Selten zuvor war der Taxifahrermangel so eklatant wie derzeit. Eine Branche, die kaum mehr als den Mindestlohn bezahlen kann, ist für potenzielle Fahrer wenig attraktiv. Ein Ausbrechen aus der Mindestlohnfalle verhindert jedoch das System.
Erschwerend kommt hinzu: Nach der Bundestagswahl steigt die Wahrscheinlichkeit auf eine zeitnahe Erhöhung des Mindestlohns. Noch priorisiert das Ergebnis der Bundestagswahl keine bestimmte Koalition, aber mit der SPD und den Grünen gibt es zumindest zwei Parteien, die sich im Wahlkampf eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro auf die Fahnen geschrieben hatten und die nach Adam Riese nun entweder beide oder zumindest eine von beiden an einer zukünftigen Regierung beteiligt sein werden. Die Option einer weiteren Mindestlohnerhöhung vielleicht auch schon innerhalb der kommenden zwölf Monate muss also spätestens jetzt auch von der Taxi-Branche unternehmerisch zur Kenntnis genommen werden.
Eine erste Reaktion wird, zumindest für die Mehrwagenunternehmen, die Personal beschäftigen, dabei natürlich die Forderung nach Tarifanpassungen sein. Und externe Beobachter oder auch die Beschäftigten werden wieder schnell in den Raum stellen, dass die Unternehmen einfach zu lange geschlafen haben und nun die Quittung dafür bekommen, dass der Lohn fürs Fahrpersonal im Taxi in der Regel immer noch durch den Mindestlohn bestimmt wird. Aber ist das wirklich so, hat das Gewerbe geschlafen?
Speziell die Taxi-Branche ist quasi per Gesetz an den Mindestlohn gekettet. Die Unternehmen bestimmen bekanntlich nicht selbst ihre Tarife, sondern diese werden von den Kommunen festgelegt. Diese wiederum lassen solche Taxitarife inzwischen meist per Tarifgutachten ermitteln. Diese Gutachten wiederum nehmen für die üblichen fünfzig bis sechzig Prozent Lohnkosten genau den Mindestlohn und keinen höheren Löhne als Basis. Folgerichtig wird es aktuell also kaum Tarife geben, die viel mehr als die aktuellen Mindestlöhne als Entlohnung für das Personal zulassen. Das Gewerbe darf sozusagen per Gesetz nicht mehr als den Mindestlohn zahlen, wenn es seriös kalkulieren will.
Somit darf das Taxi-Gewerbe, wiederum wohl als wohl einziges, auch gar nicht zukunftsorientiert handeln und sich auf höhere Mindestlöhne vorbereiten. Denn erst wenn ein neuer Mindestlohn gesetzlich unumkehrbar verankert ist, kann die Branche ihre Kommunen motivieren, diesen auch für die Tarife zugrunde zu legen, vorher wird man diesbezüglich scheitern. Und bis zum Abschluss einer solchen Initiative dauert es bei einer bundesdeutschen Kommune nun mal minimal sechs bis zwölf Monate, bis die Taxameter auf einen höheren Tarif umgestellt werden können.
Aus dieser Argumentationskette heraus erscheint eine minimale Vorbereitungszeit von zwölf Monaten für einen neuen Mindestlohn nach dessen gesetzlicher Fixierung zumindest für das Taxi-Gewerbe absolut zwingend. Alles andere käme mehr oder weniger einer Enteignung gleich, wenn das Gewerbe keine höheren Einnahmen generieren kann, von dem der höhere Lohn gezahlt werden soll.
Es gibt also kaum eine andere Branche, die der Mindestlohn so systematisch in Ketten legt. Daher kann es auch nicht darum gehen, heulend einen Aufschub zu erbetteln, weil man mal wieder schlecht vorbereitet war. Es geht vielmehr um Fakten, die nichts anderes ermöglichen. Fakten, die entsprechend selbstbewusst über die Verbände vertreten werden sollten. rw
Als seinerzeit der ML eingeführt wurde – zum 1.1.2017 – gab es Ende des Vorjahres in Hamburg eine Tariferhöhung, so etwa 5 – 6 % meine ich. Man verständigte sich darauf, bei Bedarf bzw. Notwendigkeit den ML noch in 2017 anzupassen, sollte die 16er Erhöhung auf Grund der Einführung des ML nicht ausreichen. So gab es dann im April ’17 eine „Anpassung“… Ehrlich, ich weiß nur noch, daß der Uhrmacher sich gefreut hat über eine weitere Einstellung nach so kurzer Zeit. Mit dem „angepassten“ Tarif wurden diese Zusatzkosten jedenfalls nicht aufgefangen.
