Taxameter sollen in die Kassensicherungsverordnung (KassSichV), das geht aus einem im März vorgelegten Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums hervor. Beschlossen werden soll darüber im Bundestag mitten in der Nacht.
Am 19. Mai berät der Finanzausschuss aller Voraussicht nach letztmalig über die Aufnahme von Taxametern und Wegstreckenzählern in die KassSichV und in der folgenden Bundestagssitzung vom 20. Mai steht das Thema dann als allerletzter Punkt zur Entscheidung an, terminiert auf 4.50 Uhr (!) des Folgetags. Bei dieser Uhrzeit ist eine leidenschaftliche Diskussion um das Thema verständlicherweise wohl kaum noch zu erwarten, womit eine sang- und klanglose Verabschiedung dessen, was am Vortag vom Finanzausschuss abgesegnet wurde, wahrscheinlich erscheint.
Recherchen und Nachfragen von Taxi Times haben ergeben, dass die fundierten Einwände der Experten aus und um das Gewerbe herum nichts gebracht haben. Wenn der Finanzausschuss den Referentenentwurf tatsächlich mehr oder weniger unverändert in die nächtliche Abstimmung schiebt, werden alle Bemühungen der vergangenen Jahre, eine prüfungsfeste digitale Einnahmeursprungsaufzeichnung für die individuelle Fahrgastbeförderung zu realisieren, ohne Not wieder auf null zurückgedreht.
Das Bundesfinanzministerium begründet den von ihm erkannten Handlungsbedarf folgendermaßen: „Ein fachlich notwendiger Anpassungsbedarf hat sich ergeben, da auch bei EU-Taxametern und Wegstreckenzählern digitale Grundaufzeichnungen unerkannt gelöscht oder geändert werden können.“ Konsequenz: Die von EU-Taxametern und Wegstreckenzählern erzeugten digitalen Grundaufzeichnungen sollen zukünftig durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) geschützt werden, der INSIKA-Standard ist dafür nicht ausreichend.
Letzteres bedeutet für diejenigen Unternehmen, die in der Vergangenheit ihre Daten mit INSIKA-Technik aufgezeichnet haben, einen kleinen Aufschub bei der Frist zur Umsetzung der künftigen neuen KassenSichV. Sie können ihre System noch bis zum Januar 2026 nutzen. Alle anderen Taxiunternehmen müssen bis zum Januar 2024 handeln. Für Mietwagenunternehmen gilt die Regelung allerdings erst dann, wenn mindestens drei verschiedene Wegstreckenzähler zugelassen und angeboten werden soweit die Unternehmen nicht sowieso von den örtlichen Genehmigungsbehörden von der Wegstreckenzählerpflicht freigestellt wurden.
Viele Experten hatten diese Gesetzesinitiative im Vorfeld als absolut kontraproduktiv für eine professionelle Entwicklung der Branche bezeichnet, zum einen, da die bisherigen Investitionen in fälschungssichere digitale Grundaufzeichnungen so möglicherweise obsolet sind und zum anderen, weil das Zeitfenster bis zum Jahr 2024 nun wieder ungeregelt ist. Zusätzlich kommt man beim so genannten Fiskalwegstreckenzähler mit dieser Regelung nicht voran, weil klare Vorgaben fehlen, beispielsweise dazu, wer diese zu nutzen hat – wenn sie denn irgendwann überhaupt zertifiziert angeboten werden.
Die eigentliche Idee des BMF, Ordnung auch für Taxi und Mietwagen zu schaffen, ist nachvollziehbar. Mit dem jetzigen Entwurf wird aber das genaue Gegenteil erreicht. Die offensichtliche Unmöglichkeit, den im BMF handelnden Personen das klar zu machen, ist äußerst irritierend.
Die Branche schafft es offensichtlich nicht, ihre kompletten Leistungen in die politische Wahrnehmung zu rücken. Das Gewerbe als winkerfahrender Gelegenheitsverkehr, wo ausschließlich der Taxameter als Abrechnungsbasis dient, entspricht nur in Teilen der Realität. Außerhalb der Metropolen bestehen oftmals mehr als die Hälfte der steuerpflichtigen Einnahmen aus Festpreisfahrten.
