Offenbar wird eine Aufhebung der Kategorien ‚Taxi‘ und ‚Mietwagen‘ im PBefG diskutiert, „mytaxi“ plädiert zudem für eine Flexibilisierung der Tarife und der wissenschaftliche Beirat des Verkehrsministeriums schlägt eine neue Kategorie im PBefG vor: „Taxizentralen und webbasierte Taxi-Vermittler“ sollen „die Preise festlegen, die die Kunden bezahlen müssen“. Die Berliner Kollegin Yvonne Schleicher blickt auf die letzten Jahre zurück und weit über den Tellerrand hinaus.
Der Bericht von Hermann Waldner (u.a. Vizepräsident des BZP, CEO der fms Systems GmbH (taxi.eu) und Vorstand der Taxi-Ruf WürfelFunk „0800-CABCALL“ AG) bei der Mitgliederversammlung der Innung des Berliner Taxigewerbes e.V. im November 2018 über die Arbeit des BZP bezüglich der Herausforderung des Taxigewerbes durch die sogenannten „neuen Mobilitätsanbieter“ und sein Vortrag „We Digitalize The Taxi Industry“ über „taxi.eu“ beim „internationalen IRU –Taxiforum“, lenkte den Blick am Rande auf eine in Österreich derzeit angeblich intensive Diskussion: Zitat Waldner: „Es wird überlegt, die Kategorien ‚Taxi‘ und ‚Mietwagen‘ abzuschaffen, wobei eine einzige neue Kategorie herauskommen könne, die dann eventuell „Taxi“ heißen könnte.“
Betrachtet man in diesem Zusammenhang zwei Dokumente aus dem Jahr 2017 nochmals, zeigt sich für Deutschland folgendes Bild: Die Stellungnahme der Intelligent Apps GmbH (mytaxi) beim BMVI Workshop “Digitale Mobilitätsplattformen (April 2017)” malt sehr ausführlich eine Zukunft aus, in welcher der moderne, entspannte „Mobilitäts-App-Nutzer“ mit einem „Fingertipp“ in „Echtzeit“ alle möglichen Fortbewegungsarten am aktuellen Standort, deren Kosten und Dauer sofort überblicken und spontan die individuell zugeschnittene Wahl treffen kann. Es liest sich, als würde der beispielsweise gewählte Bus sich räumlich und zeitlich augenblicklich nach Bedienung des Smartphones materialisieren.
Es wird eine alle Kunden umfassende Erwartungshaltung suggeriert, der Bedürfnisse jenseits der Smartphone-Nutzung völlig fremd sind. Um dieses Trugbild der schönen neuen Welt abzurunden, formuliert „mytaxi“ in einem Halbsatz: „Wo bis vor 10 Jahren noch telefoniert und disponiert werden musste,…“ – das klingt nach Schweiß und verrottenden Telefonkabeln und erweckt den Eindruck, dass das Mittelalter der Taxivermittlung gerade noch rechtzeitig verlassen wurde.
Tatsächlich leisten die „alteingesessenen“ Taxizentralen nach wie vor mit moderner Technik die Hauptvermittlungsarbeit und bemühen sich erfolgreich, mit verhältnismäßig wenig Budget, ohne übertriebene Profitorientierung und neben ihren laufenden Aufgaben, um ein gut funktionierendes System, das auch die Bestellung mittels einer App ermöglicht.
„mytaxi“ befürwortet Tarifflexibilisierung,
wissenschaftlicher Beirat präzisiert Vorschläge zu deren Umsetzung
„mytaxi“ stellt heraus, die soziale Funktion der aktuellen Ausgestaltung des Taxigewerbes respektieren zu wollen, verneint „im ersten Schritt“ Befürworter des surge-pricing (Preisabhängigkeit von Angebot und Nachfrage) zu sein, wünscht sich insgesamt mehr Flexibilität, fordert eine Tarifflexibilisierung „mit Leitplanken nach unten und oben“ und denkt – sollte es dadurch zu Benachteiligungen für „Menschen mit Behinderung, Ältere, Kranke“ kommen – an einen „bezuschussten Sozialtarif“.