Und ja, das war’s dann auch von dieser Stadt, die bundesweit zwar für Ihr „Hamburger Modell“ gefeiert wird, die zur Anschaffung von E – Taxen mit üppigen Fördermitteln von bis zu 20.000 Euro wirbt, die Taxibranche aber verhungern lässt.
Hamburg fährt auch heute noch mit dem Tarif vom APRIL 2017.
Der neue Mindestlohn von 12,- € wird die Kommunen hoffentlich dazu bewegen, die Taxitarife um 25 % anzuheben! Anders findet sich kein Fahrpersonal!
Was heißt den, ausbrechen aus der Mindestlohnfalle!?
Warum ML, damit der Mensch ein Mindest hat!
Wenn es dafür nicht reicht, muss man die Firma dicht machen, so traurig wie es ist! Oder hinten rum über die Sozialkassen Geld holen?
Lieber Daniel, danke für Ihren Kommentar. Mit Ausbrechen war gemeint, dass eine kommunale Tarifkalkulation eben nicht mehr auf Basis des Mindestlohns erfolgen darf. Denn dann kann ein Unternehmer auch nur ML bezahlen und findet dann eben keine Fahrer, weil jeder andere Hinz und Kuntz aus anderen Branchen deutlich mehr bezahlt.
Ach ja Hamburg und seine MWU, wo einst Hoffmann (Punk Tanke) dem Stern im Interview sagte, daß ein Mehrwagenbetrieb in einer Großstadt legal garnicht möglich sei.
Selbst wenn eine solche Erhöhung des Mindestlohnes schon zum Jahresende käme, wäre das vollkommen egal. Dann „arbeiten“ die Fahrer statt 7 Stunden von einer 12-Stunden-Schicht eben nur noch 5 Stunden und schon, Simsalabim, ist der Mindestlohn sogar überboten.
Angesichts des Beschlusses des OVG Hamburg von Anfang diesen Jahres (Keine Konzessionsverlängerung für betrügerischen MWU) sollten die MWU den Ball ganz flach halten. Die Möglichkeit diesen kriminellen Sumpf auszutrocknen hat die Behörde jedenfalls. Es zu tun ist derzeit jedoch nicht opportun.
Mindestlohnerhöhung und erzwungene E-Mobilität bis spätestens Anfang 2025, eher früher vielleicht schon 2023, sollten Signale genug sein für die MWU, von sich aus den Betrieb einzustellen.
Lieber Frank, danke für Ihren Kommentar. Jedoch sollte dieser Wochenkommentar mit Sicherheit NICHT die müßige Diskussion zwischen Einzelunternehmern und Mehrwagenunternehmern bedienen. Vielmehr war gemeint, dass eine kommunale Tarifkalkulation eben nicht mehr auf Basis des Mindestlohns erfolgen darf. Denn dann kann ein Unternehmer auch nur ML bezahlen und findet dann eben keine Fahrer, weil jeder andere Hinz und Kuntz aus anderen Branchen deutlich mehr bezahlt. Ein Taxitarif, der einen höheren Stundenlohn ermöglicht, kommt doch auch jedem Einzelunternehmer zugute, wenn er dann bei gleicher Arbeitszeit mehr Geld verdient.
Und nun? Und was kann der Unternehmer*in nun tun, um neues/mehr Fahrpersonal zu akquirieren? Denn – wie aus den Kommentaren ja hervor geht – konkurriert das Taxigewerbe ja mit „Hinz und Kuntz aus anderen Branchen“, die deutlich mehr bezahlen. Bremens Multitaxifunktionär Heuermann plädierte ja öffentlichkeitswirksam fürs Downsizing: Fachkundeseminar mit betäubender Wirkung und anschließendem Erweckungserlebnis. Peinlicher Vorschlag. Wo sind sie, die kreativen Ideen bei der Personalaquise, die über den monetären Faktor hinaus gehen? Wie kann man den Taxifahrerjob schmackhafter machen? Womöglich so schmackhaft, dass man/frau lebenslänglich dabei bleiben möchte? Wie machen das andere Branchen, in denen ebenfalls nur der Mindestlohn gezahlt wird? Und kommt mir bitte nicht damit, dass für kreative Ideen keine Kohle da ist, denn um die geht es ausnahmsweise mal nicht.
