Die Bundestagsabgeordnete Daniela Kluckert, FDP, macht keinen Hehl daraus, dass sie eine Befürworterin von Uber und anderer neuer Mobilitätsanbieter ist. Argumentativ verstrickt sie sich dabei aber in grobe Widersprüche. Dies wurde bei einem Auftritt in Wuppertal – mal wieder – deutlich.
„Raus aus dem Stau in Wuppertal“ – unter diesem Motto stand eine Abendveranstaltung in den Räumen des Wuppertal-Instituts am 30. Oktober 2019, an der neben einem Verkehrsprofessor, dem Chef der Wuppertaler Verkehrsbetriebe und einem ADAC-Experten auch die Bundestagsabgeordnete Daniela Kluckert (FDP) teilnahm. Veranstaltet wurde die Diskussionsrunde von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Unter den rund 30 Zuhörern waren auch sechs Taxiunternehmer. Fünf von ihnen kamen aus Düsseldorf. Sie haben sich vorgenommen, regelmäßig all jene Veranstaltungen in Düsseldorf und Umkreis zu besuchen, an denen über die Verkehrswende diskutiert wird, um dort in den anschließenden Fragerunden das Taxigewerbe einzubeziehen.
Die Tatsache, dass an jenem Abend Frau Kluckert anwesend war, war für die Düsseldorfer Taxiunternehmer Anlass genug für einen Abendtrip nach Wuppertal.
Sie brauchten dort gute Nerven, denn gerade die Statements von Frau Kluckert, die ja immerhin als stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag agiert, verstrickte sich (mal wieder) dermaßen in Widersprüche, dass es gerade für die anwesenden Taxiunternehmen wie eine Provokation vorkommen musste.
So äußerte Frau Kluckert beispielsweise gleich zu Beginn ihres ersten Statements, dass zur Freiheit ja auch gehöre, dass man die Möglichkeit hat, an der Gesellschaft teilzuhaben, und dass es nicht vom Geldbeutel abhängig ist, wie mobil man ist. Wer so denkt, kann unmöglich ein Befürworter von Uber & Co. sein, denn es ist erwiesen, dass die aktuellen Mobilitätsanbieter nach dem sogenannten Surge Pricing agieren, dass also der Algorithmus so eingestellt ist, dass bei hoher Nachfrage auch die Preise in die Höhe steigen. Mobil ist dann tatsächlich nur noch derjenige, dessen Geldbeutel dick genug ist.
Frau Kluckert hält es auch für wichtig, den ÖPNV auszubauen, den ländlichen Bereich zu stärken und auch entsprechende Angebote für eine barrierefreie Beförderung vorzuhalten, betont aber im Laufe der Diskussion auch gerne, wie schade es sei, dass man den deutschen Unternehmern keine Chance gebe, den Heimatmarkt zu besetzen, weil beispielsweise Pooling-Fahrten nicht erlaubt wären. „Als Deutsche müssen wir mehr Innovationen auf die Straße bringen. Wenn wir das nicht erlauben, hat das Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“, sagte die FDP-Abgeordnete in Wuppertal.
Auch jene Aussagen lassen sich unmöglich mit den Zielen ihrer FDP unter einen Hut bringen. Erstens, weil Studien mittlerweile klar bewiesen haben, dass Ride-Pooling-Dienste wie Moia, CleverShuttle und Co die meisten Fahrgäste den Verkehrsbetrieben entziehen. Eine Stärkung des ÖPNV sieht anders aus.
Zweitens, weil Uber & Co nachweislich keine Angebote für Rollstuhlbeförderungen in ihren Apps integriert haben.
Drittens ist in Europa (mit Ausnahme einiger Tourismuslandstriche in Portugal) kein Beispiel bekannt, an denen die privaten Mobilitätsanbieter bisher im ländlichen Bereich tätig geworden wären. Diese würden sich am Markt die Rosinen herauspicken, sagte der ADAC-Experte während der Wuppertaler Veranstaltung. Frau Kluckert leugnete dies – nicht verbal, aber durch ein deutliches Kopfschütteln.
