Das Taxigewerbe verzeichnet wieder mehr Kunden, leidet aber unter steigenden Spritpreisen, zunehmender Konkurrenz und Neuwagen-Mangel – nicht nur in Europa.
In ganz Europa, den USA und Australien sieht sich die Taxibranche mit einem dramatischen Fahrermangel, steigenden Kraftstoffpreisen, einem zunehmenden Wettbewerb mit Partnern von Uber & Co. sowie Problemen bei der Flottenerneuerung aufgrund fehlender Teile von Zulieferern konfrontiert.
Bei der Nachhaltigkeit gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Ländern – insbesondere zwischen europäischen Staaten und den USA. Gleichzeitig steigt in einem scheinbar perfekten Sturm die Nachfrage nach Taxifahrten weltweit.
Zu diesem Fazit kamen die 14 (nicht ausschließlich europäischen) Unternehmer, die sich am 19. Mai virtuell bei der European Radio Taxi Association (ERTA) trafen. Deutschland war durch Hermann Waldner (Berlin, Taxi.eu) und Gregor Beiner (München, Taxi.eu) vertreten.
In Covid-Zeiten sind die internationalen Kontakte im Taxigewerbe ins Stocken geraten. Nach zwei Jahren Corona empfanden die Konferenzteilnehmer es als nützlich und angenehm, Kollegen von jenseits der Grenze zu treffen und zu sehen, wie das Gewerbe dort funktioniert. Der Erfahrungsaustausch war von Anfang an der Ansatz der informellen Taxigruppe ERTA, eine Initiative von Geoffrey Riesel, bis vor einigen Jahren Geschäftsführer der großen Londoner Zentrale „Radio Taxis”. Bis zur Corona-Zeit traf sich die ERTA-Gruppe regelmäßig einmal im Jahr persönlich. Das letzte Mal, dass sich die 40-köpfige Taxi-Gruppe „live“ traf, war 2019 im Taxi-Zentrum Berlin mit Taxi Berlin als Gastgeber. Diesmal meldeten sich Glasgow, Edinburgh, Wien, Berlin, München, Paris, Stockholm, Amsterdam, Łódź/Warschau, Toledo (USA) sowie Brisbane/Perth, Toowoomba und Redcliffe aus Australien und die Gett-App in Israel/London.
Black & White in Toledo: „Kein einziges E-Taxi“
Judith Potter von Black & White Transportation aus Toledo, Michigan, USA, zum ersten Mal dabei als Präsidentin der US-amerikanischen Taxi-, Mietwagen- und Limousinenorganisation Transportation Alliance, skizzierte, wie ihre Organisation in den Corona-Jahren jedes Jahr 12 Prozent ihrer Mitglieder verlor. Inzwischen hat sie 90 Prozent dieser Mitglieder zurückgewonnen.
Auch die Taxikunden in den USA haben ihren Weg zum Taxigewerbe zurückgefunden. Potters Unternehmen kann mit 130 bis 150 Taxis und Minibusse die steigende Nachfrage kaum noch bedienen. Auffällig ist, dass das Unternehmen über kein einziges E-Taxi verfügt. Das erklärt Potter aus fehlenden Anreizen und Subventionen, doppelt so teuren Fahrzeugen und fehlender Infrastruktur: „E-Fahrzeuge sind für uns nicht rentabel. Außerdem ist meine nächste Ladestation etwa 20 km entfernt.“
Polen: Ukrainische Flüchtlinge
Was innerhalb der ERTA-Gruppe immer auffällt, sind die oft starken Kontraste – wie zum Beispiel zwischen Toledo und Łódź/Warschau in Polen. In den letzten Monaten waren lokale Taxiunternehmen viel damit beschäftigt, ukrainische Flüchtlinge von der Grenze zu Aufnahmeorten in Polen zu transportieren, erklärt Mariusz Bedyniak (Taxi 800 400 400 in Łódź und Warschau). Viele Flüchtlinge kehren jetzt in ihr Heimatland zurück. „Der Krieg hat bei uns die Inflation in die Höhe getrieben. Insbesondere die Treibstoffpreise sind rasch angestiegen. Wir zahlen jetzt 40 Prozent mehr für einen Liter Benzin. Die Taxipreise wurden aber nur um 14 bis 20 Prozent erhöht.“
Den Fahrermangel nennt Bedyniak „katastrophal“. „Es ist sehr schwierig, junge Fahrer zu gewinnen, während ältere Fahrer zunehmend aufgeben und sich andere Arbeit suchen. Und das, obwohl die Bestellungen sich häufen, vor allem von Ukrainern, die gerne Taxi fahren – und trotz der harten Konkurrenz mit Uber und Free Now, die neue Kunden teilweise einen Monat umsonst fahren lassen. Rabatte von 70 Prozent sind bei denen sogar üblich.”
