Ein ungewöhnlicher Auftrag führte Frank nach Sarajevo. Doch wie kommt er jetzt zurück nach München? Und was ist mit seinem Wagen passiert?
Frank hechtet aus der Straßenbahn. Das kann doch nicht wahr sein. Eben hat er sein Taxi vorbeifahren sehen: neue E-Klasse, Hellelfenbein. Er sprintet die „Zmaja od Bosne“, eine mehrspurige Hauptstraße, hinunter. Hinterher! Das Taxi wird immer kleiner, doch Frank bleibt dran. Er sieht noch, wie es links abbiegt.
Es dauert einige Minuten, bis er sein Taxi erreicht, das sich, als wenn nichts geschehen wäre, hinter den anderen an einem Stand eingereiht hatte. „Ihr seid aber fix! Gestern geklaut, heute schon im Einsatz! Alle Achtung!“, denkt er sich.
Außer Atem und durchgeschwitzt erreicht er den Wagen, reißt die Fahrertür auf und will gerade den verdutzten Kollegen rausziehen, als ihm auffällt, „Scheiße, das ist nicht mein Taxi!“ Dem Kollegen ist er
natürlich eine Erklärung schuldig und mit einer Mischung aus Deutsch und Englisch erzählt er seine Geschichte. Zum wiederholten Mal in den letzten Stunden.
Frank hatte sich auf eine Taxifahrt von München nach Sarajevo eingelassen, war durch ein Minenfeld gelaufen, hatte sich in Senica die Brieftasche und das Taxi klauen lassen, die bosnischen Pyramiden besucht und sich von deren Entdecker zu einer Pension in der Altstadt fahren lassen. Mit den 20 Euro, die ihm Osmanagic, der Pyramiden-Mann, überlassen hatte, konnte er sich in der Pansion Sebilj einquartieren und für ein Abendessen reichte es auch.
Er wollte sich Geld schicken lassen. Doch wie sollte er an das Bare rankommen? Ohne Ausweis? Der Chef der Pension hatte eine Lösung: Er kennt einen Wirt aus Sarajevo in München. Der vom Keferloher am Frankfurter Ring. Wenn der ihm bestätigt, dass bei ihm jemand Geld abgegeben hat, zahlt der Hotelier ihm den Betrag aus. Also schickte Frank einem guten Freund eine E-Mail und einige Stunden später war er der glückliche Besitzer von 150 Euro.
Am Abend flanierte er durch Bašcaršija, die Altstadt von Sarajevo, und sah sich die vielen Läden an, in denen Schmuck, Teppiche, Kunst und Krempel verkauft wurden. In einer Cevabdžinice bestellte er sich Ćevapi, die bekannten gegrillten Hackfleischwürstchen mit Zwiebeln und Fladenbrot und bewunderte das Durcheinander auf dem Platz.
Christen und Muslime lebten hier friedlich miteinander und als es dunkel wurde, schien es, als sei die ganze Stadt auf einem Spaziergang, um ein Eis zu kaufen oder einen gegrillten Maiskolben. Fremde Sprachen, bunte Kleider und der Dunst aus Grillfleisch, Kaffee und Maiskolben ergaben eine aufregende und gleichzeitig friedliche Kulisse für den in Sarajevo gestrandeten Frank. Und sie bildeten den Hintergrund für Franks Gedanken, die sich um die Fahrt und die aberwitzige Kette von Zufällen drehten.
Gut, er hatte etwas riskiert, einmal etwas getan, das ungewöhnlich war – mit zweifelhaftem Erfolg. Trotzdem begann Frank, sich wohl zu fühlen. Für diesen Augenblick war er frei. Am nächsten Tag hatte er sich bei der deutschen Vertretung einen Ersatzpass besorgt und ein Busticket nach München gekauft. Auf der Fahrt von der Pension zum Busbahnhof hatte er vermeintlich sein Taxi gesehen und stand jetzt dampfend und nach Luft ringend vor seinem erstaunten bosnischen Kollegen.
Nachdem dieser seine Geschichte gehört hat, klemmt er sich an den Funk und versucht, etwas über Franks Wagen in Erfahrung zu bringen. Ohne Ergebnis. Schließlich bringt er ihn zum Busbahnhof und zwanzig Minuten später sitzt Frank im Bus nach München.
Das dicke Ende kommt noch, denkt sich Frank, als er nach 16 Stunden Fahrt endlich vor seinem Chef steht. Wie soll er ihm den Verlust des Taxis erklären? Doch gerade, als Frank mit seiner Beichte beginnen will, begrüßt ihn der schon fröhlich: „Da bist du ja, Schlafmütze. Hier, der ist für dich!“.
Frank hält einen großen, braunen Umschlag in der Hand, prall gefüllt mit seinem Geldbeutel aus dem Taxi und einem Brief.
„Dober dan Frank,
mein Onkel hat gesagt, dass die Hochzeit schon lief. Ich musste hin und Du warst weg. Um es kurz zu machen: ich kam zu spät. Meine Schuld. Das passiert, wenn man sich um die wirklich wichtigen Dinge nicht kümmert.
Ich bringe gerade deinen Wagen zurück, die Adresse von deinem Chef steht ja drin. Ihm erzähle ich, Du musst dich erstmal ausschlafen und hast mich mit dem Auto vorgeschickt. Wie ich dich kenne, schaffst Du es, irgendwie nach München zurück zu kommen.
Hier sind dein Geldbeutel und das Geld, das ich dir schulde. Plus das Geld, das Du im Kofferraum vor mir gebunkert hast (kein cleveres Versteck, Kollega!). Für den Rückweg zahle ich dir nur 500. Schließlich musste ich ja auch selber fahren.
Adio Elvir“
Frank ist immer noch verdutzt, als er wenige Minuten später am Candid wartet. Jetzt ist er endlich wieder in seinem Wagen. Und in München – seiner Stadt. Das IsarFunk-Gerät piepst, Frank bestätigt, dreht den Zündschlüssel um und gibt Gas.
– Ende –