„Freie Fahrt für freie Bürger“, diese Grundregel der Autobahn gilt noch immer, im Zweifel aber nicht auf der rechten Spur. Doch Rechtsüberholen gilt auch woanders als Todsünde. Wie lauten die Regeln und die Ausnahmen doch gleich genau?
Während es vor allem auf der anderen Seite des Atlantiks völlig normal ist, sowohl rechts als auch links an einander vorbeizugleiten, gilt das Rechtsüberholen bei uns, im Mutterland der Autobahn, nach wie vor als Todsünde. Auch im übrigen Verkehrsraum ist das Rechtsüberholen hierzulande strengstens verboten, und es drohen schnell Bußgeld und Punkte.
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt vor, dass in Deutschland immer links überholt werden muss, sowohl auf der Autobahn als auch im übrigen Verkehrsraum. Wer trotzdem rechts überholt, muss mit einem Bußgeld von 100 Euro und einem Punkt in Flensburg rechnen. Wird jemand dabei gefährdet oder kommt es zum Unfall, dann erhöht sich das Bußgeld. Daher sollte man gerade als Vielfahrer*in die Regeln und Ausnahmen gut kennen.
Die erste Frage lautet daher: Wie definiert sich ein Überholvorgang? Das Überholen erfordert nicht zwingend einen Aus- und Einscherprozess. Ein Überholvorgang liegt auch dann vor, wenn sich ein Autofahrer, beispielsweise auf der Autobahn, langfristig auf der linken Spur fortbewegt und an rechts von ihm fahrenden Autos vorbeifährt. Beim Überholen kommt es also lediglich auf das Einholen und Vorbeifahren an einem anderen Fahrzeug an. Unter Rechtsüberholen versteht man somit auch, wenn ein Verkehrsteilnehmer beispielsweise auf einer Autobahn ständig das Rechtsfahrgebot einhält, jedoch schneller unterwegs ist als die Fahrzeuge auf der linken Spur und diese daher auf Dauer passiert.
Die zweite Frage lautet somit: Welche Ausnahmen gibt es vom Rechtsfahrgebot, denn daraus definiert sich auch, wann man andere Fahrzeuge rechts passieren darf. Innerorts ist das Rechtsüberholen gestattet, wenn sich ein anderer Fahrer auf der linken Abbiegespur einordnet und dies durch Blinken signalisiert hat und lediglich noch abwartet, bis es ihm möglich ist, abzubiegen.
Außerdem darf man rechts schneller fahren als links, wenn innerorts mehrere Fahrspuren Markierungen in eine Richtung besitzen. Allerdings darf das eigene Fahrzeug in diesem Fall nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen. Wird der Verkehr innerorts durch Ampeln geregelt, so ist beim Rechtsüberholen im Ampelbereich ebenfalls keine Strafe vorgesehen. Das gilt unabhängig davon, ob verschiedene Spurrichtungen vorhanden sind oder nicht. Schienenfahrzeuge dürfen dagegen innerhalb geschlossener Ortschaften ausschließlich rechts überholt werden. Davon darf nur dann abgewichen werden, wenn sich die Schienen so weit rechts befinden, dass dies nicht möglich ist – was etwa in Berlin zunehmend der Fall ist, da man von der Gefahr wegkommen möchte, dass Straßenbahnfahrgäste die Fahrbahn queren müssen.
Außerorts kommt es für mögliche Ausnahmen von der Regel auf die Verkehrsdichte und die Geschwindigkeit an. Fließt der Verkehr im Falle eines Staus so zäh, dass auf den für eine Richtung bestimmten Fahrspuren Fahrzeugschlangen entstanden sind, so darf man laut StVO rechts schneller fahren als links. Voraussetzung dafür ist, dass nebeneinander gefahren wird. Dazu kommt es dann, wenn der Verkehr einmal auf dem einen Fahrstreifen, dann wieder auf dem anderen etwas schneller fließt. In der StVO heißt es hierzu, dass dichter Verkehr nur vorliegt, wenn maximal mit 60 km/h gefahren wird. Will man also auf der Spur rechts daneben überholen, darf das Tempo höchstens 20 km/h über diesem Wert liegen. Nicht erlaubt ist dagegen das Umgehen eines Staus auf der Standspur. Wer zum schnelleren Vorankommen die Standspur nutzt, dem drohen ein Bußgeld von 75 Euro und ein Punkt.
Eine weitere Ausnahme bilden von einer Autobahn abgehende Fahrsteifen. Diese werden als eigenständige Straße betrachtet, wenn sie durch eine breite Linie vom anderen Teil der Autobahn abgetrennt sind. Wenn Sie auf dem rechten Teil auf der linken Spur fahren, befinden Sie sich auf der Überholspur und dürfen die rechte Spur der linken Autobahn rechts überholen.
Auch rechts neben einer gestrichelten, aber breiten Linie, also auf einem Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsstreifen, darf schneller gefahren werden als links daneben.
Natürlich gilt parallel auch das Rechtsfahrgebot in Deutschland. Permanentes Fahren auf der mittleren oder linken Spur ist verboten. Das Rechtsfahrgebot gilt dabei generell auch auf drei- oder mehrspurigen Autobahnen. Autofahrer dürfen nur dann davon abweichen, wenn die Verkehrsdichte dies rechtfertigt. Der mittlere Fahrstreifen darf daher durchgängig befahren werden, wenn rechts davon hin und wieder Fahrzeuge unterwegs sind, die überholt werden. Autofahrer, deren nächster Überholvorgang absehbar ist, müssen also nicht sofort zurück auf die rechte Spur. Erst wenn die rechte Spur vor dem nächsten Überholvorgang deutlich länger als 20 Sekunden befahren werden könnte, muss der Mittelspurnutzer wieder nach rechts wechseln.
Das Rechtsfahrgebot soll dazu beitragen, dass der vorhandene Verkehrsraum optimal genutzt wird und der Verkehr dadurch bestmöglich fließt. Der Alltag vor allem auf dreispurigen Autobahnen sieht aber bekanntlich – häufig subjektiv und manchmal auch objektiv – anders aus. Während häufig zahlreiche Autos auf der linken Spur um ein schnelles Vorankommen ringen, ist die rechte Spur oftmals verwaist. Ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot durch andere Verkehrsteilnehmer rechtfertigt allerdings nicht, diese dann rechts zu überholen. Wer die mittlere Spur zu Unrecht befährt und dadurch andere Autofahrer behindert, kann ebenfalls mit einem Bußgeld und einem Punkt bestraft werden. Diese Regelung kommt aber wohl nur sehr selten zur Anwendung.
Vielen Verkehrsteilnehmern ist übrigens nicht bewusst, dass die StVO Linksüberholer auf der Landstraße oder in der Stadt als vorfahrtberechtigt gegenüber einem Linksabbieger oder auch in Gegenrichtung einbiegendem Verkehr wertet. Somit hat also sowohl ein links blinkendes Fahrzeug vorm Abbiegen abzuwarten, bis ein überholendes Fahrzeug es passiert hat, und ein Rechtsabbieger muss sich auch nach rechts versichern, dass seine Fahrbahn frei ist und diese nicht gerade von einem überholenden Fahrzeug genutzt wird (Radfahrerblick). In beiden Fällen hätte der Überholende die Vorfahrt, wenn er denn links überholt. Passiert man einen Linksabbieger, der ohne Abbiegespur auf eine Lücke wartet dem entgegen rechts, dann ist man auch hier im Zweifel schnell ein Rechtsüberholer ohne Vorfahrtrecht. rw
Beitragsfoto: Axel Rühle