Bei der heutigen ersten Beratung für ein geplantes neues Personenbeförderungsgesetz haben sich im Bundestag die jeweiligen Experten aller Fraktionen zu Wort gemeldet – wobei nicht alle den Nachweis tatsächlich erbracht haben, sich in der Materie gut auszukennen.
Mit der Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Modernisierung des Personenbeförderungsrechts (PBefG) ist heute die lange geplante PBefG-Novelle in das finale Gesetzgebungsverfahren getreten. Der Entwurf geht nun ebenso wie zwei Gegenanträge der FDP und der Linken in die Ausschüsse zur Beratung. Für den 5. März 2021 ist dann die zweite und dritte Lesung im Bundestag vorgesehen. Eine für den 12. Februar vorgesehene öffentliche Anhörung wurde mittlerweile auf den 22. Februar (14 Uhr) verlegt.
Vor den nun wieder hinter verschlossenen Türen stattfindenden Beratungen nutzten in der heutigen rund 40 minütigen Debatte die Vertreter jeder Bundestagsfraktion die Gelegenheit für ein kurzes Statement. Darin wurden auch noch einmal die Positionen der einzelnen Parteien sowie des zuständigen Verkehrsministers deutlich. Dieser hatte zu Beginn seines Statements den Werdegang der Novelle skizziert und die Rolle der von ihm ins Leben gerufenen Findungskommission hervorgehoben.
An dieser haben neben den Mobilitätsexperten des Bundestags auch die Verkehrsminister verschiedener Länder und unterschiedlicher Parteien teilgenommen. Der dort erzielte Kompromiss, so die Interpretation des Verkehrsministers, sei daher kein „Entweder-oder“, vielmehr ein „sowohl als auch“. Er wurde am 19. Juni 2020 in einem Eckpunktepapier manifestiert und bildete dann auch die Grundlage für den jetzigen Gesetzentwurf der Großen Koalition aus CDU / CSU und SPD.
Stefan Gelbhaar von den Grünen wollte das so nicht stehen lassen. „Ich sage Ihnen, der Entwurf entspricht nicht den vereinbarten Eckpunkten“, sagte er in Richtung Sitzplatz des Ministers. „Er taugt so nicht.“ Umweltverträglichkeit und Verkehrseffizienz seien in diesem Entwurf nur Worthülsen. Klar definierte Sozialstandards würde man vergebens suchen. Stattdessen wolle man im Bereich der Mietwagenunternehmen die ausbeuterische Praxis der Plattformunternehmen legitimieren. Auch die versprochenen Anti-Dumping-Regeln seien nicht zu finden. „So ist das eine Ohrfeige ins Gesicht derer, die jeden Tag unsere Mobilität ermöglichen.“
Die fehlenden Sozialstandards sieht auch Detlef Müller von der SPD als Grund dafür, dass die jetzige Vorlage, obwohl von seiner Partei mitgetragen, den Bundestag so nicht verlassen wird, wie es heute eingebracht wurde. „Geschäftsmodelle, die auf der Ausbeutung von Mitarbeitern basieren, wird es mit uns nicht geben“, sagte Müller.
Für ihn zählen beim Personenbeförderungsgesetz, das er als Grundgesetz für öffentliche Mobilität bezeichnete, vier Grundsätze: „Das Rückgrat des öffentlichen Verkehrs bildet der ÖPNV mit Bussen, Straßenbahnen, S- und U-Bahnen. Neue Mobilitätsformen können diese nur ergänzen. Wir wollen klare Spielregeln für alle Verkehrsarten und Geschäftsmodelle im öffentlichen Verkehr. Keine Rosinenpickerei, keine Kannibalisierung von Verkehrsarten und kein Wildwest zwischen den Anbietern.“
Für Andreas Wagner von der Partei „Die Linke“ ist der jetzige Gesetzentwurf ein Baustein für noch mehr Verkehr in den Großstädten: „Die Regierung will die Voraussetzung schaffen, dass mit app-basierten Mietwagenverkehr noch mehr Autos die Innenstädte fluten.“ Wagner bezeichnet Mietwagenanbieter als unmittelbare Konkurrenz für das ohnehin von der Corona-Krise stark betroffene Taxigewerbe. Wie auch schon sein Vorredner Müller kritisiert der Linken-Politiker, dass im Gesetzentwurf keine sozialen Standards für Beschäftigte im Mietwagensektor vorgesehen sind.
