Die Statistiken zu Krankenfahrten zeigen die Bedeutung des Taxis für kranke Menschen – und warum es Zeit wird, ein paar grundlegende Veränderungen vorzunehmen.
Ein Gastbeitrag von Gisela Spitzlei
Aus den Statistiken der Bundesgesundheitsministeriums über die Gesamtausgaben für Beförderungsleistungen lässt sich ablesen, wie unverzichtbar Taxis und Mietwagen für die Versorgung kranker Menschen sind – und warum einige grundlegende Veränderungen überfällig sind. Die Zahlen aus der Zeitspanne 2010 bis 2019 geben zu denken: Im Jahr 2010 beliefen sich die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Beförderungsleistungen mit Rettungswagen, Taxi & Co. auf ca. 3,5 Milliarden Euro. Bis 2019 ist diese Zahl bereits um über 85 Prozent auf ca. 6,5 Milliarden Euro gestiegen. Insgesamt fanden 2019 in Deutschland auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen bei allen Rettungs-/Transportmitteln einschließlich Taxi und Mietwagen usw. ca. 51 Millionen Beförderungsleistungen statt.
Die Anzahl und der Betrag setzen sich zusammen aus:
– ca. 0,25 Mrd. € für Flugrettung – Anzahl nicht angegeben,
– ca. 0,70 Mrd. € für Krankentransportwagen (KTW) – ca. 5,6 Mio Transporte (entspricht 11 Prozent der Gesamtfahrten),
– ca. 1,1 Mrd. € für Notarztwagen (NAW) – ca. 2,0 Mio Fahrten,
– ca. 3,0 Mrd. € für Rettungs(transport)wagen (RTW) – ca. 5,1 Mio Fahrten (entspricht 10 Prozent der Gesamtfahrten),
– ca. 1,3 Mrd. € für Taxi und MW, auch mit Rolli/Tragestuhl und liegend – ca. 37,8 Mio Fahrten (entspricht 74 Prozent der Gesamtfahrten),
– ein Restbetrag für sonstige Transporte.
Zur Entwicklung der Zahl der Fahrten: 2010 lag die Zahl der Transporte ohne Taxi und Mietwagen bei ca. 10,5 Millionen. Bis 2018 stieg die Zahl auf 14,5 Millionen und ging dann wieder leicht nach unten: 2019 waren es 13,5 Millionen Transporte, für die 5,05 Milliarden Euro aufgewendet werden mussten.Die Statistiken des Bundesgesundheitsministeriums sprechen für sich. Die Leistung, die unserer Gewerbe hier erbringt, sichert die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu einem erheblichen Teil. Was nützt die beste Arztpraxis, das leistungsfähigste Krankenhaus etc., wenn der Patient aus medizinischen Gründen – oder weil ihm für eine dringende Behandlung weder ein eigenes Fahrzeug noch eine ÖPNV-Verbindung zur Verfügung steht – keine Möglichkeit hat, dorthin und danach wieder zurück zu gelangen?
Ärztlich verordnete Fahrten zu notwendigen medizinischen Behandlungen im Taxi oder Mietwagen hängen von der Genehmigung durch die Krankenkasse ab. Nicht der Arzt entscheidet, ob es notwendig ist, dass der Patient mit dem entsprechenden Transportmittel befördert wird, sondern letztendlich der Sachbearbeiter der Krankenkasse.
Die Folge ist einerseits, dass Ärzte im Notdienst wertvolle Behandlungszeit im Fahrzeug auf dem Weg zu Hausbesuchen verschwenden, und andererseits, dass unnötige Transporte mit teuren Rettungsmitteln (KTW, RTW) durchgeführt werden, die in Taxis und Mietwagen wesentlich preisgünstiger wären. Taxis und Mietwagen können, da sie seit Jahrzehnten überall erreichbar sind, die „Zulieferung und Abholung“ zu den Praxen, Krankenhäusern und auch Notfallpraxen, in denen die für die Beurteilung und Behandlung der Erkrankung notwendigen technischen Geräte und sonstigen Hilfsmittel vorhanden sind, schnell und flexibel erbringen. Würde das häufiger geschehen, so würden die Ausgaben in diesem Bereich steigen, doch die Entlastungen auf der anderen Seite würden den Krankenkassen unter dem Strich erhebliche Einsparungen bringen.
