Auf dem Branchentreffen in Glückstadt berichtete Boto Töpfer vom Taxiverband Berlin Brandenburg von einer Prüfungswelle der Arbeitsagenturen innerhalb des Gewerbes. Im Zusammenhang mit coronabedingten Kurzarbeitergeld-Zahlungen (KUG) tauchten dort nun vielfach Fragen zur Arbeitszeitaufzeichnung auf und mögliche Rückforderungen schwebten als Damoklesschwert über dem Berliner Gewerbe.
Peu à peu arbeitet sich die Bundesanstalt für Arbeit (BA) derzeit durch die Republik und prüft, ob alle Kurzarbeitergeldbezüge auch ordentlich dokumentiert und zu Recht geleistet wurden. Eine Mammutaufgabe, denn durch Corona kamen viele Branchen und Betriebe mit diesem Instrument der Arbeitsplatzsicherung in Berührung, die sich dies zuvor nie hätten vorstellen können. So geht es auch dem Taxigewerbe, wo sich vor Corona niemand hätte träumen lassen, dass dieses ursprünglich eher mittelständisch und großindustriell ausgerichtete Instrument der Arbeitsplatzsicherung jemals auch im Taxigewerbe zum Einsatz kommen könnte.
Die Geschichte wurde anders geschrieben und viele Mehrwagenunternehmen waren heilfroh, dass sie ihre Fahrerinnen und Fahrer coronabedingt nicht einfach vor die Tür setzen und Insolvenz anmelden mussten. Allerdings sind die Bürokratie und das mobile Gewerbe nicht immer das harmonischste Team, und so gab es viele Startschwierigkeiten. Besonders dort, wo die Arbeitsagenturen schon vor Corona personell eher schlecht ausgestattet waren, konnten diese die Branche bei der Beantragung der Kurzarbeit (KUG) nicht so unterstützen, wie dies auch eigentlich vorgesehen ist.
Im Regelfall vor Corona betraf die Kurzarbeit einzelne Betriebe, die kurzfristig in Schieflage gekommen waren. Diese wurden dann von der Arbeitsagentur durchgehend bis zum Abschluss der Kurzarbeit persönlich betreut und unterstützt. Diese umfassende Betreuung war während Corona nicht mehr möglich und auch viele Steuerberater waren aufgrund der vielen gleichzeitigen Leistungsanforderungen schlichtweg überfordert. Und so hangelten sich gerade viele kleinere Betriebe mit gesundem Halbwissen durch die Anträge und waren einfach nur froh, wenn es klappte und sie ihre KUG-Zahlungen erstattet bekamen.
Das Kurzarbeitergeld soll Unternehmen allerdings in kürzester Zeit helfen, eine Notsituation zu überbrücken, ohne dass hierfür ein wochenlanges Antrags- und Bewilligungsverfahren notwendig ist. Die diesbezügliche Anmerkung der BA zu jedem KUG-Antrag, dass KUG-Zahlungen entsprechend immer vorbehaltlich einer KUG-Abschlussprüfung geleistet werden, wurde dabei oftmals ignoriert, man hatte schließlich gleichzeitig auch noch andere Probleme. Verständlich, trotzdem darf heute niemand behaupten, man habe von nichts gewusst, denn die BA informiert auch in ihrem KUG-Leitfaden eindeutig darüber. Parallel bietet sie einen Leitfaden zum Ablauf dieser KUG-Abschlussprüfungen, der darüber informiert, welche Anforderung dort an die Betriebe gestellt werden. Taxi Times hat regelmäßig über das Thema berichtet.
Durch eine gesetzliche Neuregelung mit Wirkung zum 1. Januar 2023 (Paragraf 421c SGB III) ist es übrigens möglich, dass für die Monate März 2020 bis Juni 2022 auf eine Abschlussprüfung verzichtet werden kann, wenn die Auszahlungssumme für den Arbeitsausfall höchstens 10.000,00 Euro (= Summe Kurzarbeitergeld und Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge) beträgt. Kleinste Betriebe dürfen hier also immerhin hoffen.
Was aber wird ggf. geprüft? Die Arbeitsagentur führt zunächst Stichpunktprüfungen mit folgenden Fragen durch:
- Ist das Soll- und Ist-Entgelt jeweils richtig berechnet worden, insbesondere die Entgelte für Feiertage?
- Wurden ungeschützte Arbeitszeitguthaben und Urlaubsansprüche vor Beginn der Kurzarbeit aufgebraucht?
- Wurde für Personen KUG abgerechnet, deren Beschäftigungsverhältnis beendet wurde?