Eine „Kasse“, die solche Einnahmen abseits der bisherigen Taxameterzählung speichert, ist keine Kasse, sondern eine sinnlose Absurdität, sowohl für die Unternehmen als auch für die Prüfer. Notwendig erscheint vielmehr – ähnlich dem geplanten Fiskalwegstreckenzähler – die Daten nachträglich unveränderbar aufzuzeichnen, die real ermittelt werden, seien es nun Fahrstrecken oder Einnahmen, wobei natürlich erkennbar sein kann und muss, welcher Fahrpreis vom Taxameter ermittelt wurde und welcher vom Fahrpersonal verändert wurde (Krankenfahrten etc.). Dies ist mit vielen aktuellen Systemen sehr wohl möglich und dabei auch nur mit sehr hohem Aufwand im Nachhinein veränderbar.
Man ist also längst auf dem richtigen Weg, wie das Beispiel INSIKA beweist: Branchenkenner gingen bisher davon aus, dass die Aufzeichnung mit INSIKA-geeigneten Systemen nur mit erheblichem Aufwand zu verändern sei, der in keinem sinnvollen Verhältnis zum Nutzen solcher Aktivitäten stünde. Darüber hinaus machen Fahrten, deren Fahrpreis sich nach dem Taxametern bemisst, ja auch nur einen mehr oder weniger großen Teil der Fahrten aus, denn viele Fahrten wie oftmals beispielsweise Krankenfahrten unterliegen ja einer anderen Abrechnungsbasis. Auch das Engagement der Stadt Hamburg und inzwischen auch der Stadt Berlin werden so wohl wieder in der Versenkung der Geschichte verschwinden, denn weder Finanzexperten aus dem eigenen Haus, noch Verbände, noch andere Protagonisten konnten diese Entscheidung bisher auch nur ins Wanken bringen.
Dazu kommt eine völlige Diskrepanz zur Intention des neuen Personenbeförderungsgesetzes (PBefG): Man will mit der Novelle das Gewerbe und seine Ordnungsbehörden zukünftig flexibler aufzustellen. Genau das wird mit der neuen KassenSichV ad absurdum geführt: Eine TSE-gesicherte Einnahmeaufzeichnung, die ausschließlich unveränderbare Taxameterfahrpreise zulässt, macht alle Unternehmen, die abweichende Krankenfahrttarife oder genehmigte Festpreise, beispielsweise auch auf Basis der neuen Korridorregelung, abrechnen, aus Sicht der Finanzbehörden betrugsverdächtig.
Besonders irritierend ist dabei, dass die Begründung des BMF, digitale Grundaufzeichnungen könnten bei den existierenden Taxametern und Wegstreckenzählern unerkannt gelöscht werden, bisher mit keiner einzigen Studie belegt wurde. Nur weil eine Feststellung logisch klingt, muss sie ja noch lange nicht tatsächlich wahr sein. Trotzdem fehlte bisher offensichtlich eine parlamentarische Anfrage aus dem Kreis der Politik zum Beleg für diese Behauptung. MdB Michael Donth von der CDU und MdB Detlef Müller (SPD), in der Branche bekannt als federführende Mitglieder im Bundesverkehrsausschuss zum Thema PBefG-Novelle, hatten zwar vor kurzem gegenüber dem Autor signalisiert, dort noch einmal nachhaken zu wollen, aber ob diese Initiative noch von Erfolg gekrönt sein wird, bleibt abzuwarten.
