In nur wenigen Tagen reduzierte sich der Marktwert der beiden Plattform-Fahrtenvermittler Uber und Lyft um mehr als 20 Milliarden Dollar.
“Uber ist heute die Aktie mit der schlechtesten Performance unter den führenden Technologieunternehmen – ihre Aktien sind um mehr als neun Prozent gefallen, da sich das regulatorische Blatt offenbar zu wenden scheint,” schrieb die Financial Times Ende letzter Woche. Was führte zu diesem massiven Vertrauensverlust der Anleger, wo man doch am Mittwoch noch so scheinbar “positive” (Verlust-)-Zahlen veröffentlicht hat?
Ein Grund ist die neue neue poltische Führung in den USA. Die Biden-Regierung drängt vor dem Kongress konsequent auf Gesetze, welche die Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer stärken sollen – einschließlich korrekter Klassifizierung und Gewerkschaftsbildung.
In diesem Zusammenhang hatte der US-Arbeitsminister Marty Walsh Anfang letzer Woche seine Absicht bekanntgegeben, die Klassifizierung von Arbeitnehmern auf Gig-Economy-Plattformen genauer zu untersuchen. Am Mittwoch zog das Arbeitsministerium dann eine Regel zurück, die die Trump-Regierung in ihren letzten Tagen im Amt noch hatte durchsetzen wollen. Diese Regel hätte es den Unternehmen erleichtert, ihre Arbeitnehmer als ‘unabhängige Auftragnehmer’ einzustufen, um die vom Bund vorgeschriebenen Regeln für Mindestlohn und Überstunden zu vermeiden.
Dazu kommt es nun nicht, satttdessen wird das Beschäftigungsmodell von Uber und Lyft von Arbeitsminister Marty Walsh nachdrücklich geprüft. Die regulatorischen Konsequenzen stellen für die Plattformbetreiber eine ernste Gefahr dar. Uber versucht deshalb, die Investoren zu beruhigen. Bei der Vorstellung des Jahresberichtes am vergangenen Mittwoch warnten die Führungskräfte vor “einem langen und potenziell schwierigen Weg zur Abwehr der jüngsten Bedrohung.” Diese käme diesmal vom US Arbeitsminister, während man die Renatbilitätsziele während der Pandemie intakt überstanden hätte.
Auf die Frage, was es kosten würde, wenn alle 3,5 Millionen weltweit aktiven Uberfahrer und -Kuriere zu Arbeitnehmern würden, zeigte sich das Unternehmen zurückhaltend. Ein Leitfaden könnten jene 600 Millionen USD (493 Millionen Euro) sein, welche Uber zur Begleichung von Lohnforderungen kürzlich zurückgestellt hatte. Das war nötig gewesen, nachdem der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs im Februar ein wegweisendes Urteil gefällt hatte, wonach Fahrer unter die typisch Britische Bezeichnung ‘Worker’ fallen – einer Definition zwischen Selbständige und Arbeitnehmer.
Die Arbeitnehmerseite zeigt sich derweil erfreut: „Die Aufhebung der Regel ist ein erster Schritt“, sagte Shannon Liss-Riordan, eine führende Anwältin für Arbeitsrechte und Gig Economy. „Die Biden-Administration hat klargestellt, dass sie einen stärkeren Test für die Mitarbeiterklassifizierung und keinen Schwächeren unterstützt.“
Was als nächstes passiert, könnte einen erheblichen Einfluss auf die Realisierbarkeit des Geschäftsmodells der Gig-Economy haben, besonders in US Staaten, die noch keine eigenen Gesetze zu diesem Thema verabschiedet haben und sich an die US Regierung wenden würden, um Leitlinien zu erhalten.
Ein Umdenken scheint nun auch bei Uber stattzufinden, wobei ausgerechnet das deutsche Uber-Model als Vorbild dient. „Was wir suchen, sind gleiche Wettbewerbsbedingungen und die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, um das Richtige zu tun“, sagte Dara Khosrowshahi, CEO von Uber. Angesichts strenger Kontrollen in Deutschland wäre man dort mit einem Modell am Markt, bei dem Fahrer bei Mietwagenbetrieben beschäftigt sind, ähnlich wie bei Minicab-Unternehmen, die von Uber unter Vertrag genommen wurden. Das deutsche Vorbild soll angeblich auch in anderen Ländern umgesetzt werden.
Was von den Medien beim Blick ins gelobte Deutschland allerdings übersehen wird: Auch das “deutsche Uber-Modell” basiert auf Rechtsbruch, in dem die angesprochenen Mietwagenpartner die vorhandenen Regularien ignorieren und damit unbestraft davonkommen, weil genau jene “strengen Kontrollen”, von denen Khosrowshahi spricht, mangels Personal oder behördlichen Willen gar nicht durchgeführt werden.
Uber spiegelt also auch hier eine Scheinwelt vor, lässt die Realität aber ganz anders aussehen. Diese Methodik wendet man auch in den USA gerne an.
So werden dort beispielsweise die Hälfte der Zugeständnisse, die Uber im Kalifornischen Prop22 gemacht hat, jetzt wieder rapide zurückgedreht. Umstritten ist, dass Uber nun jede zusätzliche Kontrolle entfernte, die es den kalifornischen Fahrern kurzzeitig einmal gewährt hatte – beispielsweise die Festsetzung des Tarifpreises. Damit wurde für die Öffentlichkeit der Anschein geweckt, dass die Mitarbeiter unabhängigkeit arbeiten würden. Uber möchte auch die Möglichkeit, das Fahrtziel anzuzeigen, wieder aus der Software entfernen oder ändern. Viele Fahrer würden bestimmte Fahrten aufgrund des (unerwünschten) Fahrtzieles ablehnen, was wiederum den Service weniger zuverlässig mache, sagte Uber.
Eine kürzlich von Tulchin Research in Zusammenarbeit mit Gewerkschaftsgruppen durchgeführte Umfrage ergab, dass 85 Prozent der App-Fahrer die durch Prop22 in Kalifornien eingeführten gesundheitlichen und sozialen Vorteile nicht genutzt hatten. Viele wussten einfach nicht, was diese Vorteile bieten oder zeigten sich nicht interessiert. wf
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