Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit bezahlen Diskothekenbetreiber und das Verkehrsministerium betrunkenen Besuchern Taxifahrten nach Hause. Das senkt die Hemmschwelle zur Taxibenutzung, fördert aber auch den Rausch.
Nachdem die Zahl der Verkehrstoten in Italien immer weiter steigt, hat die italienische Regierung Ende Juni schärfere Regeln im Kampf gegen die Benutzung von Mobiltelefonen am Steuer sowie das Fahren unter Drogeneinfluss initiiert. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres starben bereits 759 Menschen an Wochenenden auf den Straßen Italiens, davon allein 35 am letzten Juli-Wochenende. Die Maßnahmen müssen noch vom Parlament verabschiedet werden. Um schnell eine spürbare Verbesserung zu erzielen, will Verkehrsminister Matteo Salvini mit einer unkonventionellen Idee die zunehmende Zahl tödlicher Verkehrsunfälle an Wochenenden reduzieren.
Seit Kurzem testet die Regierung deshalb eine Fördermaßnahme: die Bezuschussung von Taxifahrten, damit nicht mehr fahrtüchtige Personen nicht selbst Auto fahren. Das Neue dabei: Diejenigen, die am Alkoholkonsum verdienen, zahlen mit. Das Verkehrsministerium hat sich mit sechs der bekanntesten und beliebtesten Diskotheken des Landes darauf geeinigt, gemeinsam eine kostenlose Taxifahrt für diejenigen Gäste zur Verfügung zu stellen, die wegen ihres zu hohen Alkoholpegels nicht mehr Auto fahren können. Zu den Lokalen, die sich an der Initiative beteiligen, zählt auch der Touristenmagnet „Il Muretto“ in Jesolo bei Venedig.
Salvini vereinbarte mit dem Betreiber des Clubs die Einführung von Taxigutscheinen. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, werden die kostenlosen Taxifahrten für Disco-Besucher zunächst bis Mitte September getestet. „Diskotheken werden mit der Unterstützung des Verkehrsministeriums Geld für Taxis oder Shuttlebusse für diejenigen bereitstellen, die sich beim Verlassen des Lokals einem Alkoholtest unterziehen und den Grenzwert für das Lenken eines Fahrzeugs überschreiten.“ Der Gutschein, den die Besucher von den Diskotheken selbst zur Verfügung gestellt bekommen, wird also zum Teil vom Staat bezahlt, wobei die Höhe des Zuschusses nicht genannt wurde.
Für die Wirte dürfte sich die Förderung ebenso lohnen wie für die Kundschaft: Um den nötigen Pegel für die kostenlose Heimfahrt zu erreichen, werden die Gäste sicherlich fleißig konsumieren und den Teil der Taxikosten, den der Clubbetreiber trägt, vielfach in die Kassen bringen, gilt das Lokal doch nicht gerade als preisgünstig: Für ein großes Bier müssen über zehn Euro investiert werden. Da ist der Preis, den eine Taxifahrt ansonsten kosten würde, sicherlich deutlich vor Erreichen des Mindest-Promillewertes finanziert, auch wenn der in Italien für Privatpersonen bei 0,5 liegt.
Dass so der Alkoholkonsum junger Leute durch den Staat gefördert wird, stößt nicht auf ungeteilte Zustimmung. So kommentieren die „Standard“-Leser den Artikel zwar zum Teil zustimmend, es handele sich um eine sinnvolle Maßnahme, doch andere reagieren ablehnend, teils mit Sarkasmus, und bezeichnen die Förderung als reinen Anreiz für übermäßigen Alkoholkonsum. Gelobt wird eine Erhöhung der Sicherheit, auch für junge Frauen, die nicht mehr so oft darauf angewiesen seien, sich privat im Auto mitnehmen lassen zu müssen.
Einige Kritiker würden das Geld lieber in einem besseren Ausbau des Linienverkehrs oder einer personellen Stärkung der Polizei angelegt sehen, und die sinnvollere Maßnahme zur Verhinderung von Verkehrstoten sei eine Senkung des Alkoholkonsums. Ein Kommentator weist auf die Verantwortung der Wirte hin: „Wenn Sie ihre Kundschaft profitorientiert alkoholvergiften, dann müssen Sie für die Heimtransportkosten aufkommen. (Gutschein)“
Mittelfristig könnte in jedem Fall das Taxigewerbe profitieren, wie aus einem weiteren Leserkommentar hervorgeht: „Grundsätzlich keine schlechte Idee. Wenn man einen langfristigen Plan verfolgt. Man senkt erstmal die Hemmschwelle, in ein Taxi einzusteigen. Dann stellt man massig Taxis zur Verfügung und argumentiert: Na jetzt brauchen wir schon ein wenig Geld und man führt einen Gutschein (per smartPhone App) ein, welchen man bei der Getränkekonsumation ‚aufladen’ kann. Und so geht man Schritt für Schritt vor bis am Ende des Prozesses steht: Die Leute zahlen sich ihr Taxi selber. Einen langen Atem einen guten Plan und viel Geduld muss man da schon mitbringen.“
Italien ist ein trauriges Beispiel dafür, dass hohe Strafen alleine nicht vom Autofahren unter Alkoholeinfluss abschrecken. Nicht nur die Sanktionen bei Geschwindigkeitsverstößen und Falschparken sind dort wesentlich höher als in Deutschland. Wer dort mit über 0,5 bis 0,8 Promille am Steuer eines Autos oder Motorrads erwischt wird, zahlt laut www.bussgeldkatalog.org 545 bis 2.000 Euro, darüber wird es als Straftat gewertet. Nachts zwischen 22 und 7 Uhr sind Bußgelder in Italien pauschal um ein Drittel höher als am Tage. Ab 1,5 Promille kann das Fahrzeug von der Polizei beschlagnahmt und zwangsversteigert werden, falls der betrunkene Fahrer der Fahrzeughalter ist. Für Fahranfänger in der Probezeit und Berufskraftfahrer gilt wie in Deutschland absolutes Alkoholverbot am Steuer. ar
Anmerkung der Redaktion: Auch deutsche Behörden könnten über Fördermodelle unter Beteiligung der Gastwirte nachdenken, um mehrere Probleme auf einmal zu lösen. Ziel sollte es dabei neben einer Stärkung des Taxigewerbes als Teil der Daseinsvorsorge sein, die Kosten im Endeffekt denjenigen aufzuerlegen, die am Alkoholkonsum verdienen.
Beitragsbild: Symbolfoto Axel Rühle