Das Berliner Projekt zur Förderung der Umrüstung von geeigneten Taxis zu Inklusionstaxis findet kaum Anklang. Die Berliner Zeitung zeichnet zuerst anhand eines „Einzelfalles“ das Bild einer latenten Verweigerungshaltung seitens der Taxibranche, lässt dann aber doch das Taxigewerbe und den Berliner Behindertenverband zu Wort kommen.
In einem Beitrag von dieser Woche zitiert die Berliner Zeitung einen 35-jährigen Rollstuhlfahrer: Er fühlte sich von Taxiunternehmern abgebügelt und würde es inzwischen ganz vermeiden, Taxi zu fahren. Die Chance mit seinem Rollstuhl ein Taxi zu bekommen, läge bei 50:50. Er selbst sei in der Lage, sich aus dem Rollstuhl heraus in das Taxi umzusetzen, allerdings sei sein Rollstuhl nicht klappbar. Für Menschen mit Elektrorollstühlen sähe er gar keine Chance.
Sicher ist: Um im gleichen Zeitfenster zur Verfügung stehen zu können, wie Taxis ohne besondere Merkmale, gibt es nicht genügend rollstuhlgerechte Taxis in Berlin. Folglich wird für solche Fahrzeuge auch die Quote der nicht vermittelbaren Aufträge deutlich höher liegen. Zahlen werden hier nicht genannt.
Die mit dem Senat vereinbarte Strategie zur Lösung dieses Problems greift bislang nicht, obwohl es für beide Seiten eine Win-Win-Situation darstellen könnte. Der Plan war, mindestens für 250 Taxis jeweils die maximal 15.000 Euro als Förderung bereitzustellen, die fällig werden könnten, um ein geeignetes Fahrzeug zum Inklusionstaxi umrüsten zu lassen. Seit Beginn des Projektes im November 2018 liegen jedoch nur Förderungsanträge für fünf Taxis vor. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) zeige sich ratlos, schreibt die Berliner Zeitung.
Wo liegen die Gründe für die mangelnde Resonanz?
Auf der Suche nach der Antwort kommt Herr Peter vom Berliner Behindertenverband zu Wort. Er sieht die Gründe in der Landespolitik, die das Thema Inklusionstaxis im Ressort Soziales angesiedelt hätte. Dort fehle es an „Wissen um Wirtschaftsförderung“, die Ansiedlung im Verkehrs- oder Wirtschaftsministerium hielte er für sinnvoller. Auch die Subventionierung mit maximal 15.000 Euro pro Fahrzeug böte zu wenig Anreiz. Er hätte sich mindestens für die ersten 100 Taxis eine wesentlich höhere Förderung gewünscht.
Leszek Nadolski (Innung des Berliner Taxigewerbes e.V.) und Richard Leipold (BTV) sehen die Zögerlichkeit der Taxiunternehmer in der aktuellen politischen Lage begründet, also auch nicht unabhängig von der (Landes-)politik. Angesichts dessen, dass die Erwirtschaftung von Umsätzen zur Deckung des Mindestlohns mehr und mehr unrealistisch werde, dass der Berliner Senat sich nicht um die Einhaltung der bestehenden Gesetze kümmere, so dass die illegale „Konkurrenz“ durch Uber etc. freie Hand hätte und auch im Hinblick auf die vom Verkehrsministerium angestrebte Gesetzesänderung, die allen Taxiunternehmen den Boden unter den Füßen wegziehen werde, sei es nicht verwunderlich, dass die meisten Unternehmen ihre Investitionen in Neuwagen schon im Jahr 2017 eingestellt hätten, moniert Leipold in der Berliner Zeitung. Auch solle man wissen, dass die 15.000 Euro – Förderung ausschließlich für die Umrüstkosten eines bereits vorhandenen, nicht länger als seit einem Jahr zugelassenen Fahrzeugs gedacht seien. Die Anschaffungskosten für ein in Frage kommendes Modell lägen mit ca. 50.000 € nahezu einhundert Prozent über den Kosten für ein „normales“ Taxi.
Aktuell fand ein Gespräch zwischen LaGeSo, Taxigewerbe und der Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales statt, die Berliner Zeitung stellt die Gesprächsbereitschaft der Verwaltung heraus und hält eine Bereitschaft zur Erhöhung der Fördersumme für fraglich. ys
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wird beendet mit einer Anekdote, die das Thema ins falsche Licht setzt: Es wird telefonisch (!) ein Kombitaxi für einen nicht faltbaren Rollstuhl bestellt. Die Antwort der Zentrale sei gewesen: „Rollstühle transportieren wir generell nicht.“ Ein treffenderer Schlusssatz hätte gelautet: Sollte die Landespolitik weiterhin alle Augen in Bezug auf Uber & Co zudrücken und Herr Scheuer seine Eckpunkte realisieren können, dann ist eins sicher: Die Chancen auf ein rollstuhlgerechtes Taxis werden von 50:50 wohl auf 1:99 fallen.
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Es freut mich, dass es einen Plan gibt Taxis umzurüsten. Mein Bruder braucht leider einen Rollstuhl und braucht deswegen auch oft einen Taxi. Ich kann mir vorstellen, dass mehr Menschen von diesem Plan profitieren werden. Damit werden beide Parteien gewinnen.