Die Stadt Hamburg und das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein führen die Reihe der Veröffentlichung ökonomischer Kennzahlen für das Taxigewerbe fort und haben die im Detail besonders spannenden Zahlen für das erste Corona-Jahr 2020 veröffentlicht. Das wichtigste Ergebnis ist aber der Rückgang an Taxifahrten um knapp 7,5 Prozent schon vor der Pandemie.
Seit knapp 20 Jahren erhebt und veröffentlicht die Stadt Hamburg die Ergebnisse ihrer statistischen Erhebungen aus den sogenannten Fiskaltaxametern ihrer knapp 3.200 konzessionierten Taxis. Nun hat die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende der Hansestadt Hamburg gemeinsam mit dem Statistikamt Nord die Zahlen 2017-2020 zur wirtschaftlichen Lage des Hamburger Taxengewerbes als PDF-Datei veröffentlicht und gleichzeitig erneut auch in einem sogenannten Dashboard komprimiert. Die Wertebasis wird seit 2017 auf Basis von Stichproben berechnet, was die Auswertung der Zahlen erheblich beschleunigt, parallel allerdings auch die Vergleichbarkeit mit den älteren Erhebungen erschwert.
Eine Neuerung seit dem Erhebungsjahr 2017 ist, dass nun auch die wirtschaftlichen Jahresergebnisse der Unternehmen (Betriebsergebnisse vor Steuer) aus den Jahresabschlüssen und BWAs ausgewertet werden und ebenfalls im Dashboard zu finden sind. Allerdings weist Dirk Ritter für die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende in der Einleitung zur aktuellen Veröffentlichung darauf hin, dass die diesbezüglichen Zahlen für das Jahr 2020 der Behörde noch nicht vorliegen und später in das Dashboard eingepflegt werden.
Dieses bundesweit absolut einmalige Zahlenwerk hilft nicht nur Taxiunternehmern, sondern auch vielen weiteren Protagonisten des Gewerbes, angefangen bei interessierten Taxifahrenden und endend zum einen bei Zoll und Finanzämtern und zum anderen auch vielen Genehmigungsbehörden anderer Bundesländer, bei einem besseren Verständnis der komplexen Materie.
Als vielleicht wichtigstes Ergebnis stellt die Behörde der Auswertung voran, dass die Gesamtanzahl der jährlichen Taxifahrten im Stadtstaat Hamburg schon vor den pandemiebedingten Auftragseinbrüchen von 12,22 Millionen Fahrten im Jahr 2017 auf 11,31 Millionen Fahrten im Jahr 2019 gesunken ist, also um knapp 7,5 Prozent. Im Pandemiejahr 2020 waren es dann 5,7 Millionen Fahrten, also ein weiterer Rückgang um knapp 50 Prozent. Frühestens im Jahr 2023 wird mit den 22er Zahlen wieder ein – dann hoffentlich pandemiefreies – Jahr zur Auswertung zur Verfügung stehen, welches eine Überprüfung der Weiterentwicklung dieser beunruhigenden Tendenz ermöglicht.
Ein wichtiger Faktor bei der Beurteilung der Ergebnisse ist wohl zunächst die Hamburg-spezifische Verteilung von Einwagen- zu Mehrwagenunternehmern in absoluten Zahlen. Auch wenn aktuell 1.784 Einzelunternehmen nur 302 Mehrwagenunternehmen gegenüberstehen, verteilen sich die Aufträge umgekehrt, denn nur jede vierte Fahrt wird von einem Einwagenunternehmen durchgeführt, alle anderen von Lohnempfängern. Und allein dieser Faktor lässt schon die Interpretation zu, dass die Hamburger offensichtlich über eine hohe Zentralenfixierung verfügen, was sich im Ergebnis in dem zum Bundesdurchschnitt leicht erhöhten Besetztanteil pro Schicht wiederfindet und durch die erhöhten Werte für Taxis von Mehrwagenunternehmern nochmals bestätigt. Die Stabilität dieses Wertes ist sowohl über die Jahre 2017 bis 2019 als auch saisonal interessant, denn er scheint vom Gewerbe ansonsten kaum beeinflussbar zu sein. Da eine aktive Hebung dieses Wertes aber von einigen Protagonisten als eine der wenigen Alternativen zu kommenden mindestlohnbedingten Tarifanhebungen formuliert wird, wird so die relative Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens zumindest für eine Stadt wie Hamburg deutlich.
Interessant ist auch der für Hamburg ermittelte Nettoumsatz pro Kilometer, der wiederum niedriger ausfällt, als er von einigen Protagonisten für andere große Städte angesetzt wird. Ob sich hier nur ablesen lässt, wie sich die flächenmäßige Auslastung der verschiedenen Städte ausgestaltet, oder ob noch weitere Faktoren eine Rolle spielen, bedarf ebenfalls einer erheblich genaueren Analyse. In jedem Fall erfordert es von Prüfenden eine sehr differenzierte Betrachtung, bevor eventuell darauf basierende Schätzungen angesetzt werden.
Dagegen zeigt der ermittelte Wert Nettoumsatz pro Arbeitsstunde, aufgeschlüsselt nach Einwagen- und Mehrwagenunternehmen (z. B. 20,20 € zu 24,02 € für 2019), deutlich den Mindestlohneffekt, der lohnempfangende Taxifahrende zu einer Mindestauslastung ihrer Arbeitszeit zwingt, während selbständige Taxler damit scheinbar etwas entspannter umgehen (können). Allerdings verbietet sich hier der Schluss, Mindestlohnerhöhungen mit einer Erhöhung des Anteils an Einwagenunternehmen zu begegnen, denn das wäre mehr als zynisch.
