Misst man die Klimaschädlichkeit des Autofahrens an den sogenannten externen Kosten, so schneidet der Mietwagen schlechter ab als der Privat-Pkw.
Eine neue Studie der Carnegie Mellon University (Pittsburgh) summiert die externen Kosten, die Ride-Hail-Fahrten mit Uber und Lyft verursachen, und stellt fest, dass sie höher sind als die beim motorisierten Individualverkehr (MIV), also bei Fahrten in privaten Pkw, berichtete CityLab von Bloomberg. Die Studie wirft die Frage auf, ob die Politik mehr tun sollte, um die Folgen von Ride-Hailing zu mildern – zum Beispiel durch eine entsprechende Preisgestaltung. Im März 2020 hatte auch eine ähnliche Studie der US Union of Concerned Scientists ergeben, dass Ride-Hailing ein Problem für das Klima sei.
Vor einem Jahrzehnt versprachen Uber und Lyft US-amerikanischen and anderen Städten eine rosige Zukunft für das Klima: Durch die Reduzierung von Pkw-Fahrten könnten Uber & Co. sowohl den Verkehr erleichtern als auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel stärken. In mehreren Studien zeigte sich aber bald, dass das Gegenteil der Fall war. Eine Vielzahl von Studien (vor-Corona) ermittelte einen Zusammenhang zwischen dem Wachstum dieser Dienste und einer starken Steigerung des Verkehrsaufkommens bei sinkenden Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen.
Nun beziffert eine neue Studie der Carnegie Mellon University die externen (gesellschaftlichen) Kosten, die beim Umstieg vom Pkw auf einen Mietwagen einer „Transport Network Company (TNC)” wie Uber und Lyft entstehen: durchschnittlich etwa 35 US-Cent (ca. 30 Euro-Cent) pro Fahrt. Selbst eine vollständig elektrifizierte Flotte von Ride-Hailing-Autos mildert die zusätzlichen Kosten, die sie – im Vergleich zum Autofahren – dem Gemeinwesen verursacht, möglicherweise nicht vollständig ab. „Selbst wenn Sie die Fahrzeuge komplett emissionsfrei machen, wird es das Problem des zusätzlichen Fahrens immer noch nicht lösen, und es treten zusätzliche gesellschaftlichen Kosten auf,” sagte Jeremy J. Michalek, einer der Studienautoren und Professor für Ingenieurwissenschaften und öffentliche Ordnung an der Carnegie Mellon University.
Externe Kosten sind in der Ökonomie die Kosten oder Vorteile eines bestimmten Gutes, die von der Allgemeinheit getragen werden und nicht – wie die internen Kosten – vom Verursacher oder Nutzer/Käufer, und die im Allgemeinen nicht im Preis des Gutes berücksichtigt werden. In Deutschland deckt der private Pkw-Verkehr seine internen Kosten zu weit über 100 Prozent, die externen Kosten jedoch nicht. Zu ihnen zählen auch Folgekosten von Unfällen wie etwa die Behandlungskosten von Verletzten.
Um die Rolle zu bestimmen, die Ride-Hailing bei der Erzeugung dieser oft versteckten Effekte spielt, simulierten Michalek und seine Co-Autoren, in sechs US-Städten 100.000 private Pkw-Fahrten durch Mietwagen-Fahrten zu ersetzen, indem sie öffentlich verfügbare Ride-Hailing-Daten aus New York City, Austin, Chicago und Kalifornien in Anspruch nahmen. Durch eine Überprüfung anderer Studien, die die externen Effekte des Autofahrens im Allgemeinen wie lokale Luftverschmutzung, Treibhausgasemissionen und Verkehrstote quantifiziert haben, haben sie die Dollarbeträge angenähert, die die Gesellschaft spart oder ausgibt, wenn Reisende Uber oder Lyft ihrem eigenen Auto vorziehen.
Was zunächst für die Mietwagen spricht: Startet ein Verbrennungsmotor kalt, setzt er mehr Feinstaub und andere Schadstoffe frei als ein warmer Motor, weil sein Katalysator noch nicht effizient arbeitet. Da Ride-Hailing-Fahrzeuge häufiger als Pkw im Einsatz sind, reduzieren ihre Fahrten die mit der Zündung verbundenen Luftschadstoffe. Dies führte – neben der Tatsache, dass Mietwagen im Durchschnitt neuer und emissionsärmer sind als Pkw – dazu, dass die simulierte TNC-Verschiebung eine Reduzierung der lokalen Luftverschmutzungskosten um 50 bis 60 Prozent bewirkte.
