In Berlin wird wieder einmal ein Rufbussystem eingestellt. Der „Berlkönig“-Nachfolger Muva fährt wegen mangelnder Nachfrage nur noch bis Ende Februar als regulärer Rufbus im Osten des Stadtgebiets.
Wer in Berlin Taxi fährt, kann des Öfteren, besonders nachts, Kleinbusse im auffälligen schwarz-gelben „Muva“-Design herumstehen sehen – nebst sich langweilendem Fahrer. Das Personal der staatlich finanzierten Taxikonkurrenz hat zu wenig zu tun. Die Tage des Projekts „Muva Flexible Fahrt“ als Rufbus-Dienst sind deshalb gezählt. Die ViaVan-Kleinbusse verstärken stattdessen ab dem 1. März 2025 die Flotte des Aufzugsersatzverkehrs, jener Fahrzeuge also, die mobilitätseingeschränkte Personen bei Störungen von Aufzügen an U- und S-Bahnhöfen abholen, um sie barrierefrei zum nächsten geeigneten Zugang zu befördern.
Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, hatte im Frühsommer letzten Jahres eine Anfrage an den CDU/SPD-Senat nach Zahlen für das gut zwei Jahre alte Mobilitätsangebot im Osten Berlins gestellt. Laut Antwort der damaligen Staatssekretärin Claudia Elif Stutz (CDU) lag die Nutzerzahl bei Muva zwischen 100 und 300 pro Tag.
Jetzt berichtet die „Berliner Zeitung“, dass diese Spanne laut neuester Zahlen damals sogar sehr optimistisch gewählt worden war. Im vergangenen Jahr seien die Kleinbusse laut Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) für insgesamt 49.300 Fahrten genutzt worden. Das entspricht 135 Fahrgästen pro Tag. 2024 wurden bisher 56.800 Menschen befördert, im Schnitt rund 160 Nutzer pro Tag. Das zeige zwar einen Anstieg, doch für ein 62 Quadratkilometer umfassendes, großstädtisches Bediengebiet ist das eine schlechte Auslastung.
Das Rufbus-System Muva wurde im September 2022 in der Amtszeit der Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Bündnis 90/Grüne) ins Leben gerufen. Der Vertrag über knapp zehn Millionen Euro zwischen BVG und dem deutsch-amerikanisch-israelischen Unternehmen ViaVan läuft bis Ende 2025. Muva bedient Teile von Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Friedrichshain-Kreuzberg. Die Fahrer halten nur an Bushaltestellen und fast 4000 virtuellen Haltepunkten. Fahrgäste benötigen eine normale ÖPNV-Fahrkarte. Für eine Fahrt bis zum nächsten Bahnhof wird ein Euro Zuschlag fällig, bei Direktfahrten (also wie beim Taxi) wird ein ebenso schnäppchenhafter Preis von einem Euro pro Kilometer zusätzlich berechnet. Das gilt für bis zu fünf Personen, die auf derselben Verbindung unterwegs sind.
Muva war als Verbindung aus Sammeltaxi und Rufbus konzipiert: Fahrtwünsche mit ähnlichen Routen sollten gebündelt werden, doch die praktische Erfahrung zeigt, dass die Nachfrage fast immer zu gering zum Pooling ist. Der Anteil der gepoolten Fahrten lag im Oktober 2024 bei nur 8,2 Prozent. Die höchste Pooling-Quote war im Dezember 2023 mit 15,2 Prozent registriert worden.
Wie die „Berliner“ weiter berichtet, war das unter Verkehrssenatorin Regine Günther eingeführte Vorgänger-System „Berlkönig“, das von September 2018 bis Juli 2022 aktiv war und vom Taxigewerbe scharf kritisiert worden war, besser ausgelastet, obwohl ein Großteil der Projektdauer in die Zeit der Corona-Krise fiel und das Angebot zuletzt reduziert wurde. Im Schnitt hatte der „Berlkönig“ über 1500 Nutzer pro Tag. Sein Bediengebiet war allerdings ein anderes: Er fuhr innerhalb des östlichen S-Bahn-Rings.
Auch von IT-Problemen als Mitgrund des Scheiterns ist die Rede. „Das Konzept der Senatsverwaltung und der BVG sah vor, erstmals in Deutschland ein vollständig in den ÖPNV integriertes Rufbussystem anbieten zu können. In der Umsetzung bedeutet das technische und nutzungsfreundliche Herausforderungen, die zuvor nicht absehbar waren“, zitiert die Berliner Zeitung eine Mitteilung. Erst nach dem Start habe die Muva-App sukzessive eine integrierte Buchung anbieten können. Das Angebot in die neue BVG-App zu integrieren, hätte hohen Zusatzaufwand bei der Programmierung bedeutet.
Trotz des Scheiterns wurde mit Muva das bislang größte in den öffentlichen Verkehr integrierte Ridepooling-Angebot in Deutschland umgesetzt, und dies nach offiziellen Angaben auf einem preislich sehr attraktiven Niveau. Die Nutzer würden es überwiegend positiv bewerten.
Der zweite Einsatzbereich der Muva-Kleinbusse ist der Aufzugersatz, der bislang nur für einen Teil des Berliner S- und U-Bahn-Netzes angeboten wird. Ab dem 1. März 2025 soll es im gesamten Stadtgebiet verfügbar sein, wie Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) am 18.12. im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses ankündigte. Bei nichtfunktionierenden Aufzügen und sogar Fahrtreppen können mobilitätseingeschränkte Fahrgäste einen barrierefreien Muva-Kleinbus zur Fahrt mit Rollstuhl oder Rollator bestellen. Konkrete Parameter des künftigen Angebots werden noch zwischen Senatsverwaltung, BVG, ViaVan und der Landesbeauftragten für Behinderte abgestimmt.
Das Taxigewerbe und auch Taxi Times kritisierten und kritisieren regelmäßig, dass für Rufbus-, Anruf(sammel)taxi- und ähnliche Systeme neue Fahrzeugflotten in Verkehr gebracht werden, während die bereits vorhandenen Taxis herumstehen. Behindertenvertreter begrüßen aber Angebote wie Muva, da auch in Berlin noch immer viel zu wenige Taxis für die Rollstuhlbeförderung geeignet sind, als dass man auch nur annähernd von Inklusion sprechen könnte.
In der Abgeordnetenhausdebatte zum SPD/CDU-Antrag betreffs Taxigewerbe am 19.12. wollte Linkspolitiker Ronneburg zum Abschluss seiner Rede zum Thema bessere Einbindung des Taxis in den ÖPNV ausholen, doch seine Redezeit war abgelaufen und ließ nur noch einen Schlusssatz zu. Den nutzte er für einen Appell an die SPD-Fraktion, gemeinsam zu entscheiden, die Kooperation mit Muva, die Ende Februar ausläuft, ab dem 1. März „nahtlos mit dem Taxigewerbe fortzuführen“.
Auch künftig wird Muva laut Senat und BVG als „spezifisches Angebot für die Zielgruppe wahrgenommen und sei ein Pilotprojekt, das dazu dienen soll, Erfahrungen mit einem weniger regulierten Zugang zu einem solchen Ersatzangebot zu sammeln. Ob das Taxigewerbe das Geschäftsfeld Beförderung von gebrechlichen und mobilitätseingeschränkten Personen für sich erschließen kann, hängt somit nach wie vor von seiner Bereitschaft ab, geeignete Fahrzeuge anzuschaffen und in Betrieb zu bringen. ar
Beitragsfoto: „Muva“ – staatlich geförderte Taxi-Konkurrenz à la Jarasch
Fotos: Axel Rühle