Der wissenschaftliche Beirat im Verkehrsministerium geht in seinem Taximarktgutachten (Februar 2017) gleich noch einen Schritt weiter: „Taxizentralen und webbasierte Taxivermittler werden nach der Preisfreigabe eine neue Rolle übernehmen: Sie werden die Preise festlegen, die die Kunden bezahlen müssen. Deshalb sollten sie als neue Kategorie ins PBefG aufgenommen werden.“
Hier wird nebenbei die Festlegung der Beförderungsentgelte aus der öffentlichen in die privatwirtschaftliche Hand verschoben und Taxizentralen und „webbasierte Taxivermittler“ werden in einen Topf geworfen. Diese sollen zudem alle erhobenen Daten den Behörden zur „Marktmissbrauchskontrolle“ bereitstellen.
„Begründet“ wird dieses gewollte Vorgehen mit der Zukunftsvision: “Nach einer solchen Reform der Regulierung ist damit zu rechnen, dass die Kunden von einem breiteren Angebot und geringeren Wartezeiten profitieren werden. Die bessere Vermittlung und die Vermeidung von Leerfahrten reduzieren die Umweltbelastung und die Kosten der Taxifahrten.“
Einheitsgewerbe aus Taxi- und Mietwagengewerbe
Nimmt man zu der Flexibilisierung der Tarife und der Festschreibung der „webbasierten Vermittler“ als gesetzlich autorisierte Preisgestalter noch die im folgenden zitierte Idee von „mytaxi“ hinzu, und ruft sich in Erinnerung, dass sich nach Vorstellung eines „Arbeitskreises ÖPV“ der zulässige Höchsttarif am aktuellen Taxitarif orientieren soll, steht dem Untergang des Taxigewerbes eigentlich nichts mehr im Wege:
„Am Ende stünde ein Einheitsgewerbe aus Taxi und großen Teilen des heutigen Mietwagengewerbes. Dieses würde alle die folgenden Merkmale auszeichnen:
- das Taxischild (weltweit bekannte Marke)
- deregulierter Tarif mit Leitplanken nach oben und unten
- freie Konzessionen, kontrolliert von engagierten Stadtverwaltungen
- vereinfachter Marktzugang für Fahrer mit erweitertem Schwerpunkt auf Servicequalität (siehe “Erleichterung der Ortskundeprüfung”)
- einheitlicher Umsatzsteuersatz
Wer in diesem Modell weiterhin Mietwagenverkehre nach heutigem Modell anbieten möchte, unterliegt den bisherigen Regularien. Dieser Service ist nur auf Vorbestellung verfügbar.“ (Zitat aus der Stellungnahme von mytaxi)
Spätestens, wenn man noch die vom wissenschaftlichen Beirat visionierte Abhängigkeit der Tarife für eine bestimmte Fahrt vom Einstieg an bestimmten kostenpflichtig genutzten Taxihalteplätzen mitdenkt, sollte klar sein, worauf all diese Bestrebungen zielen: Markt und Macht.
Wer profitiert?
Das Taxigewerbe, das schon jetzt nicht in der Lage ist, Löhne jenseits der Mindestlohngrenze zu zahlen? Mietwagenunternehmen, die 25% Provision zahlen, um überhaupt an Aufträge zu kommen?
„mytaxi“ behauptet „durch die Digitalisierung werde das Mobilitätsangebot breiter und weniger komplex“: Breiter und komplexer werden einzig die Versuche mittels des „trojanischen Pferdes Digitalisierung“, einen nicht unerheblichen Teil des Umsatzes des Taximarktes an sich zu reißen.
Es wird wohl immer Bestrebungen geben, mit einem behaupteten Mehrwert in ein Gewerbe einzudringen, um daraus Profit zu schlagen. Wir sollten uns nicht mit ein paar Schlagworten wie „Modernität“ und „Digitalisierung“ den Kopf vernebeln lassen und auch noch den rechtlichen Rahmen dafür schaffen.