Dieser Vorteil wurde jedoch durch die negativen Auswirkungen des „Deadheading”, also dem oft ziellosen Herumfahren von Mietwagen zwischen den Aufträgen, zunichte gemacht. Ein Bericht von Uber und Lyft aus dem Jahr 2019 zeigte, dass etwa 40 von 100 Mietwagenkilometern in sechs US-Städten auf diese Leerfahrten entfallen. Die Forscher von Carnegie Mellon fanden heraus, dass die zusätzliche Fahrzeugfahrt durch TNC-Deadheading den Kraftstoffverbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen um etwa 20 Prozent erhöhte und die sozialen Kosten im Zusammenhang mit Staus, Unfällen und Lärm um 60 Prozent in die Höhe trieb. Alles in allem erhöhte der Wechsel von einem privaten Pkw zum Mietwagen die externen Nettokosten um 30 bis 35 Prozent oder etwa 0,30 Euo pro Fahrt.
„Nur indem Sie vermeiden, Ihr persönliches Fahrzeug zu starten, vermeiden Sie einige Luftschadstoffe, wenn Sie eine Mietwagenfahrt machen“, sagte Michalek. „Aber das reicht nicht aus, um all die Fahrten zu und von den Fahrgästen auszugleichen, die dieses TNC-Fahrzeug macht.“
Die Kosten für die Gesellschaft verdreifachten sich, als die Verlagerung vom ÖPNV auf ein TNC-Fahrzeug erfolgte, fanden die Forscher heraus. Diese Auswirkungen stehen im Einklang mit den Ergebnissen früherer Studien über die Auswirkungen von Ride-Hailing auf Verkehrsstaus und Todesfälle. Überraschender ist, dass die externen Kosten für Ride-Hailing nur von 33 auf 17 Prozent sanken, als Michalek und seine Mitarbeiter eine Flotte von 100 Prozent emissionsfreien TNC-Fahrzeugen simulierten, die über ein kohlenstofffreies Stromnetz aufgeladen wurden.
Mit anderen Worten: Sogar eine vollständig elektrifizierte Ride-Hailing-Branche, wie Uber und Lyft sie bis 2030 versprochen haben, würde nicht ausreichen, um die Staus und Todesfälle durch die zusätzlichen TNC-Kilometer auszugleichen. Die einzige Möglichkeit, diesen Effekten entgegenzuwirken, war das Teilen von Fahrten, fanden die Forscher heraus: Wenn eine einzelne Fahrt gebündelt würde, könnte sie niedrigere externe Kosten haben als ein privates Auto. Dies ist aber noch bei Weitem schlimmer, als mit dem ÖPNV zu fahren. Während der Corona-Krise wurden geteilte Fahrten zudem oft nicht angeboten, weil Fahrgäste am liebsten alleine fahren wollten.
Die Studie werfe die Frage auf, ob die Politik mehr tun sollte, um die Folgen von Ride-Hailing zu mildern – zum Beispiel durch eine entsprechende Preisgestaltung, sagte Studienautor Michalek. Es kann jedoch schwierig sein, nur bestimmte Arten von Pkw-Fahrten zu besteuern, wenn alle Pkw-Fahrten die Gesellschaft etwas kosten, für das die Fahrer derzeit nicht bezahlen. „Was die Ökonomen gerne tun würden, ist, die externen Kosten aller Verkehrsmittel, einschließlich des Nahverkehrs, des persönlichen Autos und der TNCs, zu schätzen und diese dann zu ihren Kosten hinzuzurechnen“, sagte Michalek. „Aber wenn dies nicht der Fall ist, scheint es gerechtfertigt zu sein, die Bündelung zu fördern und die Konkurrenz mit dem ÖPNV zu verhindern.“
Die Stadt Chicago erhebt deswegen jetzt eine zusätzliche Gebühr für TNC-Fahrten, die in die Innenstadt führen, gewährt aber Rabatt, wenn sie gebündelt werden. New York City arbeitet an der Einführung von Staugebühren in Manhattan.
Gregory Erhardt, Professor für Ingenieurwissenschaften an der University of Kentucky, der die Auswirkungen von Ride-Hailing auf den öffentlichen Nahverkehr untersucht hat, lobte in Citylab die neue Forschung und stimmte zu, dass Städte mehr tun sollten, um die negativen Auswirkungen der Mietwagenbranche zu mildern und gleichzeitig die positiven (erweiterte Beförderung nachts und die Reduzierung von Fahrten unter Alkoholeinfluss) zu erhöhen. „Wir müssen hier wirklich über Anreizstrukturen nachdenken, um zu versuchen, einen gewissen Nutzen daraus zu ziehen, wo wir können.“ wf
Beitragsfoto: Uber