Was an einer Ampel mit pfeilförmigem Lichtsignal, dem grünen Pfeil, erlaubt und verboten ist, ist den meisten Autofahrern bekannt. Weniger sicher sind viele sich beim Grünpfeil, dem berühmten Blechschild, das aus der DDR übernommen wurde.
Den Begriff „grüner Pfeil” gab es vor der Wiedervereinigung in beiden Teilen Deutschlands, allerdings waren es ganz unterschiedliche Dinge. Das, was im Westen grüner Pfeil hieß bzw. im Volksmund so genannt wurde, ist ein Lichtsignal und heißt heute noch immer grüner Pfeil, wobei meist der „Räumpfeil” gemeint ist und seltener das Ampelsignal zum konfliktfreien Abbiegen. Der damalige grüne Pfeil im Osten, ein Blechschild, heißt heute Grünpfeil und ist eines der ganz wenigen Dinge, bei denen westliche Politiker erkannten, dass im Osten nicht ausnahmslos alles schlimm war, und der deswegen gnädige Aufnahme in die Straßenverkehrsordnung der vereinten Bundesrepublik fand. Allerdings änderte sich nicht nur der Name, sondern auch die Regeln, was das Schild erlaubt und was nicht.
In der DDR, wo es weniger Kraftverkehr gab als in der alten Bundesrepublik und man beim Abbiegen die Fußgänger nicht vorlassen musste, wurde mit der „StVO 77” das Verkehrszeichen eingeführt, das einen Grünpfeil auf schwarzem Hintergrund zeigt und vielerorts als 35 cm kleines, quadratisches Blechschild rechts neben dem roten Ampellicht montiert wurde (allerdings wegen Lieferschwierigkeiten erst ab 1978) und das Rechtsabbiegen bei rotem Ampellicht erlaubte (allerdings erst ab Mai 1979 verbindlich), ohne dass gehalten werden musste. In den meisten Bundesstaaten der USA und in Kanada ist das auch ohne Grünpfeil erlaubt.
Wie viele tausend der Schilder es in der DDR gab, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall war es nicht annähernd möglich, alle bis zum Außerkrafttreten der Straßenverkehrsordnung der DDR Ende 1990 abzumontieren, so dass drei Wochen vorher eine Verlängerung der Geltungsdauer für ein Jahr verfügt wurde, die später wegen des Widerstandes in der Bevölkerung bis 1996 verlängert wurde. Währenddessen wurden bereits wissenschaftliche Studien durchgeführt, um zu klären, ob der Grünpfeil auch für den dichten Kraftverkehr im wiedervereinigten Deutschland taugt. Heftiger Widerstand kam von Blindenverbänden, da blinde Personen sich an Kreuzungen in der Regel an den Motorgeräuschen anfahrender Kfz orientieren, um die Grünphasen herauszuhören – was bei Fahrzeugen, die bei Rot anfahren, natürlich zu Verwirrung und im ungünstigen Fall zu Lebensgefahr führen kann.
Dennoch kam die entscheidende Studie zum Ergebnis, dass an Kreuzungen mit Grünpfeil, wie er inzwischen offiziell genannt wurde, weder die Anzahl noch die Schwere der Unfälle deutlich höher war als anderenorts, von Einzelfällen abgesehen. Deshalb wurde das Schild zum 1. März 1994 offizieller Bestandteil der deutschen Straßenverkehrsordnung (StVO). Exakt an diesem Tag wurde der erste Grünpfeil im ehemaligen Westteil Berlins feierlich durch CDU-Verkehrssenator Herwig Haase enthüllt. 2002 hatten die alten Bundesländer fast so viele Grünpfeile wie die neuen.
Einige westdeutsche Städte entschieden sich von vornherein gegen Grünpfeile, in anderen (z. B. Hamburg) ist die Zahl rückläufig, in dritten (z. B. Wiesbaden) wurden alle angebrachten Grünpfeile wieder entfernt. Im Zweifelsfall entscheiden Politiker sich für Verkehrssicherheit zulasten des Verkehrsflusses.