Die FDP hat nicht nur marktideologisch, sondern auch personell enge Verstrickungen mit Uber, das ist gemeinhin bekannt. Daniela Kluckert ist eine Hardcore-Verfechterin des freien, unregulierten Personenbeförderungsmarktes. Die letzten Wasserstandsmeldungen, wonach eine Abschaffung der Rückkehrpflicht zunächst vom Tisch ist, kommentierte sie am 20. September in den sozialen Medien mit den Worten: „Das Verkehrsministerium steht – wieder einmal – auf der Innovationsbremse. Die Rückkehrpflicht muss wie geplant fallen, damit sich deutsche und europäische Mobilitätsanbieter entwickeln können. Im Gegenzug benötigt das Taxigewerbe mehr unternehmerische Freiheiten. So jedenfalls bekommen wir keine zukunftsweisende Mobilität auf die Straßen.“
Auch dieses Statement ist völlig widersprüchlich zu jener Aussage, die Frau Kluckert in Wuppertal tätigte. Dort plädierte sie dafür, den Verkehr CO2-neutral zu bekommen: „Null CO2 und trotzdem mobil.“ Wenn die aus Berlin stammende Politikerin das wirklich ernst meint, darf sie keinesfalls einer Liberalisierung des PBefG zustimmen, denn eine unreguliert zugelassene Masse an rosinenpickenden Mietwagen sorgt für keine Verkehrsentlastung, sondern für den in vielen amerikanischen Studien nachgewiesenen „Uber-Stau“.
Frau Kluckert wurde darüber in vielen persönlichen Gesprächen und durch entsprechende E-Mails von engagierten Taxiunternehmen und Funktionären hingewiesen. Akzeptieren will sie diese Fakten nicht. Stattdessen geht sie wie ein in die Enge getriebenes Tier zum Gegenangriff auf das Taxigewerbe über. Bei der Diskussionsrunde im Rahmen der Taxi Driving Innovation echauffierte sie sich über jenen Berliner Taxifahrer, der ihr bei der Heimfahrt vom Flughafen Tegel die Wahl ließ, ob sie über die Stadtautobahn gefahren werden wolle oder durch die Innenstadt. „Das allein ist schon eine Frechheit des Fahrers“, sagte Frau Kluckert und erntete damals lautes Gelächter aus dem Publikum, denn eine Routenalternative wird von den meisten Fahrgästen sehr geschätzt. jh
Anmerkung der Redaktion: Daniela Kluckert predigt Wasser und trinkt Wein. Es ist innerhalb einer Demokratie völlig legitim, wenn jemand (noch dazu aus der FDP) liberale und unregulierte Märkte fordert und daher als Fürsprecher von Uber & Co agiert. Sich dann aber öffentlich für Umweltschutz und bezahlbare Mobilität für alle einzusetzen, ist nichts weniger als Betrug am Wähler, weil eben genau das mit Uber & Co. nicht umsetzbar ist. Auch nicht mit Moia und CleverShuttle.
Darüber ließe sich hinwegsehen, wenn es sich „nur“ um eine Bundestagsabgeordnete aus der Hinterbank der Politik handeln würde. Frau Kluckert hat sich aber als stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags wählen lassen. Und als solche steht sie in der hohen politischen Verantwortung, sich mit den Verkehrsthemen sachlich und differenziert auseinanderzusetzen. Dass ihr dies seit zwei Jahren nicht gelingt, ist traurig. Dass sie allerdings in der Öffentlichkeit konträre Aussagen zu ihrem politischen Handeln tätigt, ist einer demokratisch gewählten Volksvertreterin nicht würdig. Deshalb wäre es nur konsequent, wenn Daniela Kluckert von ihrem Posten als Stellvertreterin des Verkehrsausschusses mit sofortiger Wirkung zurücktreten würde.
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