Hoffen wir, dass taxi.eu bei seinen ausgeschriebenen Zielen „Schutz der Kunden durch Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in der Personenbeförderung“ und „Sicherung der Existenz von über 140 unabhängigen Taxizentren und Sicherung der Arbeitsplätze in diesen Unternehmen“ das alte PBefG mitdenkt, auch wenn die Betreibergesellschaft ihren Sitz am Ort der angeblich intensiven Debatte zum Thema Deregulierung hat – in Österreich. Und hoffen wir, dass unsere Behörden und Gerichte, solange das PBefG noch in seiner derzeitigen Form gültig ist, mindestens so klar Position beziehen wie die Österreicher.
Yvonne Schleicher
Toll analysiert und geschrieben.Applaus !!
Danke für diesen Beitrag
Viel Arbeit gemacht, Danke !
Wo ich bei all den aktuellen Diskussionen strikt drauf achte: die Unterscheidung zwischen Vermittlung und Ausführung der Fahrt. Während es bei der Vermittlung höchst unterschiedliche Varianten des Fahrtzustandekommens gibt (digital wie auch analog), kennt die Ausführung nur eine: ANALOG !
Hier wäre die (alte) Diskussion Taxi / Mietwagen unterzubringen und die Frage zu klären, ob die Begrenzung von Taxikonzessionen noch Sinn macht, oder ob alles zu einem verschmelzen soll, was ich nicht befürworte.
Inwieweit die Vermittlung auch ins PBefG aufgenommen werden soll: Ich meine NEIN ! Hier soll der Kunde entscheiden, welche Vermittlung er nutzt: den anonymen Halteplatz-Einstieg oder die Fahrt-trackende App-Bestellung.
Was Wir dem Kunden anzubieten haben: ALLES ! von Einstieg bis zu unkomplizierter App. Eine telefonische Auftragsannahme sollte auch im Programm sein, womöglich mit Aufpreis ? ansonsten weg mit ihr ! nicht sofort, aber Zug um Zug. Komfort kostet.
Da dies alles auch finanziert werden muss, ist eines wichtig: eine maximale Auslastung ! nur so kann es preiswert sein, unser ‚System Taxi‘, begrenzt durch den durchschnittlichen Bedarf.
Sammelfahrten, wie sie die ‚modernen‘ Anbieter anpreisen … können oft gar nicht zustande kommen. Sie dienen nur als Eintrittskarte in den (lukrativen) Personenbeförderungsmarkt und bringen dei Unterscheidung Taxi/Mietwagen durcheinender – gewollt ?
Taxis unterschiedlicher Qualitätsstufen ? Ist denkbar. Dann aber auch mit unterschiedlichen oder offenen Tarifen ! nach oben hin, nicht nach unten, da Keiner preiswerter sein kann als Wir, weil unser System am effektivsten ist – oder etwa nicht ? (ich hab schon leichte Zweifel … an der aktuellen Umsetzung)
Danke für diese Analyse. Mir fehlt hier allerdings der Verweis auf die sehr gute App von Taxi Deutschland. Die ist für die Taxi-Zentralen und für die Fahrerinnen und Fahrer – und wird ohne Profitstreben zur Verfügung gestellt.
Damit ist das Zugpferd „Digitalisierung“ derer entkräftet, die sich Marktanzeile in der Personenbeförderung erkaufen möchten.
Das Taxigewerbe hat selbst eine digitale Lösung per App geschaffen, die die immer noch vorherrschende Bestellung per Telefon ideal ergänzt.
Natürlich funktioniert die App nur, für den Fahrer, wenn du an einer Funkzentrale angeschlossen bist und Vermittlungsgebühr bezahlst!
HINWEIS auf den letzen Satz, …“mindestens so klar Position beziehen wie die Österreicher.“
Was ist nun dort passiert: Einheitsgewerbe