Stefan Schostok, Oberbürgermeister von Hannover, sprach als Gast der Jahreshauptversammlung des GVN ein Grußwort. Als er das Projekt Moia verteidigte, bekam er Buhrufe aus dem Publikum.
Der Gesamtverband des Verkehrsgewerbes Niedersachsen (GVN) vertritt neben den (Möbel-)Spediteuren, Logistikern, Güter- und Busunternehmen auch die Taxibranche. Der Verband hat 2.770 Mitglieder und wird von der Politik als Gesprächspartner sehr geachtet und geschätzt. Dies zeigte sich auch bei der Jahreshauptversammlung des Verbandes vergangenen Freitag in Hannover, zu dem sowohl der stellvertretende niedersächsische Ministerpräsident und Verkehrsminister Dr. Bernd Althusmann als auch der aktuelle Oberbürgermeister Stefan Schostok zu Gast waren. Beide hielten je etwa 20 minütige Ansprachen, bei denen beide auch auf die Taxibranche eingingen.
Althusmann bestätigte, dass man mit dem GVN und der dortigen Fachvereinigung Taxi und Mietwagen in guten Gesprächen hinsichtlich eines einheitlichen Niedersächsischen Taxitarifs sei. Er soll einen ausschließlich online buchbaren Festtarif beinhalten, über dessen Höhe derzeit noch beratschlagt wird.
„Online“, so Althusmann, „das klinge ein wenig nach Digitalisierung. Wer heute die Chancen der Digitalisierung für sein Unternehmen nicht nutzt, wird möglicherweise in den nächsten Jahren von anderen Unternehmen überholt werden.“ Man solle Digitalisierung als Chance begreifen, weniger als Risiko. Niedersachsen investiere eine Milliarde Euro in die digitale Infrastruktur, unter anderem auch in den Ausbau des Mobilfunks auf 5G-Standard. „Ohne 5G auch in den ländlichen Gebieten lässt sich autonomes Fahren nicht umsetzen,“ sagte Althusmann und versprach, dabei auch die Menschen mitzunehmen, die Angst um ihre Arbeitsplätze haben. Es werde ein langwieriger Prozess sein, ehe Fahrer nicht mehr gebraucht werden. Aber: „Wir werden ihn starten müssen. weil wir sonst im Wettbewerb nach hinten abzurutschen drohen.“
An Taxiunternehmen appelliert der niedersächsische Verkehrsminister, ihre Leistung durch Integration von online-Mobilitätsketten zu verbessern. „Es soll über verschiedene Verkehrsträger möglich gemacht werden, online gleich ein Taxi mit zu bestellen und zu bezahlen. Gespräche werden noch zu führen sein, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit diesem Mobilitätskettenkonzept auch auf die Zustimmung von Ihnen stoßen und gemeinsam überlegen, wie wir das umsetzen können.“
Wo Althusmann noch ein wenig im Ungefähren blieb, dafür aber das Taxi in die Überlegungen einbezog, wurde Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok konkreter, zog sich damit allerdings den Unmut aus dem Publikum zu. Im Austausch mit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung habe man gemeinsam und sehr bewusst den Betrieb des Shuttleservices Moia möglich gemacht, sagte Schostok. An dieser Stelle kam es zu vereinzelten Buhrufen aus der Ecke der betroffenen Taxiunternehmer, für die Schostok kein Verständnis aufbringen wollte. „Ich weiß, dass Moia für viele von Ihnen ein Reizwort ist, keine Frage.“ Aber ein System, das vorhandene Verkehre ergänze und auch Lücken zwischen diesen schließe, müsse erprobt werden können.
„Das müssen wir ermöglichen, aber wir können die Bedingungen gestalten. Würden wir es bedingungslos machen, würde ich so einen Buhruf auch verstehen“, sagte Schostok. „Das Angebot soll keine Konkurrenz zum ÖPNV sein, nicht zu den Bussen, zur Straßenbahn, auch nicht zu den Taxis. Das haben wir ausdrücklich auch bei der Genehmigung gesagt. Ich versichere Ihnen, erst wenn wir sehen, dass der Fahrdienst diese Bedingungen auch erfüllt und den öffentlichen Verkehrsinteressen eben nicht entgegensteht, darf eine solche Fahrzeugflotte nach zwei Jahren erweitert werden. Das ist eine wichtige Bedingung, die ich Ihnen an dieser Stelle zusagen möchte.“
Benjamin Sokolovic, Geschäftsführer des GVN, betonte in seinen Ausführungen, warum man gemeinsam mit der Taxizentrale „Hallo Taxi 3811“ auf juristischem Wege versucht habe, „den ökonomischen Irrsinn Moia“ mit Rechtsmitteln zu stoppen: Das VW-Tochterunternehmen Moia darf seine Fahrzeugflotte sowohl als Sammelverkehre als auch als Mietwagen von Tür zu Tür einsetzen. „Kein normaler Taxi oder Mietwagenunternehmer kann so elegant von der einen in die andere Beförderungsart wechseln“, beklagt Sokolovic die fehlende Wettbewerbsgleichheit.
Moia hätte sein Sammelverkehr-Projekt mit einer Story aus moderner Mobilität, Umweltschutz und Nachhaltigkeit getarnt, die Realität sähe aber ganz anders aus: „Eingesetzt werden VW T6 Benziner mit einem Verbrauch von ca. 14 Litern. Die Fahrzeuge fahren meist leer oder manchmal mit einer Person. Aber sie fahren permanent“, beschreibt der GVN-Geschäftsführer. „Ist es wirklich Umweltschutz oder moderne Mobilität, wenn leere Autos permanent durch unsere Stadt fahren? Wir meinen, Umweltschutz und moderne Mobilität sehen anders aus.“
Das man sich trotz solcher Tatsachen juristisch nicht durchsetzen konnte, veranlasste Sokolovic zu der Feststellung, „dass die Uhren in Niedersachsen an dieser Stelle schon sehr speziell ticken.“ jh
Foto: GVN e.V.
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Der Taxifahrerverein Hannover TVH e.V. unterstützt und teilt ausdrücklich die Auffassung des GVN zu Moia. Zusätzlich möchten wir auf die teilweise desaströsen Bedingungen für das Fahrpersonal bei Moia aufmerksam machen. Die Verbote und Gebote sowie die in unmöglichen Schichten erzielten Einkommen sind mindestens Menschenverachtend! Dieser Aspekt fehlt in den meisten Berichten über Moia und Co. Noch sitzen Menschen hinter den Lenkrädern! Peter Größer Vorsitzender