Der diesbezügliche Mittelwert für 2020 von 17,42 € pro Arbeitsstunde macht dagegen unmissverständlich klar, dass die Taxibranche ohne staatliche Hilfen auch über die Kurzarbeit hinaus nicht klarkommen konnte, denn dieser Wert zeigt nur die Ergebnisse derjenigen Taxis, die eben nicht pandemiebedingt in der Ecke standen.
Die weitere Bewertung der pandemiebelasteten Zahlen aus dem Jahr 2020 ist nur mit Vorsicht möglich. Ein Beispiel: Für das erste Pandemiejahr ließ sich in der Hansestadt knapp jedes sechste Taxi zeitweilig von der Betriebspflicht entbinden. Bei den Arbeitszeiten lässt sich ein ähnlicher Rückgang ablesen. In Relation zum oben beschriebenen Auftragsrückgang um ca. 50 Prozent erscheint der Rückgang des Nettoumsatzes pro Arbeitsstunde um nur 25 Prozent in dieser Zeit überraschend moderat. Hier ist noch eine erhebliche Vertiefung in das Zahlenwerk notwendig, bevor sich auch der statistische Laie eine abschließende Beurteilung solcher Ergebnisse erlauben könnte. Daher wäre es wünschenswert, wenn gerade auch diejenigen, die versuchen (müssen), solche Untersuchungen auf einfache Ergebnisse herrunterzubrechen, diese Vorsicht ebenfalls an den Tag legen.
Schon im letzten Jahr kündigte Dirk Ritter im Übrigen auch die Auswertung des Hamburger E-Taxen-Projekts an, um dieser ökonomischen Auswertung auch eine ökologische Komponente hinzuzufügen. Man darf also gespannt darauf warten, ob die Nutzung von E-Taxis sich augenfällig von denen karbonisierter Taxis unterscheidet, entweder auf Basis des Kundenverhaltens oder auch auf Basis der technischen Einschränkungen durch Reichweite oder Ladezeiten.
Spannend bleibt die Frage, ob und ggf. wann auch andere Städte solche Zahlen wie die Hamburger veröffentlichen, denn der Vergleich zwischen Stadt, Land, Großstadt oder auch regionaler Unterschiede würde den Wert solcher Untersuchungen nochmals aufwerten. Zunächst sollte die Branche aber den engagierten Protagonisten in der Hansestadt Hamburg dankbar sein, da erst deren langjähriges Engagement dem Gewerbe die belastbaren Zahlen geliefert hat, ohne die es heute in der Diskussion mit Politik und Verwaltung wohl kaum noch Gehör fände. rw
Beitragsbild: Witte
Insgesamt guter Artikel jedoch mit einem sehr unschönen und erheblichen Fehlschluß.
Das unterschiedliche Ergebnis je „Arbeitsstunde“ ist nicht etwa durch mehr „Fleiß“ seitens der angestellten Fahrer zu erklären, sondern schlicht durch die „passive Pause“ der Taxameter.
Während EWU keinen Grund haben, eine derartige Fuktion im Taxmeter zu aktivieren, sind MWU darauf angewiesen, die Bereithaltungszeiten an den Posten als „Pausen zu deklarieren, um den Mindestlohn auf dem Papier und nur dort, überhaupt darstellen zu können. Ein Abgleich mit den Anmeldezeiten beim Funk oder FreeNow wäre für viele MWU tödlich.
Leider war dieses Verhalten nicht gerade von Weitblick gekennzeichnet, denn die daraus resultierenden hohen Umsätze je Arbeitsstunde und eben nicht je Schichtstunde, fallen uns jetzt bei der kommenden Tariferhöhung auf die Füße, denn mit über 24 Euro Umsatz kann man auch 12 Euro die Stunde locker bezahlen .
Hingegen zeigten viele EWU ein völlig anderes Arbeitsverhalten, was allerdings angestellten Fahrern garnicht möglich ist. Viele EWU fuhren nämlich nur zu bestimmten Stoßzeiten (Dialyse, Bestrahlung, Therapie) raus und verschwanden anschließend wieder.
So entstand gerade bei den kleinen Stadtrandzentralen ein hohes Konfliktpotenzial darüber, wer die Nebenzeiten unbezahlt abdeckt, dafür aber zu den Hauptzeiten die Magerkost mit den Kollegen teilen muß.
Der Hinweis auf den Zoll ist durchaus richtig. Es fehlt allerdings das Amt für Arbeitsschutz (Mindestlohn und Fahrpersonalgesetz). Obwohl eigentlich eine Bundesbehörde läßt sie sich zähneknirschend von Herrn Ritter, der deshalb wortwörtlich bei einigen MWU Gottgleiche Verehrung erfährt, bis dato jedenfalls an die Kette legen. Schaut man in die Vergangenheit und bedenkt, daß ja Herr Ritter nach jenem Erdbeben 2003/2004 mit dem Taxibetrieb S. und genau deshalb auf seine Position kam, halte ich das für keine sooo gute Idee. Denn anstatt in aller Stille dankbar zu sein und den Ball flach zu halten, gibt es derzeit wieder einen bestimmten MWU der sich offenbar für unangreifbar hält und immer unverschämten auftritt. Auch Unternehmer S. wollte damals in der Gewerbepolitik mitmischen, kandidierte sogar für den Vorstand des LHT, wurde zu Beginn jener Versammlung mit Umarmung und Küsschen von Anne Taraske begrüßt und tanzte der Behörde, aus welcher er ja gedeckt wurde, immer dummdreister auf der Nase rum.
Derzeit genießen solche Gestalten wieder Artenschutz.
Sollte sich das eines Tages ändern, sind diese Zahlen in der Tat für alle relevanten Behörden von Interesse.