146 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag, den CDU/CSU und SPD in dieser Woche vorgestellt haben. Die beiden Taxiverbände BVTM und TMV haben sich bereits durchgekämpft und äußern ihre Perspektiven zu den Auswirkungen des Abkommens aus Sicht der Taxibranche. Deutliche Kritik kommt zum angedachten Mindestlohn von 15 Euro.
Der Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode der aktuellen Bundesregierung trägt den Titel „Verantwortung für Deutschland“. Die schnelle Einigung der beiden Fraktionen auf diesen Vertrag wird vom Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) begrüßt. Gleichzeitig betont man aber auch die hohe Erwartung an die Koalition: „Die neue Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, ob sie die Wirtschaft wieder auf Kurs bringt und die Haushalte spürbar entlastet. Nur wenn das schnell gelingt, hat das Taxi- und Mietwagengewerbe in der Fläche in Deutschland dauerhaft eine wirtschaftliche Grundlage“, so Michael Oppermann, Geschäftsführer des Verbands.
Das Wort „Taxi“ kommt im aktuellen Koalitionsvertrag nicht vor. Oppermann sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Es ist uns mit unseren Argumenten gelungen, dass die Koalition den Deregulierungs- und Disruptionsfantasien der großen Plattformen nicht gefolgt ist. Mir fehlt aber zugleich eine positive Anerkennung der wichtigen Rolle, die das mobile Gewerbe für die Daseinsvorsorge in der Stadt und auf dem Land spielt. Wir organisieren Mobilität von Mensch zu Mensch und sind ein wichtiger Schlüssel für die Mobilität von Alten und Kranken, für einen modernen und bedarfsgerechten ÖPNV und für lebenswerte Städte und Dörfer“.
Die Auswirkungen eines Koalitionsvertrags auf die Taxibranche hängen stark vom konkreten Inhalt des Vertrags ab – insbesondere von den geplanten Regelungen im Bereich Verkehr, Arbeit, Umwelt und Digitalisierung. Auf diese Punkte hat sich der TMV bei seiner Bewertung konzentriert. In einer graphisch ansprechend gestalteten Übersicht führt er die Regierungsziele auf und gibt anhand eines Ikons zu erkennen, ob man sich als TMV damit in seinen Forderungen bestätigt sieht.
Einen Haken setzt der Dachverband verschiedener Landesverbände beispielsweise hinter die Absicht der Bundesregierung, künftig wieder ein Verkehrs-Ministerium zu haben, das sich auf Verkehrsthemen fokussiert (der Bereich Digitales wurde wieder ausgegliedert). Das gebe der Taxibranche die Möglichkeit, die Fragen der Mobilität wieder mehr ins Zentrum zu rücken. Ebenfalls positiv wird vom TMV bewertet, dass der Bereich Klimaschutz nun nicht mehr im Wirtschafts-, sondern im Umweltministerium angesiedelt wird.
Der Taxi- und Mietwagenverband begrüßt zudem, dass ein Modernisierungspakt im Koalitionsvertrag steht. Dieser wird mit den Formulierungen verbunden, dass „Spielräume für neue Verkehre“ geschaffen werden sollen und es das Ziel ist, „Mobilitätsangebote besser zu vernetzen“. In den geplanten „Zukunftspakt Bund-Länder Kommune“, mit dem gerade auch regionale Infrastrukturmaßnahmen gefördert werden sollen, will der TMV das Projekt ÖPNV- und Inklusionstaxi offensiv einbringen.
Im Hinblick auf die künftigen Fahrzeugantriebe sieht sich der TMV in seiner Forderung nach Technologie-Offenheit bestätigt und befürwortet auch die Förderlinien für Elektromobilität. Auch der BVTM würdigt die geplanten Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität. „Wir begrüßen die Verlängerung der Kfz-Steuer-Befreiung für E-Autos bis 2035 und die Anhebung des Bruttolistenpreisdeckels, so dass auch größere Fahrzeuge gefördert werden. Auch die geplanten Entlastungen bei der Stromsteuer sind positiv zu erwähnen. Was fehlt, ist eine gezielte Förderrichtlinie E-Taxi, die maßgeschneidert die Transformation in der Branche begleiten sollte. Dafür werden wir weiter werben.“
Mit einem Seitenhieb auf die letzte Legislaturperiode weist der TMV darauf hin, dass künftige E-Förderungen auch verlässlich umgesetzt werden und nicht kurzfristig wieder außer Kraft gesetzt werden dürfen.
