In dem Mordprozess gegen den Todesfahrer Ricardas D. sagten Rettungskräfte und Mediziner als Zeugen in Hamburg aus. Der 22-jährige John B. war sofort tot. Das Leben von Taxifahrer Mehmet Yilmaz (56) und seinem zweiten Fahrgast Philipp B. hing an einem seidenen Faden.
Mehmet Yilmaz, in dessen Mercedes Vito der Angeklagte mit einem gestohlenen Taxi im Tempo von 145 Stundenkilometer am frühen Morgen des 4. Mai 2017 fuhr, schilderte der Taxi Times im Oktober seine schockierenden Erlebnisse.
Es sei ein gewöhnlicher Funkauftrag gewesen. „Gegen 4:15, laut Polizeibericht.“ In der angesagten Cocktailbar „Ciu“ mit Blick auf die Binnenalster, machten John, 22, und Philipp, 24, gerade Feierabend. „Sie stiegen ein, und wir sind nur wenige Meter gefahren. Die Ampel am Glockengießerwall war grün. An mehr kann ich mich nicht erinnern.“
„Dann kam ich wieder zu mir, als sich die linke Seite des Autos öffnete. Wie viel Zeit inzwischen vergangen war, weiß ich nicht mehr. Erstmal spürte ich nur Schmerzen. Meinen rechten Arm konnte ich nicht bewegen. Das Lenkrad war so komisch weit vorne und meine Füße zwischen den Pedalen eingeklemmt. Ich wusste gar nicht wie ich da hingekommen war. Ich spürte, dass ich links mehr Platz bekam, dort befreite mich jemand, und ich konnte den Asphalt sehen und Leute. Die Feuerwehr, nehme ich an, ich weiß nicht, wie lange das gedauert hat. Auch rechts waren Leute. Von dort hörte ich das Wort ‚Exodus‘ und hinter mir rief eine andere Stimme „ich habe hier noch Puls“. Dann schob mir jemand eine Kanüle mit einem Schlauch daran in den linken Arm und ich kam erst im Krankenhaus wieder zu mir.“ Die Ärzte versetzten ihn in ein zwei Tage dauerndes, künstliches Koma.
Ein als Zeuge geladener Feuerwehrmann schilderte es als „kaum vorstellbar“, das jemand einen solchen Unfall überleben könne. Sie hätten in jedem Fall viel Glück gehabt, zitiert ihn das Hamburger Abendblatt. Die aussagende Rechtsmedizinerin bestätigte vor Gericht, dass die Rettungskräfte über eine Stunde für die komplizierte Bergung des Schwerverletzten benötigten, der in dem Wrack zwischen Lenkrad und Fahrersitz eingeklemmt war. Die Sauerstoffsättigung seines Blutes sei wegen des gequetschten Brustkorbes mit weniger als 70 Prozent bedrohlich niedrig und weder Puls noch Blutdruck messbar gewesen. Die Orbitalfraktur des Schädels und der Beckenbruch hätten seinen Zustand lebensbedrohlich gemacht, noch vor den Brüchen der Extremitäten, der Wirbelsäule und der Knieverletzung.
Die Sachverständige könne nicht garantieren, dass Mehmet Yilmaz eines Tages wieder volllständig schmerzfrei sein wird, aber konnte auch ein bißchen Hoffnung machen: durch eiserne Arbeit könne jemand auch mit solchen Verletzungen große Fortschritte machen. Über seinen Genesungsprozess und die Belastung für die Familie berichtete die Taxi Times in ihrer November-Ausgabe. Jetzt freut er sich auf seinen ersten Arbeitstag. Am Montag darf er zum ersten mal seit Mai wieder Taxi fahren – zunächst für zwei Stunden täglich.
Leider schlechte Genesungsaussichten scheint der Überlebende Philipp B. zu haben. Neben einer schweren Kopfverletzung hatte er Verletzungen an inneren Organen und mehrere Frakturen. Sein Zustand muss weiterhin fortlaufend kontrolliert werden. Durch die Hirnverletzung wird der junge Mann noch längere Zeit Beeinträchtigungen beim Hören, Sehen und der Konzentrationsfähigkeit haben. Sein Freund, John B., starb wegen einer offenen Schädelfraktur sofort. Die Sachverständige konnte mit Sicherheit ausschließen, dass er vor seinem Tod noch etwas mitbekommen habe und nimmt an, dass er nicht angeschnallt war. Seine Mutter belastete der brutale Tod ihres einzigen Kindes so stark, dass sie arbeitsunfähig wurde und selber behandelt werden muss. Unter Belastungssymptomen leiden auch Philipp B. und Mehmet Yilmaz. prh
Foto: Mehmet Yilmaz
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