Im Rahmen einer Infoveranstaltung für bayerische Genehmigungsbehörden hat der Rechtsanwalt Thomas Grätz die bisherigen Gutachten zum Paragraph 51a PBefG analysiert. Dabei kamen jene Bewertungen, die von Uber und Bolt in Auftrag gegeben wurden, besonders schlecht weg.
Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) im Jahr 2021 ist es den Kommunen bzw. deren Genehmigungsbehörden auch erlaubt, „tarifbezogene Regelungen, insbesondere Mindestentgelte für Mietwagen“ festzulegen (§ 51a PBefG, hier der Link zum Gesetzestext). Damit tun sich die Genehmigungsbehörden noch immer sehr schwer, unter anderem auch deshalb, weil der kurze Paragraph allerlei Interpretationsspielraum lässt. Als Orientierung könnten hier diverse Gutachten dienen, deren Inhalte allerdings sehr widersprüchlich sind.
Thomas Grätz, früherer Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi- und Mietwagen und mittlerweile als freier Berater unter anderem für den TMV und dessen angeschlossene Landesverbände tätig, hat sich daher sehr eingehend mit den mittlerweile fünf existierenden Gutachten zu den neu geschaffenen tarifbezogenen Regelungen auseinandergesetzt und seine persönlichen Einschätzungen im Rahmen einer Infoveranstaltung am 8. September 2023 präsentiert.
Grätz sprach von einer „Gutachtenflut“. Das erste Gutachten (Fresfields) wurde am 6. Dezember 2022 veröffentlicht, das letzte (Knauff) am 18. Mai. Das Erste wurde von Uber in Auftrag gegeben, das letzte vom Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM). Dazwischen lagen noch Gutachten im Auftrag von Bolt (Oppenländer), abermals BVTM (Zuck) sowie eine Bewertung, die von der Düsseldorfer Taxizentrale Rheintaxi initiiert worden war (Kleiner).
Grätz hob hervor, dass die Verfasser der Gutachten von Uber wie auch von Bolt von sehr großen und umsatzstarken Kanzleien erstellt worden sind und dass deren Interpretationen denn auch mehr den Interessen der Auftraggeber gefolgt seien. Die Kanzleigröße scheint aber keinen Rückschluss auf die Gutachtenqualität zu haben, denn Grätz arbeitete im Laufe seines Vortrags zahlreiche Defizite des Gutachtens heraus.
Besonders die Hauptthesen der beiden Gutachten widerlegte Grätz. Angefangen von der Interpretation, wonach die Preisbildungsfreiheit für Mietwagen zum Zweck des Ausgleichs struktureller Nachteile des Mietwagengewerbes bestehe über die Behauptung, dass Mietwagen und Taxi im öffentlichen Verkehrsinteresse funktionell ineinander greifen würden.
Ganz besonders deutlich widerlegte Grätz die Behauptung sowohl von Freshfield als auch von Oppenländer, dass ein Mindestentgelt für Mietwagen auf dem Taxitarifniveau oder darüber hinaus in der Wirkung einer Berufszulassungsschranke gleichkäme. Dies lasse sich nicht mit der 3-Stufen-Theorie zur Berufsfreiheit des Bundesverfassungsgerichts in Einklang bringen. Gemeint sind damit die bloße Regelung der Art und Weise der Berufsausübung (Stufe 1) und die subjektiven wie auch objektiven Einschränkungen der freien Berufswahl in Bezug auf Markteintritt bzw. Berufszulassung (Stufen 2 und 3).
Noch deutlicher als bei Freshfields widersprach Grätz dem Oppenländer-Gutachten. Deren These, wonach ein Level-Playing-Field bedeute, dass der „Verkehrsbereich in seiner Gesamtheit“ bedroht sein muss, sei ebenso falsch wie die Behauptung, dass sich die konkrete Begründungsnotwendigkeit bei § 13 IV PBefG auch auf den § 51a I übertragen lasse. Hinsichtlich der Ausführung im Oppenländer-Gutachten, dass Tarifregelungen einem Parlamentsvorbehalt unterliegen würden, unterstellte Grätz den beiden Autorinnen des Gutachtens sogar, dass sie den Gesetzestext nicht zuende gelesen hätten. „Die Taxitarifermächtigung wird nicht für Genehmigungsbehörden, sondern für Landesregierungen begründet“, stellte Grätz klar.
Aber auch bei einzelnen Punkten der beiden vom Taxigewerbe im Auftrag gegebenen Gutachten von Zuck und Kleiner meldete Grätz Bedenken an. Bei Zuck beispielsweise – wie Grätz auch als Kommentar des PBefG aktiv – widerspricht er der Ansicht des Anwaltskollegen, wonach das Preisniveau des Mindestentgelts für Mietwagen im Hinblick auf § 39 II den Taxitarif nicht unterschreiten dürfe.
