In Wien häufen sich seit über einem halben Jahr Fälle, in denen vermeintliche Uber- bzw. Taxifahrer Fahrgäste mit K.o.-Tropfen betäuben und ausrauben.
Seit Oktober letzten Jahres haben sich beim Landeskriminalamt Wien 22 Anzeigen gegen mutmaßlich falsche Taxi-Lenker wegen einer Reihe von Delikten mit ähnlichem Tatablauf angesammelt.
Die vermeintlichen Taxi- bzw. Uber-Fahrer in der österreichischen Bundeshauptstadt haben eine Masche entwickelt, nach der sie meist junge, alkoholisierte Fahrgäste berauben, deren Wahrnehmung bereits eingeschränkt ist. Der „Kurier“ berichtet etwa von einem Fall, in dem ein Mann Mitte 20 auf einer Party in der Innenstadt Alkohol in Maßen konsumiert hatte und sich dann von einem Uber-Auto nach Hause bringen ließ. Vom Fahrzeug aus schickte er noch eine Kurznachricht an seine Mutter, dass alles in Ordnung sei. Dann habe seine Erinnerung eine Lücke. Später sei ihm vom Lenker unter Todesdrohung seine kostbare Armbanduhr geraubt worden.
Die Fahrer verabreichen ihren Opfern, die sie in scheinbar freundliche Gespräche verwickeln, sogenannte K.o.-Tropfen, mit denen sie beispielsweise mitgeführte Getränke versetzen, die sie den Fahrgästen während der Fahrt anbieten. Wenige Minuten darauf setzen Bewusstsein und Erinnerung der Betroffenen aus. Wie der „Express“ berichtet, sind die in den letzten Monaten angezeigten Wiener Fälle Eigentumsdelikte. Die Fahrgäste konsumieren die vom Lenker angebotenen Kaugummis oder Getränke, werden bewusstlos und finden sich später in meist orientierungslosem Zustand an irgendeiner Straße ohne Geldbörse und Wertgegenstände wieder.
Mit K.o.-Tropfen werden Substanzen bezeichnet, die Personen betäuben, schläfrig oder bewusstlos machen und zum Teil in der Medizin legal eingesetzt werden, beispielsweise Flunitrazepam oder Gamma-Hydroxybuttersäure. Sie sind geruch- und nahezu geschmacklos und werden den Opfern häufig unbemerkt in Getränke gemischt – von Tätern, die sich an den wehrlosen Personen dann sexuell vergehen oder materiell bereichern.
Ein Problem ist die sehr schwierige Dosierung, da die Mittel auf jeden Menschen unterschiedlich stark wirken, was in Kombination mit anderen Drogen wie Alkohol oder Marihuana vollends uneinschätzbar wird. Werden die Substanzen nur gering dosiert, wirken sie zunächst oft euphorisierend, enthemmend und sexuell stimulierend. Werden sie hoch dosiert, führen sie zur Bewusstlosigkeit, und das oft für eine bis zu mehreren Stunden. Werden K.o.-Tropfen überdosiert, können sie zum Tod durch Atemlähmung führen.
Für die Polizei besteht ein Problem wiederum darin, dass solche Substanzen nur sechs bis zwölf Stunden nach der Einnahme im Körper nachweisbar sind – oft zu spät, wenn das verwirrte Opfer nicht umgehend nach dem Wiedererlangen des Bewusstseins die Polizei aufsucht. Das zweite große Problem für die Ermittler: Opfer können sich im Nachhinein meist an nichts erinnern. So kam es außer zu Todesfällen durch K.o.-Tropfen auch schon häufig zu Fällen, in denen überlebende Opfer nach einem Angriff mit einer solchen Substanz nicht wussten, was mit ihnen geschehen war, ob sie etwa sexuell missbraucht worden waren.
Im Sommer letzten Jahres sorgten ebenfalls in Wien Fälle für Aufsehen, in denen K.o.-Tropfen von Sexualstraftätern eingesetzt wurden, um ihre Opfer gefügig bis wehrlos zu machen. Meist geschah dies in Clubs oder Lokalen. Schalgzeilen machte damals der Fall einer 18-jährigen Schulabsolventin, die sich nach ihrer Abschlussfeier in der Nacht zum 17. Juni 2022 mit einem Auto eines „Beförderungs-Dienstleisters“ nach Hause fahren lassen wollte. Der Lenker bot der (vermutlich nicht nüchternen) jungen Frau einen „Energy-Drink“ an, nach dessen Einnahme sie nach eigener Erinnerung schläfrig wurde. Er fuhr dann mit ihr auf einen Parkplatz und zwang sie zu sexuellen Handlungen. Nach der Tat brachte er sie an ihre Wohnadresse, von wo aus sie die Polizei verständigte. Der Täter entkam unerkannt. Das Opfer konnte ihn aufgrund fehlender Erinnerung nicht beschreiben, obwohl es nicht zur Bewusstlosigkeit gekommen war.