Dafür wären aber Änderungen des Paragraphen 60 im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und der Richtlinien nötig. Die Genehmigungspflicht müsste wegfallen oder nur noch für diejenigen Fahrten gelten, die den Bereich der nächsten geeigneten Behandlungsmöglichkeit überschreiten. Damit könnten Fahrten zur Versorgung im ärztlichen Notdienst schneller und vor allem günstiger erfolgen als etwa im Rettungswagen, der leider immer wieder hierfür angefordert wird. Zudem könnten stationäre Aufenthalte verkürzt werden, wenn medizinisch notwendige Nachsorgebehandlungen bei mangelndem öffentlichen Verkehrsangebot in der Arztpraxis vor Ort oder in der Ambulanz des nächstgelegenen Krankenhauses, in der die entsprechenden Geräte und Hilfsmittel zur Verfügung stehen, stattfinden könnten.
Zusätzlich muss über faire, einheitliche Vertrags-Regelungen (Rahmenvertrag) und wirtschaftliche, leistungsgerechte Vergütung und Entbürokratisierung gesprochen werden. Marktschreierische Ausschreibungen der Dienstleistung an den billigsten Anbieter müssen aufhören. Stattdessen braucht es landesweite Vergütungsvereinbarungen, die einen leistungsgerechten Lohn der Mitarbeiter und ein auskömmliches Einkommen der Unternehmer gewährleisten – und nicht nur die reine Fahrleistung abdecken, sondern die Gesamtdienstleistung. Solche Vereinbarungen sollten mit den Landesverbänden des Taxi- und Mietwagengewerbes für die Mitglieder abgeschlossen werden, um damit entsprechende Fristen korrekt einhalten zu können und darüber hinaus die Datenpflege auf beiden Seiten, also für die Krankenkasse und für den Unternehmer, zu vereinfachen.
Auch eine Neuregelung der Zuzahlungsbedingungen ist dringend von Nöten. Die Annahme, es sei doch relativ einfach, beim im Fahrzeug sitzenden Patienten die gesetzlich geforderte Zuzahlung zu kassieren, ist ein Trugschluss. Hier kommt es leider in vielen Fällen zu Einnahmeverlusten der Taxi- und Mietwagenunternehmer. Mögliche Gründe: Der Patient glaubt, befreit zu sein und weigert sich zu zahlen, der Patient ist gesundheitlich nicht belastbar und führt auch kein Geld mit sich, der Befreiungsausweis wird nicht mitgeführt, die Rechnung wird nicht gezahlt und/oder der Patient ist im schlimmsten Fall zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung inzwischen verstorben, weshalb der Betreuer nicht mehr zahlen oder einen Antrag auf Befreiung stellen kann.
Hier wäre die Krankenkasse, der die persönlichen Daten ihres Versicherten vorliegen, gefordert, selbst einzuziehen. Die Möglichkeit, die inzwischen einige Krankenkassen bieten, dass der Fahrer im Fahrzeug über eine App den Status der Befreiung erfragen kann, ist im Alltag unrealistisch. Wann soll diese Abfrage erfolgen? Bei der Abfahrt? Bei der Ankunft? Was ist, wenn sich die Wohnung des Patienten, die Praxis, das Krankenhaus usw. an einer verkehrsreichen Straße befindet, wo man schlecht halten kann? Wer vergütet die zu bezahlende Arbeitszeit des Fahrers, während er in der App Daten eingibt, falls er überhaupt über die nötige Internetverbindung verfügt? Wie beurteilt man verkehrstechnisch die Benutzung des Handys, wenn bei dieser Aktion der Motor nicht ausgeschaltet ist? Es stellen sich also auch hier Fragen, auf die Antworten gefunden werden müssen.
