Wer noch nach einem Stück Unterhaltung zum Jahreswechsel sucht, kann sich einen spannenden und zugleich herzerwärmenden Fernsehkrimi mit einem Taxifahrer in der Hauptrolle ansehen.
Normalerweise sind Krimis, in denen der Zuschauer mehr weiß als die Polizei, etwas langweilig, doch in dieser „Tatort“-Folge ist das anders: Man weiß zwar schnell, wer den Unfall gebaut und Fahrerflucht begangen hat (ein vorbestrafter Bordellbetreiber mit stadtbekanntem Zuhälter-Auto) und wer das zufällig beobachtet hat (Taxifahrer Theo), doch erfährt man nicht, wer Theo, der dem gewaltbereiten Unfallfahrer mit Verrat bei der Polizei gedroht und ihn erpresst hat, umgebracht hat.
Die Story spielt in Saarbrücken, und Theos Mitbewohner Jupp, der die Erpressung mitbekommt, jobbt im selben Taxibetrieb und ist ebenso klamm. Die fragwürdigen Machenschaften seines Kollegen beunruhigen Jupp, gespielt von Florian Bartholomäi, während er selbst in Versuchung gerät, das schmale Weihnachtsgeld des Chefs, das er an die Kollegen des Taxibetriebs verteilen soll, zu behalten. Er weiß nur nicht so recht, wohin mit sich und den 1.800 Euro.
Eine Antwortmöglichkeit bietet dem gutaussehenden Taxifahrer das Schicksal, als die hübsche, hochschwangere Maria (Fanny Krausz) bei ihm einsteigt und nicht etwa in eine Endbindungsklinik gefahren werden möchte, sondern zum Bahnhof. Ihr Reiseziel: Sizilien, wo ihre Großmutter lebt. Auch Maria ist nämlich auf der Flucht, allerdings vor ihrem cholerischen Schwiegervater, einem sizilianischen Restaurantbetreiber, vor dessen Zorn sie sich fürchtet, da der Erzeuger ihres ungeborenen Kindes dummerweise nicht der Sohn ebendieses cholerischen Sizilianers, sondern der schwarzafrikanische Ex-Küchengehilfe ist. So entsteht aus Maria und Jupp eine kleine Schicksalsgemeinschaft, und Jupp, der inzwischen von seinen wütenden Kollegen mit „Wanted“-Flugblättern gesucht wird, schlägt Maria spontan vor, sie kostenlos nach Sizilien zu fahren, wenn er nur erst mal mit darf. Da Jupp ihr sympathisch ist, willigt die verdutzte Frau nach kurzem Nachdenken ein.
Während die Polizei Jupps Freund Theo ermordet auffindet und beginnt, nach Jupp zu fahnden, endet die Taxifahrt von Jupp und Maria aufgrund widriger Umstände schon lange vor Sizilien, genauer gesagt in einem Dorf kurz hinter Saarbrücken.
Währenddessen versucht die Kripo nach einem anonymen Anruf fieberhaft, den Bordellbetreiber Georg König, der sich „King George“ nennt, als Unfallflüchtigen zu überführen (der Zuschauer weiß es ja) und herauszufinden, wer Theos Mörder ist (das ist die große Frage). Kriminalhauptkommissar Jens Stellbrink, gespielt von Devid Stiesow, ist dem Bordellbesitzer, herrlich gespielt von Gregor Bloéb, auf den Fersen. Was seine Ermittlungen erschwert: Auf einem Weihnachtsmarkt sind ihm von einem Taschendieb sein Handy und seine Brieftasche einschließlich Polizeiausweis geklaut worden.
Als er im Bordell ermittelt und sich der Annäherungsattacken der äußerst netten und geschäftstüchtigen Mitarbeiterin Elfie (Svenja Görger) erwehren muss, diskutieren der zwielichtige Bordellbesitzer und sein Assistent, ob der untypische Gast ein Bulle ist oder nicht. Während „King George“, der schon öfter Bekanntschaft mit der Polizei machen durfte, sich völlig sicher ist, es mit einem Gesetzeshüter zu tun zu haben, ist der Assistent überzeugt, der Gast sei keiner, da er viel zu wenig dem Klischee des Bullen entspreche (bei Devid Striesow gut nachvollziehbar). Sie müssen also für alle Fälle herausfinden, ob der Gast einen Polizeiausweis bei sich hat. Das gerät für die Beteiligten auf unterschiedliche Weise peinlich, und die nette Mitarbeiterin muss das Problem schließlich einfallsreich lösen. Der Kommissar muss danach auch noch die Peinlichkeit vor seinen Kollegen, die ihn bereits seit Stunden vermissen, verschleiern.
Der Film wechselt in angenehmem Tempo zwischen spannenden, kurzweiligen und menschlich ansprechenden, aber nicht kitschig geratenen Szenen und bietet neben überraschenden Handlungen auch immer wieder kleine, witzige Pointen. Jupp, dessen Flucht dilettantisch und naiv beginnt, entwickelt Verantwortungsgefühl für seinen hochschwangeren Schützling und löst alle Probleme, die eins nach dem anderen auftreten, rational und ideenreich – bis hin zur Idee, die Erpressungsnummer seines ermordeten Kollegen auf eigene Kappe fortzusetzen, um an Geld zu kommen. Die Hektik lässt keine aktive Annäherung zwischen Jupp und Maria zu (was den Film nicht ins Gefühlsduselige abrutschen lässt). Wie nah ist die Polizei an ihm dran? Was, wenn bei Maria die Wehen einsetzen? Hat der Assistent des Bordellbesitzers, der sich bemüht, gefährlich zu wirken, etwas mit dem Mord zu tun? Welche Rolle spielt die auffallend heftig trauernde Ehefrau des Taxichefs? Warum ist die Bordell-Mitarbeiterin auch nach der Enttarnung des Kommissars noch nett zu ihm?
Heutzutage sind „Tatort“-Folgen immer öfter darauf angelegt, möglichst viele Themen sozialkritisch zu beleuchten (nicht selten unter ausgiebiger Einbeziehung des nicht so interessanten Privatlebens der Ermittler) und den Zuschauern ein paar gehäufte Esslöffel Political Correctness zu verabreichen. Vor neun Jahren war das noch nicht so stark ausgeprägt, und die Folge „Weihnachtsgeld“ von 2014, die es momentan in der ARD-Mediathek zu sehen gibt, ist ein sehenswertes Stück solider Fernsehunterhaltung.
Natürlich werden am Ende nicht nur die Taschendiebe eingefangen und der Bordellbesitzer der Unfallflucht überführt, sondern nach ein paar überraschenden Wendungen wird auch der Mörder von Theo gefasst. Die Auflösung ist unerwartet und zugleich plausibel.
Die ganze Geschichte ist schlüssig und facettenreich erdacht, bringt den Zuschauer in erfrischender Regelmäßigkeit zum Schmunzeln, ohne in Klamauk auszuarten, und obwohl sie einige Klischees enthält, ist alles in Maßen dosiert und nichts übertrieben. Ein kleines Doppel-Happy-End sorgt dafür, dass ein wohliges Gefühl zurück bleibt, und die anderthalb Stunden sind auch für mäßig Krimi-Begeisterte ein Stück gut investierte, unbeschwerte Zeit. ar
Screenshots: WDR (Link zum Film)