Not macht erfinderisch: In Tirol ist aus Corona-bedingter Auftragsflaute und dem Problem langer Leer-Rückfahrten eine Taxi-App entstanden, die Uber & Co. alt aussehen lässt, ohne mit großen Zentralen zu konkurrieren. Wie es dazu kam …
In Wintersportregionen steht und fällt nicht nur das Taxigewerbe mit den Urlaubern. Auch die Hoteliers, Restaurantbetreiber, Landwirte und weitere Gewerbetreibende sind sowohl vom Touristenstrom als auch voneinander abhängig, da sie alle in die Finanzierung der Wintersport-Industrie eingebunden sind. Da kann man parasitäre Konzerne, die für eine minimale und eigentlich überflüssige Dienstleistung einen großen Gewinn abschöpfen wollen, nicht gebrauchen.
Wo andere von profithungrigen Fahrtenvermittlern ausgesaugt werden, sind für die Hotelbetreiber aber eher Vermittler wie „booking.com“ das Problem. Doch auch Uber hat schon im Zillertal angeklopft, und am Flughafen Innsbruck treibt zur Skisaison manch unseriöser Fremdanbieter sein Unwesen. Man ist gewarnt – und hat sich etwas ausgedacht, um die Ski-Idylle vor den Pseudo-Taxi-Anbietern zu bewahren.
Direkt am Bahnhof Mayrhofen im Zillertal befindet sich das Büro von Taxi Kröll. Der 4.000-Einwohner-Ort im Süden des Tals ist die Endstation der gut frequentierten Zillertalbahn. Kröll ist hier ein Name wie Müller, gefühlt an jeder zweiten Ecke zu lesen – und auf 15 weißen und zwei schwarzen Taxis, fast ausschließlich Neunsitzer. Inhaber des Taxi- und Mietwagenbetriebs Kröll ist Markus Freund, zugleich Obmann der Tiroler Taxiinnung der Wirtschaftskammer. Er übernahm 2013 gemeinsam mit seiner Frau Michaela die 1943 von seinem Großvater Matthias Kröll gegründete Firma und eröffnete 2018 noch eine Filiale am Achensee mit Büro in Jenbach, dem Eingangstor zum Zillertal.
Freund erzählt, das Geschäft sei über lange Zeit jedes Jahr gewachsen. Auch im Sommer, früher eine deutlich weniger lukrative Jahreszeit, habe man das Geschäft ausbauen können, indem man sich gezielt auf Wanderer, Radfahrer und sogenannte Alpenüberquerer eingestellt habe. „Mit den Transalp-Routen hat sich das Sommergeschäft sensationell entwickelt. Das reicht vom Alleinreisenden bis zu organisierten Gruppen.“
Im Corona-Winter 2020/21 seien die Umsätze dann um 95 Prozent eingebrochen. Sämtliche Mitarbeiter mussten auf Kurzarbeit gesetzt werden. Die schlimmste Zeit sei erst jetzt einigermaßen überstanden, nachdem Anfang März 2022 die Sperrstunde aufgehoben wurde, doch habe das Geschäft sich bis heute nicht vollständig erholt, denn noch fehlen die größeren Veranstaltungen wie Zeltfeste und Musikkonzerte, zu denen häufig viel Publikum für ein ganzes Wochenende die Hotels gefüllt habe.
„Wir haben aber die Zeit genutzt, um den Betrieb und das Backoffice zu digitalisieren und haben mit ‚Taxisy’ ein Taxi-Startup gegründet.“ Wie andere Taxiunternehmer in vielen Ländern habe auch Freund während des Corona-Lockdowns nach neuen Geschäftsfeldern gesucht. Was in Großstädten kaum gelang, war im ländlichen Zillertal durchaus ein Geschäft: Aus den vermehrten Anfragen für Botenfahrten wurde ein umfassender Lieferservice auch für Privatkunden aufgebaut. Dafür ist aber nicht jeder bereit, die üblichen Taxipreise zu bezahlen. Gleichzeitig fallen in ländlichen Regionen viele Leerkilometer an, denn da Taxilenker auch hier nur in der Heimatgemeinde laden dürfen, folgen auf Überlandfahrten von A nach B häufig ebenso lange Leerfahrten zurück von B nach A, falls B nicht gerade der Flughafen Innsbruck ist, an dem fast täglich Vorbestellungen anliegen.
Markus Freund setzt sich in der Tiroler Wirtschaftskammer seit Längerem dafür ein, Taxis in der Region gegenseitig die Fahrgastaufnahme in jeder Gemeinde zu erlauben, um teure Leerfahrten zu vermeiden und die Umwelt zu entlasten. Nur größere Städte und Tourismus-Hotspots müssen seiner Meinung nach wie bisher durch ein Beibehalten des Ladeverbots für auswärtige Taxis geschützt bleiben. Auf dem Land bringe so etwas eher Nachteile. Da der Amtsschimmel aber auch hier langsam galoppiert, haben Freund und sein Programmierer beide Probleme – Kosten durch Leerfahrten und hohe Taxipreise für Botenfahrten – miteinander koordiniert und eine digitale Lösung ins Leben gerufen: Der Bedarf an (nicht eiligen) Lieferfahrten und in der Firma anstehende Leerfahrten werden über das Online-Portal taxisy.eu miteinander abgeglichen, so dass auf der Rückfahrt von B nach A möglichst eine Botenfahrt zum günstigeren Preis ausgeführt wird. So bekommen Fahrer und Unternehmer die Rückfahrt teilweise vergütet, während der Kunde weniger bezahlt als bei einer regulären Taxibestellung.