Die polnischen Taxiunternehmen versuchen, die Kosten so weit wie möglich zu senken. Als Beispiel: drei Taxiunternehmen in der drittgrößten polnischen Stadt Łódź haben sich zusammengeschlossen und arbeiten jetzt über ein Buchungszentrum.
Auch die Gett-App, die in London und in Israel funktioniert, verzeichnet eine stark gestiegene Nachfrage, vor allem im Business-to-Business (B2B)-Bereich. „Die Zahlen sind zur Normalität zurückgekehrt,” sagt Guy Gaash, „Wichtig ist, immer und gerade jetzt die Qualität und Zuverlässigkeit im Auge zu behalten.” Gett hat inzwischen sein Geschäft in Russland aufgegeben.
Konkurrenz? „Die haben auch keine Fahrer”
„Viele Fahrzeuge, keine Fahrer“, war der Seufzer aus Glasgow und Edinburgh. Robert MacLeanan (Glasgow Taxis): „Wir sind bei den Aufträgen wieder auf dem Niveau von 2019, aber wir haben keine Fahrer. Dabei macht uns nicht einmal Konkurrenz das Leben schwer, denn die hat auch keine Fahrer. Nicht einmal Uber hat Fahrer. Die Kunden geben auf und weichen auf den Linienverkehr aus, vor allem abends und nachts. Nachtfahrer gibt es gar nicht mehr.“ Drei Mietwagenfirmen in Glasgow haben sich zusammengeschlossen und erheben eine Buchungsgebühr pro Fahrt. „Das macht sie teurer und weniger attraktiv als Taxis. Nach unseren Berechnungen bringt ihnen diese Gebühr mindestens eine Million pro Jahr ein.”
Schweden: Ein neues Taxi bedeutet 12-14 Monate Wartezeit
„Das Taxigeschäft läuft sehr gut“, hieß es bei Anastasios Evengelou von Taxi Stockholm, der größten Taxizentrale der schwedischen Hauptstadt, ungeachtet der Tatsache, dass es auch dort an Fahrern für die Taxis mangelt. Viele Nachtfahrer haben aufgehört. Etwa 2.000 Fahrer haben ihre Anmeldung im Buchungssystem der Zentrale stornieren lassen. „Aktuell sind wir nach einem Einbruch von 750 Fahrern wieder bei 1.450 – immer noch ein Verlust von 300. Die Fahrer verdienen aber mehr Geld im Vergleich zu 2019. Nicht die Konkurrenz ist das Problem. Der Fahrermangel macht uns richtig zu schaffen. Abends können wir den Flughafen Arlanda für späte Flüge nicht mehr bedienen. Oft gibt es dort kein Taxi, und die Kunden müssen anderthalb Stunden warten. Dazu kommt noch, dass die Kraftstoffpreise um 30 bis 40 Prozent gestiegen sind, und (auf dem deregulierten Taximarkt) damit auch die Tarife. Hoffentlich ist der Krieg bald vorbei, denn auch Flottenerneuerung ist ein riesiges Problem: Eine Fahrzeugbestellung, die heute eingeht, wird erst mit 12 bis 14 Monaten Verspätung geliefert.”
Taxi-Zahl in Berlin sinkt
Gregor Beiner und Hermann Waldner, die Taxi.eu (65.000 Taxis in 10 europäischen Ländern) und das Taxigewerbe in München und Berlin vertraten, wiederholten, was schon die anderen Kollegen bemängelt hatten: Die Kunden seien zwar zum größten Teil zurückgekehrt, dennoch ist das Gewerbe von den Lockdowns schwer getroffen worden. Ebenso hart sei die Konkurrenz durch Uber, Free Now und Bolt.
Berlin sei in der deutschen Landschaft eine Ausnahme, meinte Waldner. Obwohl 80 bis 90 Prozent des Geschäftes wieder da seien, habe die Haupstadt weniger Taxis als vorher. 8.300 waren es Ende 2019, heute sind es noch 5.800 – ein Rückgang von über 30 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der Mietwagen stark an. „Eine sehr negative Entwicklung, die die Existenz des Gewerbes in Berlin bedroht.”