Eingeschränkte Zustimmung bekommen das Zuck- wie auch das Kleiner-Gutachten von Grätz bei den Thesen, dass der Mindesttarif für Mietwagen auch höher als der Taxitarif sein könne und dass Behörden bei der Begründung für ein Mindestentgelt vorher feststellen sollten, ob es zur Verlagerung vom ÖPNV oder vom Taxi in den Mietwagen gekommen ist. Zuck ist hier der Meinung, dass eine indizielle Zunahme der Mietwagengenehmigungen (Konkurrenzierung) als Begründung für Mietwagenmindestentgelte ausreicht.
Die größte Übereinstimmung hat Rechtsanwalt Thomas Grätz bei dem Gutachten von Professor Knauff. Hier teilt er beispielsweise die Auffassung, dass eine Gefährdung des öffentlichen Verkehrsinteresses bereits dann besteht, wenn eine Schädigung eines der ÖPNV-Trägers droht, weil dann das Zusammenspiel der öffentlichen Verkehrsträger nicht mehr funktioniert. Auch die Einschätzung, dass ein Mindestentgelt bereits vor dem potenziellen Markteintritt von Uber & Co. festgelegt werden darf („Wehret den Anfängen“) ist berechtigt.
Im Anschluss an die Gutachterbewertung hat Grätz den knapp 50 zuhörenden Vertretern der Genehmigungsbehörden dann noch praktische Tipps für die Umsetzung des § 51a gegeben. Siehe dazu diese Meldung.
Aufgrund des hohen Interesses an dem Vortrag auch derjenigen Genehmigungsbehörden, die zum angesetzten Termin verhindert waren, hat der LV Bayern eine weitere Videokonferenz angesetzt. Sie soll am Freitag, 6. Oktober stattfinden. Interessenten können sich beim Verband unter [email protected] melden. Auch wenn sich der Verband aufgrund seines Wirkungskreises hauptsächlich an die bayerischen Genehmigungsbehörden wendet, sind Gäste aus anderen Bundesländern herzlich willkommen. Bei der Veranstaltung am 8. September war beispielsweise ein Vertreter einer Karlsruher Genehmigungsbehörden anwesend. jh
Das Beitragsfoto zeigt einen Auszug aus der Präsentation von Rechtsanwalt Thomas Grätz vom 8. September 2023.
Es fehlt in dem artikel inhaltlich, mir zumindest, was es eigentlich im Wesentlichen ist, wovor die landesregierungen/genehmigungsbehörden v.a. angst haben?? lediglich, dass „uber & co.“ es vielleicht mit einer klage versuchen (was sie natürlich tun werden)? was wären dann deren stichhaltige, ‚gefährliche‘ argumente? und warum hätte man soviel angst vor einem vielleicht verlorenen gerichtsprozess? man hätte es doch dann wenigstens versucht…
m.e. müsste ein mindesttarif festgelegt werden, der über (!) dem taxi-tarif liegt, denn die ursprüngliche intention des gesetzgebers war es nicht, mit „mietwagen“ einfach ‚taxis anderer art‘ zu regeln, oder gar ‚taxis‘, die durch hemmungslose ausbeutung der fahrer, die ‚anderen‘ taxis mit deren festgelegten tarifen und knappen gewinnmargen auch noch unterbieten, sondern – klar getrennte – chauffeur-dienste der gehobenen klasse. und so hat das vor dem markt-einbruch von uber & co auch problemlos jahrzehntelang funktioniert (und vor der „lobbyistischen“ einfluss-nahme auf ‚unsere‘ politiker… und behörden??).
à propos: außerdem müssten sowohl für taxis als auch für mietwagen tarife festgelegt werden, die, bei den realen durchschnittlichen umsätzen, und der realen bezahlung der fahrer in beiden sektoren nach prozenten vom umsatz (und zwar den üblichen, für den unternehmer tragbaren prozenten, d.h. um die 40% netto), eine entlohnung ergeben, die etwa auf mindestlohn-niveau liegt! denn in beiden gewerben wird, nüchtern betrachtet, so vermute ich schwer, nicht ein lohn pro stunde bezahlt (auch weil zu viele fahrer dann faulenzen würden), schon garnicht der volle mindestlohn. die prozente vom umsatz werden – so drängt sich mir nach detaillierten berechnungen auf – nur am ende mithilfe fingierter pausen so hingerechnet, dass ‚auf dem papier‘ ein mindestlohn pro stunde dabei herauskommt… (wer es ernsthaft wissen will, also sich keine frommen illusionen machen, der frage sich einmal, wie ein taxi-unternehmer bei derzeit – immerhhin! – ca. knapp 20,- durchschnittlichem umsatz pro stunde (fiskaltaxameterdaten von heute) lohnkosten von z.z. 15,-, ab 2025 ca. 16,- euro [12,- * 1,25 für arbeitgeberanteil] soll bezahlen können, und dabei selbst überleben, er persönlich und seine verwaltung…?! wovon soll da bitte der diesel, die investitionen, instandhaltung, und all die anderen kosten [gebühren, steuern, verwaltungsgehälter, …] bezahlt werden?) schönen gruß! h.w.