Obwohl die junge Frau körperlich unversehrt blieb und nicht vergewaltigt worden war, wie es vielen anderen Opfern von K.o.-Tropfen-Angriffen widerfährt, schlug der Fall Wellen, denn gerade die individuelle Personenbeförderung wird unter anderem deshalb dem Linienverkehr vorgezogen, weil man sich sicher fühlen möchte – was sich in diesem Fall als fatale Fehlannahme entpuppt hatte. Eine solche Erfahrung verstärkt das Trauma von Betroffenen sexueller oder anderer brutaler Übergriffe häufig nochmals, und viele sind jahrelang oder ihr ganzes Leben durch die psychischen Folgen belastet. Die Boulevardpresse stellte einmal mehr die Frage in den Raum, ob Frauen sich noch sicher fühlen können. Am 7. Juli gelang es den fieberhaft ermittelnden Fahndern dann, den gesuchten Unbekannten auszuforschen, wie es im österreichischen Sprachgebrauch heißt, und festzunehmen. Er war 20 Jahre alt.
Auch in den aktuellen Fällen, in denen es nicht um Sexualdelikte, sondern um Raub geht, ermittelt das Landeskriminalamt auf Hochtouren, konnte den oder die Fahrer aber bislang nicht fassen. Die Fälle sollten eigentlich auch noch nicht öffentlich gemacht werden, doch hat eine betroffene Person sich an die Presse gewandt.
Bei der Wiener Taxi-Innung ist man entsprechend beunruhigt. „Ich bin entsetzt über diesen Vorfall und wir verurteilen das aufs Schärfste“, wird Taxi-Obmann Leopold Kautzner vom „Kurier“ zitiert. Er fordert zudem „klare strafrechtliche Konsequenzen, denn so jemand bringt eine ganze Branche in Verruf.“
Die aktuelle Masche wird allerdings nicht zum ersten Mal angewendet. Schon 2009 hatte die „Wiener Zeitung“ von mindestens zwei sehr ähnlichen Fällen mit einem Gesamtschaden von 8.000 Euro nebst Bankkarten berichtet.
Während inzwischen standardmäßig vor allem Mädchen und Frauen vor K.o.-Tropfen gewarnt und aufgefordert werden, ihre Getränke in Clubs oder auf Partys niemals unbeaufsichtigt stehen zu lassen, empfiehlt Taxi-Obmann Kautzner laut Kurier allen Taxi-Fahrgästen, auf die gesetzlichen Vorgaben und Merkmale eines vertrauenswürdigen Taxis zu achten: „Sollte Ihnen etwas seltsam vorkommen, empfehlen wir, unbedingt die Polizei zu verständigen.“ Bei Bestellung per App sei es wichtig, auf die Übereinstimmung des Kfz-Kennzeichens zu achten. Komme ein Taxi mit dem falschen Kennzeichen oder gar mit einem Kennzeichen ohne die Endung „TX“, solle der Passagier ein Foto des Nummernschilds machen und die Polizei informieren. Das sei auch dann noch möglich, wenn der Fahrgast bereits im Wagen sitze. Hier solle er auch auf den korrekten Fahrerausweis achten.
Betrachtet man allerdings, wie einfach es anscheinend für illegal arbeitende Fahrer ist, sich mit Hilfe gefälschter Papiere ein Fahrer-Konto bei digitalen Vermittlungsplattformen wie Uber zu verschaffen – Kontrollen in Berlin zeigen es von Zeit zu Zeit –, könnte eine Empfehlung an Fahrgäste auch lauten, seinen Wagen besser bei einer klassischen Taxizentrale zu bestellen, was nicht nur per App wie bei Uber & Co. möglich ist, sondern auch telefonisch. In beiden Fällen kann damit gerechnet werden, dass der Fahrer einmal persönlich bei der Zentrale registriert worden ist. Zudem berichtet das „Volksblatt“, alle Ausgeraubten seien nach Polizeiangaben gefragt worden, ob sie ein Taxi oder ein Uber-Fahrzeug bestellt hätten. „Allerdings ist den Ermittlern zufolge unklar, ob tatsächlich als Taxi- bzw. Uber-Autos gekennzeichnete Pkw Schauplätze der Überfälle waren.“ Ein Teil der Opfer habe berichtet, sie hätten über die Uber-App ein Fahrzeug bestellt, die Bestellung sei aber vom Lenker storniert worden. Kurze Zeit später seien sie dann aber von einem Fahrer angesprochen worden, ob sie auf ein Taxi warten. „Nicht sicher waren sich diese Passagiere, ob der Wagen überhaupt das entsprechende Schild auf dem Dach hatte.“
So gerät die Taxibranche durch die Verbrechen einiger weniger falscher Fahrer unter Generalverdacht. Besonders im Taxigewerbe hofft man daher auf einen schnellen Ermittlungserfolg durch das Landeskriminalamt. Eine Erleichterung für Fahrgäste erhofft man sich außerdem durch das bevorstehende Inkrafttreten der neuen Wiener Landesbetriebsordnung mit Einführung von QR-Codes für Taxis, die eine leichtere Überprüfbarkeit ermöglichen sollen. ar
Beitragsbild: Symbolfoto Axel Rühle
Wusst garnicht das es schon eine Berufsgruppe geworden ist „Uberfahrer“