Wer in Deutschland hofft, das Uber nur ein Problem in wenigen Großstädten ist, sollte einen Blick nach Belgien werfen. Dort ist der US-Vermittler seit heute in ganz Flandern verfügbar, weil die Gesetze entsprechend angepasst wurden. Zu Flandern zählen die Städte und Regionen rund um Antwerpen, Gent und Leuven.
Uber war in Belgien bisher nur mit etwa 2.000 Fahrern in Brüssel und am Rande des Brüsseler Flughafens tätig. Sie agieren dort mit Mietwagen- (Limousinen-) Genehmigungen, die nicht zur Taxibeförderung vorgesehen sind. Die Anforderungen an Taxifahrer in Brüssel sind erheblich strenger als an Mietwagenfahrer. Aber genau wie beim Start in Brüssel im Jahr 2014 (mit dem rasch verbotenen UberPOP), nimmt das amerikanische Plattformunternehmen die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf die taxiähnliche Beförderung nicht besonders Ernst. Ein Bild, das sich in fast jedem Land beim oft turbulenten Start von Uber erkennen lässt. Die Art und Weise, wie Mietwagen in Brüssel mit ‘selbständigen’ Fahrern eingesetzt werden, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der illegalen Uber-Praxis in Deutschland. Es ist zu befürchten, dass es nun in Flandern ebenso ablaufen wird.
Dort hat der rechtlich umstrittene Fahrten-Vermittler seit dem heutigen Montag seine Beförderungsdienste nun auf ‘ganz Flandern’ ausgeweitet. Im Klartext bedeutet das: in Antwerpen, Gent und Leuven. Laurent Slits (Uber Belgium), bestätigte dass er sich auf diese drei Städte konzentriert. Slits behauptet auch, dass Uber nicht mehr das gleiche Unternehmen ist wie zu Beginn des Jahres 2010, als die Lizenzgeber nicht nur eingeschüchtert, sondern auch ausspioniert wurden. Jetzt will das Unternehmen “alles legal machen” und mit den Städten sowie der flämischen Regierung zusammenarbeiten.
Diese Regierung deregulierte im vergangenen Jahr den Taxisektor (vom Mobilitätsminister Ben Weyts wurde es als ‘Modernisierung’ gepriesen) und rollte so den roten Teppich für Uber aus. Obwohl das neue Taxigesetz bereits am 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat und den Weg für mehr Wettbewerb ebnete, musste ein letztes Hindernis für den Einstieg von Uber noch beseitigt werden.
Der Taxisektor hatte eine Bestimmung in das Durchführungsdekret aufnehmen lassen, dass eine App-Bestellung nur mit 15 Minuten Verzögerung (wie z.B. in Barcelona) ausgeführt werden dürfte. Die flämische Mobilitätsministerin Lydia Peeters meinte kürzlich “dass diese Bestimmung sich durch das Netz geschlichen hat.“ Dieser Schönheitsfehler wurde dann aber eifrig beseitigt, so dass Uber jetzt die flächendeckende Vermittlung starten kann.
Der Taxiverband GTL hatte dies sinngemäß als Kniefall vor dem amerikanischen App-Riesen verurteilt. Er wie auch die Gewerkschaft BTB sind empört über den roten Teppich, den die Politik für Uber in Flandern ausgerollt hat. Die Gewerkschaft BTB kommentierte heute, dass “die Zulassung von Uber in Flandern den endgültigen Todesstoß für das Taxigewerbe bedeutet”.
Auch im Hinblick auf Corona ist die Gewerkschaft bitter enttäuscht. Vor kurzem hatte der flämische Premierminister Jan Jambon zur Solidarität mit den lokalen flämischen Unternehmen aufgerufen und zum Kauf bei lokalen Geschäften oder zur Nutzung regionaler Dienste aufgefordert. “Anscheinend gilt dies nicht für das Taxigewerbe. Soviel zur flämischen Solidarität”, kommentiert die Gewerkschaft bitter.
Seit März dieses Jahres verzeichnen die Taxiunternehmen in Belgien einen Umsatzrückgang von 80 bis 90 Prozent – bedingt durch die Coronakrise und den Lockdown in Belgien. Gerade dies ermöglicht es nun aber Uber, das Angebot langsam hochzufahren – mit einer relativ begrenzten Anzahl von Fahrern und einer zu erwartenden geringen Nachfrage.
Die Gewerkschaft BTB hat in der Vergangenheit schon öfter die dunkle Seite von Uber aufgedeckt und gegen Uber-Praktiken protestiert. Jetzt stellt die Gewerkschaft fest “dass unsere Argumente auf flämischer Seite nicht gehört wurden und das Social Dumping in Flandern zeitgleich mit dem roten Teppich für Uber ausgerollt wird.”
Und weiter: “Alle Vorteile sind für die Plattformen, alle Belastungen für die Fahrer. Aufgrund seiner aggressiven Preispolitik ist der Taximarkt überall gestört. Echte Taxifahrer, Selbstständige und Angestellte sind die Opfer davon. Kunden werden auch feststellen, dass die Preise für eine Fahrt steigen, sobald ein Uber-Monopol besteht. Und der Uber-Fahrer bekommt einen immer geringeren Anteil am Kuchen, weil ein Gewinn gemacht werden muss. Uber-Fahrer müssen viele Stunden arbeiten, und alle Risiken liegen bei ihnen.“
Übrigens läuft in Brüssel noch ein Gerichtsverfahren der Taxiorganisation Febet gegen den App-Riesen wegen eines früheren Gerichtsurteils, in dem festgestellt wurde, dass Uber kein Taxidienst sei. Dieses Urteil wird in Dezember erwartet. wf
Beitragsfoto (Stadtansicht von Antwerpen: Deposit