Der letzte Zustimmungshaken des TMV wird zum klaren Bekenntnis des Koalitionsvertrages zum Autostandort Deutschland gesetzt.
Nur bedingte Zustimmung bekommt der Koalitionsvertrag zu den Plänen für den Bürokratieabbau. Es seien viele Maßnahmen aufgelistet, die Grundrichtung stimme, kommentiert der Verband. „Leider bleibt der KoAVertrag in weiten Teilen Prosa, ohne konkret zu werden. Das bietet aber auch die Chance, unsere Themen über die vier Jahre anzubringen, da der KoAVertrag auch nichts ausschließt.“
Die vom Taxigewerbe vorgebrachten Vorschläge für Nachbesserungen im Personenbeförderungsrecht finden sich im Koalitionsvertrag nicht wieder. Oppermann ordnet dies wie folgt ein: „Die Städte und Landkreise dürfen von der neuen Bundesregierung leider keine Hilfe erwarten: Sie werden mit den bestehenden, an manchen Stellen unzulänglichen Regeln den Taxi- und Mietwagenmarkt ordnen müssen. Erfreulicherweise sehen wir hier klare Fortschritte, insbesondere bei der Einführung von Mindestbeförderungsentgelten in Großstädten.“ Ganz aus der Verantwortung entlassen will der Verband die Bundespolitik aber nicht. Oppermann: „Spätestens im Zuge der Evaluation bis Mitte 2026 wird sich die Bundesregierung mit der Anwendbarkeit des PBefG erneut befassen müssen.“ Der TMV betont, dass die Evaluierung bereits im Gange sei. Dabei bestehe durchaus die Chance, die Erkenntnisse in eine Modernisierung einfließen zu lassen.
Deutliche Kritik kommt von beiden Verbänden zur Formulierung, dass ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 „erreichbar“ ist. „Wir werden als TMV weiterhin mit aller Entschiedenheit gegen einen politischen Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 kämpfen“, betonen Kroker und Meinhardt, Präsident und Geschäftsführer des TMV.
Michael Oppermann vom BVTM bezeichnet die 15-Euro-Grenze beim Mindestlohn als „ambitioniert“. „Wenn die Bundesregierung unsere Kosten um rund 15 Prozent nach oben treibt, dann wird sie umgekehrt auch dafür sorgen müssen, dass unsere Kunden 15 Prozent mehr Geld im Portemonnaie haben. Die Messlatte liegt also ziemlich hoch. Aber die Bundesregierung hat sie ja selbst dort hingelegt. Die Bundesregierung muss also liefern. Wir werden schnell den konstruktiven Dialog suchen und die neue Regierung mit Praxiswissen und Marktkenntnis unterstützen.“ jh / hs
Beitragsfoto: Screenshot aus der Graphik des TMV zum Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung.
Wer ist denn bitte gegen die 15€ Mindestlohn?Die hinter dem Steuer sitzen oder am Schreibtisch?
Eine zentrale Frage bleibt, wie die gültigen Bestimmungen des PbefG auch gegen die Pseudotaxis, getarnt als Mietwagen, effektiv und langfristig durchgesetzt werden. Wenn der dem Taxigewerbe gestohlene Umsatz dahin zurückkehrt, wo er schon vorher hingehört hat, nämlich in die Kassen der Taxiunternehmen, dann wird es schon bedeutend einfacher, auch einen zum Leben ausreichenden Mindestlohn zu bezahlen. Alles andere ist einfach nur unwürdig.
Da von 30% Umsatzverlust auszugehen ist und zu bestimmten Zeiten deutlich noch mehr, die Zahl der Taxis deutlich zurückgegangen ist bei gleichzeitig steigenden Zahlen von ‚Pseudotaxis‘, fehlt derzeit ein Anreiz, diesen sehr spannenden, abwechslungsreichen Beruf auszuüben.
Ein attraktiver Lohn ist da schon wichtig, um vorhandene Fahrer*innen zu binden und neue zu gewinnen.
Die Perspektiven für das Taxigewerbe sind mit dem KoAVertrag nicht schlecht.