Was mit Gütern funktioniert, geht auch mit Menschen, und so erweiterte Freund das Taxisy-System schon bald auf die Personenbeförderung. „Das ist eigentlich nichts anderes als das Prinzip von Uber, nur dass bei Taxisy nicht ein Konzern den Preis diktiert und eine hohe Vermittlungsprovision verlangt, sondern Unternehmer und Kunde handeln den Preis miteinander aus.“ Nimmt man damit nicht dem Taxibetrieb im Ort B die Kundschaft nach A weg? „Keineswegs. Erstens machen Betriebe aus allen Gemeinden mit, zweitens erschließen wir so einen weiteren Kundenkreis. Unsere Stammkunden bestellen weiterhin ein Taxi zum üblichen Preis, aber wer normalerweise mit Bus und Bahn fährt und es auch einmal bequem haben möchte, wartet auf ein günstiges Taxisy-Angebot.“ Das Motto auf taxisy.eu: „Jederzeit ein Taxi auf Abruf – Jetzt Taxi bestellen und Taxisy sucht für dich das günstigste Angebot!“
Damit nimmt man Anbietern wie Uber, Free Now und Bolt von vornherein die Vorteile eines potentiellen Geschäftsfeldes weg und hält das Geschäft im Taxigewerbe fest, wo es hingehört. Freund sieht das Problem Uber daher entspannt: „In Großstädten ist Uber natürlich ein Riesenproblem. Auf bundesweiten Sitzungen haben die Kollegen aus Wien oft kein anderes Thema. Uber versucht zwar auch in Tirol, einen Markt zu erschließen, aber schon mangels Flächendeckung wird Uber hier schwer Fuß fassen können. Viele Unternehmer, auch ich selbst, haben schon Post von Uber bekommen mit tollen Köderangeboten. Wir warnen aber alle vor einer möglichen Zusammenarbeit. Der Erfolg unseres Gegenmodells ist für uns deshalb doppelt erfreulich.“
Damit es für die Fahrer praktikabel ist, wurde eine Fahrer-App programmiert, während Kunden des Online-Portal zur Verfügung steht. Für Unternehmer und Fahrer ist die Vermittlung einfach aufgebaut. In den „FAQ“ der Taxisy-Website heißt es: „Sobald du im Unternehmer-Dashboard eingeloggt bist, werden die Anfragen automatisch an dein Dashboard gesendet. Du siehst eine Benachrichtigung (inklusive Ton), sobald eine Anfrage eingeht. Eine Aktualisierung der Seite ist nicht notwendig, solange du mit dem TAXISY-Server verbunden bist. Bist du nicht eingeloggt, erhältst du eine Push-Nachricht, sofern dein Browser geöffnet ist.“ Der Fahrer erhält sowohl Anfragen zur Personenbeförderung als auch Anfragen zu Botenfahrten. Je nach Zahlungsstatus kann er für eine Fahrt ein Angebot abgeben oder die Fahrt einfach annehmen.
Wie Markus Freund gegenüber Taxi Times erklärt, bedeutet dies durchaus einen gewissen Unterbietungswettbewerb, wie er in jedem Bereich normal ist, etwa wenn man sich aus mehreren Angeboten eine besonders günstige Handwerksfirma aussucht. Eine „Negativ-Versteigerung“ wie etwa bei Free Now oder deutschen Krankenkassen wollte er aber nicht einführen. Gibt ein Kunde im Online-Formular einen Auftrag ein, so können die angeschlossenen Unternehmer bzw. Fahrer innerhalb einer Minute ein Angebot abgeben. Der Kunde kann dann wählen, ob er beispielsweise das preisgünstigste aussucht, oder ob er einen Betrieb wählt, mit dem er bereits gute Erfahrung gemacht hat.
Zur Vernetzung der Taxi-Unternehmer ist der Taxisy-„Marketplace“ ins Leben gerufen worden. Hier können Fahrten bei Bedarf an andere Unternehmer weitergegeben werden, „um beispielsweise Ressourcenengpässe zu meistern“, wie auf der Website erläutert wird.
Für urbane Räume oder gar als Konkurrenz für große Funkzentralen taugt Taxisy nach Freunds Ansicht nicht, da die Vermittlungsart ganz klar auf ländliche Regionen ohne Tarifpflicht ausgelegt ist. ar
Beitragsfoto: Matthias Kröll gründete 1943 am Bahnhof Mayrhofen nicht nur einen Taxibetrieb. Im selben Gebäude befindet sich auch das nach ihm benannte Hotel. Beides betreibt heute sein Enkel Markus Freund mit seiner Familie. Foto: Axel Rühle