Zum Prüfungsergebnis schreibt die BA im Übrigen lapidar: Haben Sie zu wenig Kurzarbeitergeld erhalten, wird Ihre Agentur mit Ihnen Kontakt aufnehmen und Ihnen den zustehenden Betrag im Rahmen eines Korrekturantrages nachzahlen. Haben Sie zu viel Kurzarbeitergeld bekommen, wird die Agentur den Betrag von Ihnen zurückfordern. Dies gilt unabhängig von der Höhe des Betrages.
Müssen während der Kurzarbeit Nachweise über die tatsächlichen Arbeitszeiten geführt werden? Ja, denn die Angabe in der KUG-Anzeige ist eine erwartete Verteilung – eine Einschätzung, die im Nachhinein mit der tatsächlichen Abrechnung konkretisiert wird. Vorlagen dafür gibt es nicht, schreibt die BA, zu erfassen sei in Stunden, wann Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet haben, wann Urlaub war oder wann Überstunden abgebummelt wurden, andere Fehlzeiten vorlagen und wann exakt eben Kurzarbeit war. Diese und die Lohnabrechnungen dienen der Prüfung des Anspruchs nach Beendigung der Kurzarbeit. Alle Arbeitsausfälle werden nach Abschluss der Kurzarbeitsperiode überprüft.
Arbeitgeber müssen im Rahmen der Abschlussprüfung in der Lage sein, der Arbeitsagentur genau nachweisen zu können, wann welcher Mitarbeiter wie lang gearbeitet hat. Dies gilt für Mitarbeiter mit Vertrauensarbeitszeit oder eben auch für Taxifahrer mit freier Pauseneinteilung, unabhängig von den allgemeinen Regelungen zur Arbeitszeitaufzeichnung. Die Arbeitszeit muss während der Kurzarbeitsphase genau dokumentiert werden, um letztlich ein Abweichen der Ist- von der Sollarbeitszeit nachvollziehbar aufzeigen zu können, formuliert die BA.
Sowohl während einer Pause als auch während einer ordentlichen Arbeitsunterbrechung mangels Aufträgen darf dabei aber natürlich keine Rufbereitschaft deren eindeutigen Status dieses Zeitraums als unbezahlte Zeit untergraben. Sobald die BA also vermuten muss, dass Rufbereitschaftsanteile als Kurzarbeitsphasen abgerechnet wurden, wird sie voraussichtlich ihr Veto einlegen. Als Rufbereitschaft gilt dabei regelmäßig solche Zeit, bei der von Arbeitnehmern erwartet wird, dass sie auf Zuruf oder Anruf in weniger als 45 Minuten arbeitsbereit sind. Zeit, die wartend am Taxistand verbracht wurde, kann dieser Wertung folgend definitiv nur als zu bezahlende Arbeitszeit gewertet werden, genauso wie eine Abrufbereitschaft zu Hause.
Bei einer ordentlichen Dokumentation der Arbeitszeiten, differenziert nach Arbeit, Pausen und kurzarbeitsbedingten Arbeitsausfällen wird dann zumindest bei ordentlicher Dokumentation letztlich nur das Ergebnis zählen, wie viele Monatsarbeitsstunden sich in Relation zur ursprünglichen Arbeitszeitvereinbarung gemäß Arbeitsvertrag für die einzelnen Mitarbeiter ergaben. Die Summe der Pausen ist damit gar nicht mehr relevant, da diese nicht zur Arbeitszeit zählen. Die Differenz ist dann ggf. einfach als Kurzarbeitszeitraum zu werten, falls kein Urlaub oder eine andere Arbeitsunfähigkeit vorlag. Unabhängig davon, ob es sich um Pausen oder andere arbeitsfreie Zeiten ohne Rufbereitschaft handelte.
Stellt die Arbeitsagentur bei ihrer Stichpunktprüfung Fehler fest, wird sie prüfen, ob diese Fehler bei vergleichbaren Arbeitnehmern ebenfalls auftreten und sie mithin von einem systematischen Fehler ausgehen muss. Erst nachdem die Arbeitsagentur ihre Prüfung endgültig abgeschlossen hat, bescheidet sie die letztliche Höhe des KUG. Es besteht dann zwar noch die Möglichkeit, gegen den behördlichen Bescheid mithilfe des Widerspruchs vorzugehen, hier scheint es jedoch wohl unbedingt ratsam, Unstimmigkeit schon im Vorhinein zu klären. rw
Beitragsfoto: Foto Remmer Witte