E-Taxis in Oslo, Hamburg und Paris
Die Konkurrenz durch Uber & Co. macht nicht nur dem Berliner Gewerbe zu schaffen. Waldner begrüßte die Schritte, die die EU-Kommission unternimmt, um die Plattformen Europaweit besser zu regulieren. Auch der Einsatz von E-Taxis müsse von den Städten gefördert werden – wie in Oslo und im Hamburger Vorzeigeprojekt „Zukunftstaxi”, wo E-Taxis am Flughafen priorisiert werden und im einem halben Jahr 160 E-Taxis hinzu kamen – mit verschiedenen Ladelösungen.
Auch in Paris steigt die Nachfrage, so Armand Joseph Oudin der „Taxis G7” mit rund 9.500 Fahrern, und auch hier fehlen Fahrer und steigen Spritpreise. Viele G7-Fahrer fahren Hybrid, weil Paris ab 2024 Dieselfahrzeuge ausgrenzt. Gleichzeitig leiden auch die französischen Kollegen unter Pkw-Lieferproblemen. Der Wettbewerb mit Uber und anderen Apps bleibt unverändert stark, obwohl G7 meint, dass die Apps den Beförderungsmarkt auch erweitert haben. Die „Plattform-Beschäftigungsfrage“ aber bleibt in Frankreich ungeklärt: Uber-Fahrer sind (noch) keine Angestellten.
Gleiche Wettbewerbsbedingungen in Amsterdam
Hedy Borreman (TCA Amsterdam) bestätigt „dass das Geschäft fast wieder normal läuft, wobei es einen riesigen Fahrermangel gibt.” Das hat auch einen anderen Grund: In den ruhigen Zeiten bevorzugen die TCA-Fahrer Uber und Bolt, und seien gerne bereit, TCA-Fahrten nehmen, „wenn sie etwas extra auf den Taximeterpreis kriegen würden.” TCA führt ihre Art von „surge pricing“ nur auf ihrer App durch, ansonsten gilt im Taxi der Taxameterpreis. Rabatt gibt es auch nur mit der App, wobei Fahrten zum Flughafen Schiphol einen Spezialpreis haben.
Amsterdam will Taxis und Plattformen Anfang 2023 neu organisieren, mit gleichen Wettbewerbsbedingungen, und die typischen Taxistand-Taxen fernhalten vom Zentrum, wo sie die meisten Kunden finden.
Ab 2025 müssen alle Taxis in Amsterdam emissionsfrei sein. Da bereits seit 2017 in E-Taxis investiert wird, hat die Stadt ausreichend Lademöglichkeiten. Die meisten E-Taxis in der Stadt schaffen locker 400 km.
„Menschen fanden Bezahlen im Taxi unangenehm“
Gregg Webb ist mit Black & White Cabs, 2.000 Taxis und 4.500 Fahrer in vier Bundesstaaten Australiens aktiv. Sowohl die Zahl von Fahrzeugen als auch die der Fahrer ist stark zurückgegangen. In vielen Bundesstaaten wurde die Taxi- und Plattformregulierung vereinfacht, was die Konkurrenz mit Uber & Co. verschärfte. Oder, wie Webb es formuliert: „Das Monster Uber ist exponentiell gewachsen. Die Regierung ließ die Taxis einfach fallen.” Für die Taxibranche gab es kein vergleichbares Wachstum. In drei Bundesstaaten ist die Deregulierung beendet, aber das Playing Field ist noch immer ungleich. Taxiunternehmer können in einigen Bundesstaaten jetzt von einem Rückkauf von Lizenzen profitieren. Mit der Förderung von E-Taxis geht es langsam voran, weil E-Taxis auch hier schlecht lieferbar sind.
Wenn es „Down Under“ eine Innovation im Taxigewerbe gegeben hat, ist es die Zahlungsinnovation, verursacht von den Plattformen. „Menschen fanden es unangenehm, am Ende der Fahrt mit dem Fahrer persönlich abzurechnen,” erklärt Webb. „Bei den Plattformen waren sie es gewohnt, über die App zu zahlen und auch Trinkgeld hinzuzufügen. Diese Zahlungsweise haben sich Taxiunternehmen nun auch angewöhnt.” wf
Beitragsfoto: ERTA-Videokonferenz, groß im Bild: Hedy Borreman von TCA Amsterdam