Fazit: Die Definition eines Taxameters als Kasse ist die verzweifelte Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau: Ein geeichtes Messgerät, welches das ursprüngliche Vertrauensverhältnis zwischen Einsteigern und Taxlern bei der Preisbildung stützen soll und daher zeit- und streckenabhängig unveränderbare Fahrpreise ermittelt, kann nicht gleichzeitig auch der steuerlichen Veranlagung dienen, wenn es personenbeförderungsrechtlich parallel gestattet ist, auch Abweichungen von diesen Preisen mit bestimmten Fahrgästen abzurechnen. Es ist also zu hoffen, dass hinter den Kulissen noch Aktivitäten zu verzeichnen sind, die diese simple Logik transportieren und die Verabschiedung dieser Gesetzesinitiative im letzten Augenblick vielleicht doch noch verhindern können.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt ein altes Sprichwort. Hoffentlich stirbt sie nicht nachts um 4.50 Uhr… rw
Bisher erschienene Beiträge zur Reform der Kassen-Sicherungs-Verordnung (in chronologischer Reihenfolge)
01.10.18: Fiskaltaxameter: Zeitpunkt für Aufnahme ins Kassengesetz weiterhin ungewiss
07.04.21: Referentenentwurf: INSIKA wird zum Auslaufmodell
12.04.21: Manipulationssichere Taxameter: die Suche nach der eierlegenden Wollmilchsau
14.04.21: Taxameter + Kasse: Expertenkritik am Referentenentwurf
17.05.21: Nachts um 4.50 Uhr: Politik entscheidet über Taxameter als Kasse
26.05.21: Bundestag beschließt neue Taxameter-Regelung
27.06.21: Bundesrat stimmt der Kassen-Sicherungs-Verordnung zu
28.06.21: Kommentar: Es bleiben viele Fragen offen
11.07.21: Der BVTM erklärt die praktischen Konsequenzen
17.09.21: Die Einschätzung des Finanzexperten Edo Diekmann
14.10.21: Gibt es Alternativen zu INSIKA?
Beitragsfoto (Montage): Witte
Danke für die gute Berichterstattung!
Briefe en masse würden helfen.
Vielleicht findet sich ja jemand, der über ein entsprechendes Netzwerk verfügt, um Massenbriefe an die entsprechenden Stellen zu senden. Das könnte man über Telegram erledigen.
Der Inhalt ist sehr gut recherchiert – Kompliment !
Gemäß §6a muss die TSE vom Taxameter/Wegstreckenzähler mit dem Statuswechsel „Kasse“ und Betriebseinstellung „Frei“ angestoßen werden und eine Kassentransaktion starten. Über einen Belegdrucker wird dem Fahrgast eine Quittung angeboten. (Belegausgabepflicht).
Eine qualifizierte Quittung eines Geschäftsvorfalls muss zusätzlich Start- und Zieladresse, Bezahlart, TIP und die Ust. ausweisen.
Diese TSE Lösung wird schon jetzt von SuE und PayCo angeboten.
Wenn die Novellierung morgen um 04:50 den Bundestag passiert hat, befragen wir noch einmal das BMF und BSI, ob unsere TSE Taxikasse auch der neuen Kassensicherungsverordnung entspricht und so 2024 keine zusätzlichen Investitionen für ein „TSE Taxameter“ anfallen.
Na wenn das nicht so naus geht wie der Osterwahnsinn……
Die vorliegenden Informationen scheinen wieder mal verdächtig die These von einer UBER- schutzverordnung zu stützen!
Die Mietwagenbetriebe sind wohl größtenteils von der Wegstreckenzähler-Pflicht befreit. Und damit gibt es in der Praxis gar keine unveränderbare Ursprungsaufzeichnung.
Technisch überhaupt kein Problem ist ja die Wegdaten( sprich Fahrtenbuch) und auch Fahrerdaten elektronisch in einem erweiterten Wegstreckenzähler unveränderbare zu hinterlegen.
Man muss es nur wollen!
Also müssen sich unsere Politiker wieder mal fragen lassen, ob sie weiterhin die entsprechenden interessierten Kreise ihr illegales Treiben fortsetzen lassen!
Und endlich die kommunalen Behörden von diesen zusätzlichen Aufgaben aus der Novelle des PbefG entlasten, die nur rechtswidriges Treiben weiterhin ermöglichen durch die Überforderung der Behörden.
So herrscht aber weiterhin Wildwest bei Mietwagen, die TAXI spielen ohne Taxi zu sein!