Es ist – mitten in der zweiten Corona-Welle – sowohl für den Fahrgast als auch für den Taxifahrer eine Frage der Sicherheit: Der Beifahrersitzplatz ist in Taxis derzeit eine Tabuzone. Doch hat man darauf auch einen Rechtsanspruch?
Für die aktuelle Printausgabe der Taxi Times München ist Tom Buntrock dieser Frage nachgegangen. „Nach allem, was man heute über die Verbreitung von Aerosolen weiß, erhöht sich die Ansteckungsgefahr schon nach wenigen Minuten drastisch – vor allem, wenn der Fahrgast direkt neben dem Fahrer sitzt“, berichtet Buntrock und verweist auf die vielen Aktivitäten, welche die Taxiunternehmer und Fahrer unternehmen, um das Infektionsrisiko zu minimieren: „Die meisten Fahrzeuge sind inzwischen mit Trennscheiben ausgestattet, es wird nach jeder Fahrt gelüftet und benutzte Plätze sowie Griffe desinfiziert. Fahrerinnen und Fahrer tragen während einer Besetztfahrt Maske. Außerdem halten sie – eigentlich unumgänglich, wenn das Fahrzeug eine Trennscheibe hat – den Beifahrersitz frei.“
Die meisten Fahrgäste dürfte das freuen, so Tim Buntrock weiter. Trotzdem gäbe es immer noch Kunden, die auf den Beifahrersitz bestehen. Unverständlich, wenn es aus Bequemlichkeit passiert, ein echter Interessenkonflikt, wenn sie tatsächlich große Schwierigkeiten haben, sich auf die Rückbank zu setzen oder andere gesundheitliche Gründe gelten. So wie ein Stammkunde der Münchner Taxizentrale IsarFunk. „Krankheitsbedingt kann ich nur unter größten Bemühungen auf der Rücksitzbank Platz nehmen: Einerseits weil der Einstieg zu schmal ist und andererseits, weil die Beine nicht ausreichend Platz finden“, schildert er das Dilemma gegenüber Taxi Times.
Für den Naturwissenschaftler ist klar, dass ein besetzter Beifahrersitz für manchen Fahrer eine Zwickmühle darstellt, denn es gibt durchaus Taxifahrer, die zu der oft zitierten Risikogruppe gehören. IsarFunk hat deshalb ein Bestellmerkmal eingeführt, welches die Fahrer im Vorfeld darauf hinweist, dass der Fahrgast vorne sitzen muss.
Für Tom Buntrock ist klar, dass in solchen Fällen der Fahrer in der Zwickmühle ist. „Oft hat er lange auf einen Auftrag gewartet und kann es sich wirtschaftlich kaum leisten, auf eine Fahrt zu verzichten. Viele befürchten außerdem juristische Konsequenzen, wenn sie einen Fahrgast ablehnen“, schreibt der Autor, der selbst in München Taxi fährt und leitet dann zur Frage über, ob Taxifahrer überhaupt ein Recht darauf haben, die Mitnahme auf dem Beifahrersitz zu verweigern.
Die Antwort lieferte im Juni das bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr: „Das Taxi ist ein Teil des öffentlichen Personennahverkehrs (…), somit gelten dort die gleichen Regeln wie auch in Bussen oder Bahnen. Die aus Infektionsschutzgründen gebotenen Abstände sind in der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geregelt. Der Mindestabstand von 1,50 Metern soll dort eingehalten werden, wo dies möglich ist. Da im ÖPNV die Einhaltung nicht durchgehend möglich ist, wird es hier insgesamt für zulässig erachtet, von der zwingenden Einhaltung der Abstandsregelung abzusehen.“
Und weiter: „Möchte ein Taxifahrer einen Fahrgast zum Schutz der eigenen Gesundheit auf die hinteren Plätze verweisen, kann er dies als Bitte formulieren und sich dabei auch auf das Gebot berufen, wo immer möglich, einen Mindestabstand von 1,50 Metern zwischen zwei Personen einzuhalten.“ Für die Fahrerinnen und Fahrer, die zum Beispiel zu einer Risikogruppe gehören und die sich deshalb so umfassend wie möglich vor einer Infektion schützen wollen, ist diese Erklärung unbefriedigend.
Florian Schelmer, Abteilungsleiter der Hauptabteilung III im Münchner KVR ergänzt: „Tatsächlich gibt es bayernweit keine Regelung, die den Beifahrersitzplatz generell sperrt. Allerdings ergibt sich aus den Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen, dass ein Mindestabstand von 1,5 Metern generell einzuhalten ist bzw. ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen ist. (…) Allerdings ergibt sich auch bereits aus § 22 Nr. 3 PBefG, dass eine Beförderungspflicht nicht besteht, wenn eine Beförderung durch Umstände verhindert wird, die der Unternehmer nicht abwenden und denen er auch nicht abhelfen kann. § 8 der Münchner Taxitarifordnung konkretisiert dies insoweit, als Personen von der Beförderung ausgeschlossen werden können, die unter einer ansteckenden Krankheit leiden.“
Was eindeutig nach rechtlicher Grauzone klingt, wird von Behördenseite im Falle einer Kundenbeschwerde pragmatisch gelöscht: „Aus Sicht des Kreisverwaltungsreferates“, zitiert Buntrock Herrn Schelmer, handelt es sich nicht um einen Verstoß gegen die Beförderungspflicht, wenn die Taxifahrer*innen in der derzeitigen Pandemie-Situation darauf bestehen, dass die Fahrgäste im Fahrzeug hinten einsteigen und diese den Hinweis als generelle Weigerung zur Beförderung empfinden.“ Außerdem sei bisher kein entsprechender Fall bekannt. Die Notwendigkeit eine Allgemeinverfügung zu erlassen sehe man nicht. red
Anmerkung der Redaktion: Eine doch eher zweifelhafte Methode haben einige Münchner Taxifahrer entwickelt, um Fahrgäste von der Nutzung des Beifahrersitzung abzuhalten: Sie nutzen den Platz als Ablagefläche für allerlei Zeitungen oder auch für Abfälle. Den Vogel schoss jener Kollege ab, der vorne rechts eine alte Obstkiste deponiert hatte, in der noch die letztens Essensreste der Brotzeit lagen, das zusammengeknüllte Papier und sogar ein benutztes Taschentuch. Dieser Fahrer muss sich weniger Sorgen machen, ob Fahrgäste bei ihm hinten, sondern ob sie bei ihm überhaupt einsteigen. Da wünscht man sich mutige Taxifahrer, die diesen Kollegen in die Wüste schicken, bzw. gleich auf die Müllhalde, Denn dort gehört jedenfalls eher hin als an einen Taxistandplatz.
Beitragsfoto: Tom Buntrock
Welche eine unqualifizierte kollegenfeindliche Kommentierung. Auch ich habe den Beifahrersitz bewußt blockiert.
Es sind keine Zeiten für Diskussionen. Die Fahrgäste sollen hinten sitzen und das gehört behördlich angeordnet. Ohne Ausnahme.
Da ich zZt das meiste Geld sowieso mit Arztfahrten verdiene, kommt es gelegentlich vor, dass ein mobilitätseingeschränkter und meistens älterer Fahrgast vorne sitzt, weil für ihn das Ein- und Aussteigen zumindest bei der MB 213 Limo nahezu unmöglich ist. Für diese Fahrgäste ist das Risiko bei einer Corona-Infektion idR größer als mein eigenes. Also lasse ich das vorne Sitzen in Ausnahmefällen zu. Maske tragen wir dann sowieso beide und in der aktuellen Situation sind gerade diese Fahrgäste dringend auf uns angewiesen.