Festpreise gibt es bisher in sieben Taxitarifen, einen Tarifkorridor für Taxifahrten in vier Gebieten und Mietwagen-Mindesttarife in zwei. In Essen drängt die Funkgesellschaft nun auch auf Neuerungen – wegen des Uber-Problems.
Die Probleme sind in Essen die gleichen wie in jeder weiteren Stadt, in denen der US-Fahrdienstanbieter Uber eingefallen ist (oder seine Konkurrenten Bolt und Free Now): Mietwagenunternehmer wissen vom schnellen, großen Geschäft, das mit Dumpingpreisen für illegalen taxiähnlichen Verkehr möglich ist, und schlagen zu. Die Ausbeutung der Fahrer, die Schädigung der Sozialsysteme und die Zerstörung des Taxigewerbes sind ihnen offenkundig gleichgültig.
Die Genossenschaft Taxi Essen möchte die Stadtverwaltung nun umgehend dazu bewegen, die Möglichkeit eines Tarifkorridors in den Taxitarif zu bringen, wie es seit September letzten Jahres in München und den drei benachbarten Flughafen-Landkreisen der Fall ist. In der Stadt mit über einer halben Million Einwohner im Zentrum des Ruhrgebiets ist Uber seit gut zweieinhalb Jahren aktiv und gräbt dem Taxigewerbe die Existenz ab.
Die Behörden sehen – wie überall – auch in Essen weitgehend untätig zu. Zu personalintensiv und zu schwer zu kontrollieren sei das Ganze. Dabei bestehen seit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) vor zweieinhalb Jahren für die Legislative drei Möglichkeiten, das Problem von anderer Seite aus anzugehen: 1. Festpreise für Taxifahrten, um einen wichtigen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Mietwagenanbietern auszugleichen; 2. Tarifkorridore für Taxifahrten, um mit etwas Flexibilität auf die Marktsituation reagieren zu können; 3. Mindesttarife für Mietwagenfahrten – hierin sehen Gewerbevertreter die wichtigste Waffe gegen das rechtswidrige Geschäft mit den Dumpingpreisen für Mietwagenfahrten.
Dirk Heinrichsen, Vorstandsvorsitzender der größten Essener Taxifunkzentrale, hat die Argumente, die das Taxigewerbe seit Jahren hervorbringt, für die Öffentlichkeit gut nachvollziehbar formuliert: „Die Kunden wollen gerne schon vor Antritt der Fahrt wissen, was sie am Ende zahlen müssen. Die Möglichkeit aber, einen Festpreis zu vereinbaren, haben wir nicht“, erklärt er gegenüber der Presse. Grundlage für einen Tarifkorridor seien die Preise für die jeweils kürzeste mögliche Fahrtroute. Könne eine Zentrale dann um bis zu 20 Prozent nach oben oder unten mit dem Preis abweichen, ließen sich die Vor- und Nachteile verkehrsstarker und ‑schwacher Zeiten ausgleichen. Ein Argument ist neu und betont besonders den Gerechtigkeitsgedanken einer solchen Regelung: Mit Festpreisen werden ortskundige Fahrer belohnt, die über günstige Strecken Bescheid wissen, statt nur blind nach Navi zu fahren, wie die Macher der PBefG-Novelle es sich bei der Abschaffung der Ortskundeprüfung offenbar naiv vorgestellt haben.
Nach den überwiegend positiven Erfahrungen aus München und Umgebung will Taxi Essen im März Gespräche mit der Stadtverwaltung führen, um einen Tarifkorridor und optimalerweise auch Mindesttarife für Mietwagen zu erreichen. Das alleine werde aber nicht ausreichen, „um auf Augenhöhe zu den Wettbewerbern zu kommen“, zitiert die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) Dirk Heinrichsen. Das große Problem seien die Dumpingangebote, mit denen Uber-Mietwagen die Kundschaft locken.
Taxi-Times-Abonnent Norbert Czwienk hat der WAZ ein konkretes Beispiel aus eigener Erfahrung genannt: Als potentielle Fahrgäste ihn nach dem ungefähren Fahrpreis von ihrem Restaurant zu einer bestimmten Diskothek fragten und er 38 bis 40 Euro schätzte, bestellte die Gruppe die Fahrt lieber bei Uber – angeblich für 15 Euro. Czwienk rechnet locker vor, dass das nicht mit rechten Dingen zugehen kann: 19 Prozent Mehrwertsteuer, die hohe Vermittlungsprovision an Uber – wie da der magere Umsatz noch die Zahlung des Mindestlohns an den Fahrer zulasse, sei die Frage.
Die Initiative der Taxigenossenschaft sei auch durch die immer stärkere Ausbreitung des taxiähnlichen Verkehrs durch die Mietwagen motiviert. Es seien immer häufiger auch auswärtige Mietwagen im Essener Stadtgebiet zu sehen, etwa aus Düsseldorf, Neuss oder Mettmann. Man habe nichts gegen Konkurrenz, doch müsse sie zu gleichen Spielregeln stattfinden, so Heinrichsen. Deshalb wolle man bei den bevorstehenden Treffen mit der Stadtverwaltung nicht nur den Tarifkorridor anregen, den man schon früher ins Spiel gebracht hat, sondern die Gesprächspartner zudem von der Notwendigkeit eines Mindesttarifs für Mietwagen überzeugen.
Damit wäre Essen fast noch Vorreiter, denn Mindesttarife für Mietwagen haben bislang nur die Stadt Leipzig und der baden-württembergische Landkreis Lörrach eingeführt – mit unterschiedlichen Parametern und unterschiedlichen Folgen. Während die Preise für Mietwagenfahrten im äußersten Südwesten Deutschlands zum Teil leicht unterhalb des Taxitarifs liegen, hat man in Leipzig Nägel mit Köpfen gemacht und den Mietwagengrundpreis deutlich oberhalb der Taxi-Grundgebühr angesetzt und an die Fahrpreise im Linienverkehr gekoppelt. Die Folge: Die Regelung wurde zwar juristisch von den Mietwagenfirmen torpediert, doch letztendlich haben die Anbieter sich aus der Stadt zurückgezogen, so dass Leipzig heute kein Uber-Problem mehr hat.
Damit das Problem sich nicht nur an andere Orte verlagert – Mietwagen mit Leipziger Kennzeichen sind immer häufiger etwa in Berlin zu sehen –, müssen möglichst viele andere Städte zeitnah nachziehen, wenn die PBefG-Novelle ernstgenommen wird und der massenhafte illegale taxiähnliche Verkehr durch Mietwagen flächendeckend unterbunden werden soll. Auch in Heidelberg ist man mit der Initiative für Mietwagen-Mindesttarife weit fortgeschritten. Hier wird die Einführung noch vor dem Sommer erwartet. ar
Beitragsfoto: Axel Rühle
Hätte mal ne Frage an einem Experten: Dürfen überhaupt Mietwagen mit Leipziger Kennzeichen in Berlin Fahrgäste befördern? Ich hab mal einen Mietwagenfahrer mit Leipziger Kennzeichen gefragt und der hat behauptet sein Betriebssitz wäre in Berlin. Oder es wurde behauptet, sie hätten eine Sondergenehmigung.Aber ich denke mal, wenn sein Betriebssitz in Berlin wäre, müsste er nicht ein Berliner Kennzeichen beantragen Könnte mir mal das jemand mal beantworten