Michael Donth von der CDU ging in seinem Statement auf diesen Punkt nicht ein. Stattdessen betonte er, dass es ohne die verkehrspolitische Erfahrung des Ministers Andreas Scheuer und dessen Konsensfähigkeit keinen Gesetzentwurf gegeben hätte. Man würde damit mehr Flexibilität für die Gestaltung des öffentlichen Verkehrs schaffen und den Ländern bzw. den Kommunen die „Leitplanken“ vorgeben, innerhalb derer sie mit einer ganzen Palette von Gestaltungsmöglichkeiten eigene Verkehrskonzepte umsetzen können – so wie es vor Ort sinnvoll sei. Donth hob hervor, dass mit der Beibehaltung der Rückkehrpflicht mit den jetzigen Regelungen sogar eine bessere digitale wie auch analoge Kontrollmöglichkeit geschaffen werde.
Für die FDP-Vertreterin Daniela Kluckert hätte diese Rückkehrpflicht allerdings abgeschafft gehört. Sie warf Minister Scheuer vor, seine ursprünglichen Liberalisierungspläne aufgegeben zu haben und erwähnte auch in einem Nebensatz die neueste Forderung der FDP, den ermäßigten Steuersatz auch für Mietwagen einzuführen. Wie schon mehrmals bei öffentlichen Veranstaltungen machte Frau Kluckert auch diesmal ihre Verachtung für die Taxibranche deutlich, indem sie den Wahlkreisabgeordneten der CDU vorwarf, sie würden schon einen Schreck bekommen, wenn einmal ein Brief eines Taxiunternehmers kommen würde.
Noch weniger zur eigentlichen Sache hatte der Redner der AFD beizutragen. Sein Statement – gehalten unmittelbar nach der Rede von Andreas Scheuer- umfasste größtenteils Pauschalvorwürfe gegen die Bundesregierung, ein wenig fremdenfeindliche Hetze und die Ankündigung, man wolle erst nach den Anhörungen einen Gegenantrag vorlegen. Detlef Müller kommentierte den Auftritt mit der Bemerkung, der Buchstabe „A“ im Parteinamen würde in puncto Personenbeförderungsgesetz für „Ahnungslosigkeit“ stehen. jh
Beitragsfoto: Taxi Times (Screenshot aus der TV-Übertragung)
In der Debatte im Bundestag ist vor allem klar geworden, wer sich fachlich mit dem „Grundgesetz des Personenverkehr“ auseinander gesetzt hat (oder auch nicht) und dabei wessen Interessen im Hinterkopf hatte.
Die Argumente für die verschiedenen Interessen liegen seit langem auf dem Tisch.
Jetzt ist also der Moment im Verfahren erreicht, an dem es um grundsätzliche Entscheidungen geht.
Ob wir zulassen, dass freibeuterische Tec-Konzerne nun auch noch legalisiert werden.
Ob wir zulassen, dass überforderte kommunale Verwaltungen mit zusätzlichen Aufgaben überfrachtet werden.
Schon bisher waren sie kaum in der Lage, die illegalen und pseudolegalen Praktiken der ’neuen‘ Verkehrsanbieter zu bändigen.
Ob durch die Neufassung des PbefG dem Preisdumping die Hintertür geöffnet wird.
Ob eine sinnvolle Internet-basierte Technik zum Instrument der Zerstörung bewährter Strukturen wird.
Ob die Standards unserer Sozialen Marktwirtschaft in einer Art Salamitaktik wieder mal beschnitten werden.
Ob wir zulassen, dass weiterhin international agierende Firmen mit Steuervermeidungsstrategien auf Monopolisierungskurs sich noch weiter ausbreiten dürfen.
Ob auf dem Land abseits der großen Städte kein vernünftiges zuverlässiges öffentliches Verkehrsmittel zu Verfügung steht. Besonders hier konnte das Taxigewerbe einerseits durch Eigeninitiative manches bewegen, andererseits fehlten allerdings auch bestimmte rechtliche Möglichkeiten.
Ganz grundsätzlich:
Ob Ausbeutung im weitesten Sinne auch noch legalisiert wird.