Ein weiterer Punkt ist das Formular der Verordnung. Ein erheblicher Teil der Verordnungen wird von den Krankenkassen zurückgewiesen, da sie für eine Zahlung unzureichend seien. Beispiele für Mängel sind: handschriftliche Änderung, fehlendes Behandlungs- oder Ausstellungsdatum, fehlender Behandlungszeitraum, fehlender oder unklarer Behandlungsort, fehlender oder unklarer (seit neustem auch widersprüchlicher) Behandlungsgrund, keine stationäre Behandlung, obwohl angekreuzt, Zeitüberschreitung bei vor-/nachstationär, nicht mehr korrekte Anschrift des Patienten oder auch fehlende Angabe des anderen Abholortes, fehlende Versicherungsnummer oder Arztnummer, falsche und auch fehlende Krankenkasse usw. Jeder dieser Fehler begründet eine Ablehnung der Zahlung, selbst das Ausfüllen mit zwei verschiedenen Kugelschreiberfarben!
Der Unternehmer, der keinerlei Einfluss auf die Ausstellung der Verordnung hat, wird dadurch gezwungen, entweder mit hohem Aufwand die Fehler durch die ausstellende Arztpraxis bzw. das Krankenhaus beheben zu lassen – oder den Patienten mit einer Rechnung zu belasten. Zusätzlich ist er damit konfrontiert, dass beim Aussteller der Verordnung eine Reaktion oft gar nicht oder erst nach mehrfachen Anfragen erfolgt, begleitet von Unverständnis und Unmut des Ausstellers. Oder der Patient reagiert mit Unverständnis, dass er eine Rechnung erhält, obwohl er eine Verordnung hatte, so dass doch die Krankenkasse bezahlen muss. Oft genug muss dann der Unternehmer den Betroffenen die Regelungen des SGB V und der Richtlinien erklären.
Hier muss dringend gemeinsam eine Lösung gefunden werden, die diesen unnötigen Bürokratismus erledigt – der in den meisten Fällen auch der geforderten Genehmigung einer durch einen Arzt als notwendig verordneten Fahrt durch die Krankenkasse geschuldet ist.
Bei Krankenfahrten im Taxi oder Mietwagen geht es nicht darum, Menschen zu befördern, die während des Transports der medizinisch-fachlichen Betreuung bedürfen, aber wir können dazu beitragen, diese „Nebenleistung“ – kranke Menschen der notwendigen medizinischen Behandlung zuzuführen – wirtschaftlich besser zu gestalten.
Wenn das Taxi- und Mietwagengewerbe schon 74 Prozent der Gesamtfahrleistungen für und mit kranken Menschen durchführt, sollte man mit den Vertretern dieses Gewerbes reden, um Lösungen zu finden, die praxistauglich sind und uns nicht vor vollendete Tatsachen stellen, nur weil wir kranke Menschen „lediglich“ befördern und nicht retten. gs
Hinweis der Redaktion: Lesen Sie dazu auch die Kolumne von Gisela Spitzlei „Die unbezahlte Zusatzleistung bei Krankenfahrten“, erschienen in der aktuellen Print-Ausgabe Taxi Times. Jetzt abonnieren!
Beitragsfoto: Axel Rühle
Frau G. Spizlei hat leider in jedem Punkt völlig recht.
Als Taxiunternehmer würde ich auch Regelungen begrüßen die sowohl die Fahrer als auch die
Patienten ohne einen ganzen Katalog durchzuwalzen verstehen können.
Bundesweit, umfassend, simpel und verständlich für jedermann.
Es kann nicht sein, daß die KK Abrechnungscenter zwischenschalten, die Bonuspunkte
für jede Ablehnung erhalten. Die Versicherten zahlen doch für die Leistungen.
Es kann auch nicht sein, das die KK als Zahlende die Entscheidungen der Ärzte „vorgibt“.
Wie sieht es denn aus mit dem Datenschutz bei einer App um einen Befreiungsstatus zu erfragen?
Gut das es eine Frau G. Spitzlei gibt.