Hallo Herr Lamping, danke für diesen sehr anregenden Kommentar. Da sind wir von der Redaktion auch sehr gespannt, ob an dieser Stelle die eine oder andere Idee verraten wird. Hätten Sie denn auch einen konkreten Vorschlag?
Na klar, gerne. Eine Chance:
Das konsequente (!) „Bespielen“ der sozialen Medien-mit allem Pipapo. Denn: Der Student*in, der gerne im Burgerladen seiner Wahl Essen geht, diesem gleichzeitig auf Twitter folgt und sich mit seinen Freunden über die witzige Instastory des Restaurants unterhält, bemerkt so auch irgendwann die ansprechende Stellenausschreibung „seines“ Lieblingsladens. (Und natürlich frage ich mich immer, warum der Auslieferungsfahrer*in, der bei 2°C und Nieselregen auf seinem E-Bike seinen Job verrichtet , nicht Taxi fährt…)
Prima, danke, Herr Lamping.
Tja dann will ich mich auch mal zu Wort melden. Seit September 1968 bin ich selbständig – inzwischen mit 6 Taxen und 9 Fahrerinnen und Fahrern. Davon ist einer 17 Jahre bei uns – zwei gehören 15 Jahre zum Team – die Gattin des einen ist auch über 10 Jahre bei uns und deren Tochter jetzt im 3. Jahr. Dann noch einmal Vater und Sohn. – Wir zahlen schon immer 45 % der Einnahmen (ohne MwSt). – Das heißt natürlich lt. Vorschrift den jeweiligen Mindestlohn und wenn die Einnahmen höher sind als die Basiseinnahme für den Lohn von derzeit 9,60 € gebraucht wird, dann gibt es von dem Mehrbetrag/netto 45% als Bonuszahlungen. – So wissen alle bei uns das wir fair miteinander umgehen. AAAAber – das wird bei einem Mindestlohn von 12 € mit den heutigen Tarifen einfach unmöglich sein.!! Deshalb ist es bei den Teuerungen für alles (Autos + Diesel + Wartung – Beiträge und 12 € Mindestlohn) nicht möglich ohne eine Tariferhöhung überleben zu können. Unsere Angestellten im Team sind wirklich fleißig und ehrlich, aber auch sie können nicht zaubern und mein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ ist auch vorbei, deshalb wollte ich eigentlich nur im Notfall aushelfen. – Tja mal sehen – positiv denken und darauf hoffen dass unsere Hamburger Behörde auch die kleinen Unternehmer nicht totmachen will.
Wenn sich so manch Unternehmer hier ausweint , das schon die Anpassung des Taxameters eine finanzielle Belastung darstellt , dann möchte ich nicht wissen, wie ernsthaft die notwendige Wartung am Fahrzeug betrieben wird . Ergo sollte doch jedem klar sein, das dieses Gewerbe fertig ist , ein auskömmlicher Gewinn ist mit rechtlich einwandfreien Mitteln kaum noch zu erzielen und schon gar nicht , wenn Fahrer vorhanden sind. Traurig auch so manch Kommentar, wo es immer wieder heißt , positiv denken. Sicherlich muss man das , aber man sollte auch die Augen vor der Realität nicht verschließen und sehen, was der Generationswechsel in Politik und Amt bringt , wir bekommen immer mehr fachfremde Sesselpuper, die sich selbst verwirklichen wollen . Sicherlich muss das Gewerbe auch mit der Zeit gehen …. , aber doch bitte nicht mit der Zeit …. gehen.
Hallo Herr Petersen, danke für Ihren Beitrag, in dem Sie nun schon zum gefühlt 1000sten Mal betonen, dass Sie diesem Gewerbe keine Chance mehr geben. Da Sie aber offensichtlich immer noch sehr rege unsere Berichte lesen, scheinen auch Sie das vermeintlich sinkende Schiff trotz allem Pessimismus noch nicht verlassen zu wollen. Wir von Taxi Times übrigens auch nicht, wir sind sogar der festen Überzeugung, dass dieses Schiff wieder in ruhigere Fahrwasser gelenkt werden kann. Allerdings benötigt es dazu Crew-Mitglieder, die mit ganzem Einsatz mitkämpfen und das Schiff nicht schon verloren gegeben haben.