Vielerorts steht eine Erhöhung der Taxi-Tarife für den Mindestlohn auf 12 Euro an. Im Rahmen der Conference-Days des Huss-Verlags stellte Herwig Kollar als Präsident des BVTM unter dem Thema „wie entsteht ein Taxitarif?“ das Procedere vor, welches notwendigerweise für jede Taxitariferhöhung in der Republik durchlaufen werden muss und zeigte auf, worauf die Branche dabei achten sollte.
Ursprünglich angekündigt mit dem Thema Fachkundeprüfung für Taxifahrende stellte der ehemalige Taxiunternehmer (1977–1988) und heutiger Präsident des Bundesverbands Taxi und Mietwagen (BVTM) im Livestream der Conference-Days aus aktuellem Anlass stattdessen das komplexe Thema der Tariffindung im Taxigewerbe vor, so wie es vom Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vorgegeben wird. Gerade weil es dabei nicht so sehr um die aktuellen Zwänge durch Dieselpreis und Mindestlohn und damit um die Höhe von Tarifanpassungen ging sondern eher um das Procedere, konnte Kollar mit seiner juristischen Perspektive sicherlich zum grundsätzlichen Verständnis dieser Vorgänge beitragen.
Auf Basis der Tarifpflicht darf im Pflichtfahrgebiet eines Taxis gemäß PBefG bzw. BOKraft nichts anderes als der gültige Taxitarif abgerechnet werden. Daher obliegt es den örtlichen Genehmigungsbehörden, die diesen Auftrag von den zuständigen Landesbehörden erhalten, sowohl einen Tarif als auch das Pflichtfahrgebiet festzulegen. Kollar wies in diesem Zusammenhang auf den § 51, Absatz 4 des PBefG hin, wonach die ermächtigten Stellen im gegenseitigen Einvernehmen mit Nachbarlandkreisen einheitliche Beförderungsentgelte und Bedingungen vereinbaren können. Somit wäre es rechtlich sogar möglich, landesweit die so genannte „Subdelegation“ aufzuheben. Dies ist beispielsweise im Saarland geschehen. Dort gilt landesweit für alle Städte und Kreise derselbe Tarif.
So weit so klar, aber danach wird die Gesetzeslage schwammiger. Die diesbezüglichen Vorgaben im PBefG entstammen dem dortigen Paragraf 39, der allerdings zunächst nur für den Straßenbahnverkehr ausformuliert wurde. Entsprechend lassen sich die dort getroffenen Feststellungen wie beispielsweise eine notwendige ausreichende Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals nur sehr bedingt auf Unternehmen mit einem oder zwei Fahrzeugen übertragen, wie diese in der Taxibranche größtenteils üblich sind.
Eine zusätzliche Erschwernis ergibt sich, da im klassischen ÖPNV ein Tarifvorschlagsrecht der Betreiber gilt, die die Genehmigungsbehörden dann nur genehmigen müssen. Können diese Tarife in der Folge den ökonomischen Bedürfnisse der Betreiber nicht gerecht werden, stehen ihnen Ausgleichs- und Subventionsansprüche zu. Im Gelegenheitsverkehr mit Taxen ist dem entgegen die Genehmigungsbehörde allein verantwortlich für die Festlegung eines geeigneten Tarifs, mit welchem das Gewerbe klarkommen muss. Zusätzlich ist nirgendwo festgelegt, dass die Genehmigungsbehörden bei Bedarf Anpassungen der Tarife vornehmen müssen.
Daher ist es übliche Branchenpraxis, mit unverbindlichen Vorschlägen einen konkreten Anlass für ein Verfahren anzustoßen und diese durch Kalkulationsbeispiele und Umsatznachweise zu untermauern, meistenteils durch Unternehmer- oder Verkehrsverbände. Die Genehmigungsbehörden sind jedoch weder an eine Amtsermittlungspflicht für einen auskömmlichen Tarif noch zu einer Marktüberwachungspflicht verpflichtet sind. Folgende Probleme treten hier dann vielfach zutage:
– Selbstfahrende Unternehmer lassen sich nur sehr unscharf in eine Kosten- und Erlöskalkulation einpflegen.
– Die eigentliche unternehmerisch notwendige Triebfeder „Gewinn“ entzieht sich ebenfalls dem statischen Zugriff.
– Eine faktenbasierte Kalkulation orientiert sich immer an der Vergangenheit und lässt so keine Perspektive zu.
– vor Gericht Tarifvorgaben erzwingen zu wollen ist chancenlos, es läuft dem Prinzip der Gewaltenteilung zuwider.
Wird also kein Tarifgutachten seitens der Kommune in Auftrag gegeben, tun die Unternehmen gut daran, in sonst ja eher unüblicher Harmonie sehr sauber ihr Auftragsvolumen und dessen Ertrag zu analysieren und unternehmensübergreifend nachvollziehbare Vorschläge – immer exklusive Fernfahrten ausschließlich für das Pflichtfahrgebiet – zu erarbeiten.
Interessant war neben der klar juristisch geprägten Analyse des Themas die klare Anregung Kollars an die Unternehmergemeinschaft, selbstfahrende Unternehmer nicht zwangsläufig nur mit dem Mindestlohn pro Arbeitsstunde anzusetzen. „Gerade ein unternehmerisches Einkommen dürfe zumindest kalkulatorisch auch ruhig etwas darüber liegen“ stellte Kollar fest. „Unternehmer müssen mehr als den Mindestlohn pro Stunde verdienen“.
Weniger nachvollziehbar erscheint dementgegen sein Hinweis auf mögliche technische Probleme bei der Datenanalyse, denn diese sollten inzwischen in Zeiten der digitalen Einzelaufzeichnungspflicht doch eigentlich der Vergangenheit angehören.
Auch die Antwort auf eine Zuhörerfrage, wo geregelt werden könne, wann exakt eine Taxifahrt beginne, blieb eher vage, obwohl der Mindestlohn hier gerade bei Terminfahrten eine eindeutige Antwort einfordert. Die derzeitige Praxis, den Taxameter auch bei Vorbestellungen bei kundenbedingten Verspätungen erst beim Eintreffen der Kunden zu starten, mag zwar kundenfreundlich wirken, ist aber arbeitgeberseitig ein teures Minusgeschäft. Gerade Mehrwagenunternehmer benötigen hier rechtlich fundierte Handlungsvorgaben für ihre Mitarbeiter, die unentgeltliche Wartezeiten im Kundenauftrag nach Möglichkeit verhindern.
Zu guter Letzt machte Kollar verständlicherweise noch einmal etwas Werbung in eigner Sache und wies darauf hin, dass gerade die Landesverbände ihre Mitglieder gern bei ihren Tarifanträgen unterstützen würden und sich eine Verbandsmitgliedschaft also gerade in diesem Zusammenhang unbedingt lohne. Dieser Hinweis ist bestimmt nicht unberechtigt, denn tatsächlich wird die Branche nur mit Hilfe von Gewerbeverbänden seine Bedürfnisse hörbar machen können. rw
Beitragsfoto: Remmer Witte