Dazu gehört der verbindliche, ausnahmslose Einsatz von Fiskaltaxametern, automatisierten Auftragseingangsbüchern und Wegstreckenzählern. Nur so können konsequente Kontrollen und eine effektive datenbasierte Abstimmung mit dem ÖPNV und anderen Verkehren gewährleistet werden.
Für den größten Diskussionsstoff dürfte das sechste Statement sorgen. Bei der Vermittlung der Mietwagen solle eine Karenzzeit von mindestens 15 Minuten von der Auftragsannahme bis zur Vermittlung bzw. Abfahrt zum Kunden zwingend vorgeschrieben sein. Damit sei eine deutliche Abgrenzung zu taxiähnlichen Verkehren zu gewährleisten.
Der Antrag mit all diesen Punkten war auf dem Berliner Landesparteitag Ende März angenommen worden und soll nun auf dem Bundesparteitag im Herbst ebenfalls zur Abstimmung vorgelegt werden. Bis dahin wird die SPD-Bundestagsfraktion aufgefordert, die Standpunkte „im Verlauf des Prozesses zur Reform des Personenbeförderungsgesetzes zu vertreten.“
Eingeleitet hatte man den Antrag mit einer Richtigstellung vieler Irrtümer über die aktuellen Anbieter digitaler Ride-Sharing-Dienste. Diese Ride-Hailing-Anbieter versprechen zwar Innovation durch Digitalisierung, doch eine Digitalisierung im Geschäftsmodell jener Unternehmen sei nur ein untergeordneter Faktor. „Der wahre Wettbewerbsvorteil von diesen Plattformen ist schlicht und ergreifend: der Preis“, heißt es im Antrag.
Weiter führen Schopf und die anderen aus: „In Deutschland operieren diese Plattformen mit Hilfe von Mietwagenfirmen. Dadurch lassen sich bestehende Regulierungen umgehen. Auch an den gesetzlichen Mindestlohn sind sie dadurch nicht gebunden. Sie können deshalb ihren Kund*innen einen günstigeren Preis anbieten als Taxis. Diese werden durch die ungleichen Wettbewerbsbedingungen in die Schattenwirtschaft getrieben, ein bereits ohnehin großes Problem in der Taxiwirtschaft. Es entsteht ein gegenseitiger Unterbietungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten. […] In einem Markt, in dem die Kostensenkungspotentiale eigentlich komplett ausgeschöpft sind, werden so kleinere, sauber arbeitende Unternehmen durch internationale Großunternehmen mit üppigem Investorenkapital verdrängt.“
Weil darüber hinaus auch der Verkehr und die Umwelt durch Ride-Hailing-Plattformen nicht entlastet werden und auch der ländliche Raum von solchen Geschäftsmodellen kaum profitiert, sei es dringend notwendig, „dass die SPD sich zu diesem Thema klar positioniert“.
Im Koalitionsvertrag mit der CDU/CSU haben sich die Parteien auf Bundesebene zu einer Modernisierung des Personenbeförderungsrechts verpflichtet. Die Rede sei von regulatorischen Entlastungen des Taxi- und Mietwagenbetriebs, aber auch von Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen und sozialen Rahmenbedingungen zum Schutz der Beschäftigten.
Der Antrag bezeichnet die technischen Potentiale von digital koordinierten Ride-Hailing-Lösungen als groß: „Sie könnten den ÖPNV punktuell ergänzen. Einerseits als flexible Antwort auf Versorgungslücken im ländlichen Raum oder in städtischen Randgebieten, dort wo der ÖPNV nicht – oder nur unzureichend – ausgebaut ist. […] Dies kann – unter den richtigen Rahmenbedingungen – insgesamt zu einer stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe und Vernetzung führen.
Für das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium würden diese Rahmenbedingungen jedoch „privat statt Staat“ heißen, monieren Schopf und seine beiden Mitstreiter und zählen die Folgen auf, die man am Beispiel der USA gut verfolgen könnte: „ein neues Feld prekärer Beschäftigung, steigender Individualverkehr, stärkere Umweltbelastung, Kannibalisierung des Taxigewerbes und des ÖPNV, geschwächte öffentliche Daseinsvorsorge, eingeschränkte politische Steuerungsfähigkeit.“ Eine solche Deregulierung und Liberalisierung des Taximarktes sei daher abzulehnen. jh
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Danke an alle Beteiligten,
Auch über die Aufsichtsbehörden in Berlin muss es zu ne Entscheidung kommen.
Nochmals vielen Dank
Bezüglich Aufsichtsbehörden,
Diese müssen die Möglichkeit bekommen unangemeldete Kontrollen durch zu führen
Sehr geehrte Damen Und Herren,
Die Bemühungen ,die Ideen und das Endergebnis “ Ablehnung der Deregulierung “ der drei Herren Abgeordneten finde ich sehr Interessant und es zeigt ,wie die Herren sich Zeit genommen haben und das gesetzt und das Taxi-Gewerbe genau beobachtet haben..
Ich möchte aber noch folgendes dazu erklären,,
A: Fiskaltaxameter. Auch wenn in allen Deutsche Taxen ein Fiskaltaxameter eingebaut werden wurde, wird sich das Problem nicht lösen. Weil Ziel der der Anbieter von App-Vermittlung an Privat Mietwagen nicht ist, um die finanzielle Vorteile des Staates zu unterstützen, sonst wäre er selbst nicht so viel Steuern schuldig gewesen.
B: Versorgungslücken im Ländlichen Raum und Randgebieten….
Durch die Lobbyisten angebrachten Eckpunkten Programm von Herr Scheuer kann auch die Versorgungslücke nicht abdecken. Weil der ländliche Bedarf im Verhältnis so gering ist , dass es sich überhaupt nicht löhnt, in jedem Dorf ein oder mehrere Wagens dafür Vorbereiten, bis irgendwann mal ein Auftrag kommt. Daher werden solche Wagens sich wiederum automatisch in der Richtung der Auftrags-Quellen bewegen und die ländliche Raum verlassen.
C: Die Novellierung des Personenbeförderung-Gesetzes so wie Herr Scheuer in seiner Eckpunkten Programm die Lobbyisten unterstützt, kann man einfach durch den mehr als 55000 gut organisierten Taxen in Zentrale ,Vereinigungen und weitere Taxi-Organisationen bestens abdecken.
Auf Jeden Fall halte ich den Antrag von den drei Herren, als eine der ersten gut formuliertes Argument mit dazu gekommenes Endergebnis:
“ Eine solche Deregulierung und Liberalisierung des Taximarktes sei daher abzulehnen “
Ich danke die Herren von meiner Seite als ein Taxiunternehmer