Nachteil: Mit der fortschreitenden Umstellung der Ampeln von augenfreundlichen Glühbirnen auf sparsamere aber übergrelle LED-Lichter sind Grünpfeile bei Dunkelheit mitunter neben einem roten Ampellicht schwer zu sehen, besonders für den Fahrer, der am dichtesten vor der Ampel steht. So kann auch Lärm durch Grünpfeile ein Problem sein. An Ecken mit Grünpfeilen werden Autofahrer, die trotz Grünpfeils an der roten Ampel stehen bleiben, Tag und Nacht so oft angehupt, dass dort schon lärmgeplagte Anwohner weggezogen sind.
Dabei verpflichtet das Schild gar nicht zum Fahren, bevor die Ampel auf Grün schaltet. Es erlaubt es lediglich – und zwar ausschließlich für die ganz rechte Fahrspur. Was der Grünpfeil hingegen zwingend vorschreibt: Zeigt die Ampel Rot, so muss zunächst einmal wie am Stoppschild gehalten werden, und zwar an der Sichtlinie und das theoretisch für ganze drei Sekunden, ob die Kreuzung nun übersichtlich und menschenleer ist oder nicht. Der Verstoß dagegen (den laut einer Studie von 2013 über drei Viertel aller Fahrzeugführer begehen) kostet im einfachen Fall 70 Euro, mit Behinderung von Fußgängern oder Radfahrern oder Gefährdung 100 bis 150 Euro. Dazu gibt es einen Punkt in Flensburg.
Besteht die Möglichkeit, rechts abzubiegen, ohne irgendjemanden zu behindern oder zu gefährden, so ist das am Grünpfeil nach kurzem Anhalten erlaubt. Da man an der nächsten Ampel dann oft länger warten muss, ist die Zeitersparnis im Durchschnitt gering. Der psychologische Effekt spielt die größere Rolle. An einer roten Ampel warten zu müssen, ist unerfreulich. Darf man trotzdem rechts abbiegen, so hat man das Gefühl, schneller vorwärts zu kommen. Radfahrer und Fußgänger leben dadurch aber etwas gefährlicher.
Nicht nur den Verkehrsteilnehmern erlaubt und verbietet die Straßenverkehrsordnung alle möglichen Dinge, sondern auch den Behörden, die Schilder aufstellen, Ampeln schalten und Fahrbahnen markieren. Zum Beispiel darf ein Amt einen Busfahrstreifen, auf dem ein Straßenbahngleis verläuft, nicht für Taxis freigeben. Ein Grünpfeil darf nicht an einer Ampel angebracht werden, wo bereits ein grüner Pfeil als Lichtsignal ist, wo Radfahrer eine eigene Ampel haben, wo der Gegenverkehr eine Linksabbiegerampel hat, wo für das Rechtsabbiegen mehrere markierte Fahrstreifen zur Verfügung stehen, wo beim Rechtsabbiegen Gleise gekreuzt oder befahren werden müssen, wo beim Rechtsabbiegen Fahrradaufstellflächen überfahren werden müssten, wo man beim Rechtsabbiegen einen Radweg kreuzt, auf dem Radfahrer in beiden Richtungen fahren, wo die Ampel hauptsächlich der Schulwegsicherung dient, wo viele seh- oder gehbehinderte Personen die Kreuzung queren oder wo häufig Lkw rechts abbiegen, die beim Warten an der Sichtlinie den kreuzenden Fußgängern den Weg versperren können. Steigen nach dem Anbringen eines Grünpfeils die Unfallzahlen an der Kreuzung, so muss er wieder entfernt werden. So viele geeignete Kreuzungen bleiben da gar nicht übrig.
Der Beschleunigung des Verkehrsflusses dienen seit eh und je auch grüne Pfeile, also Lichtsignale. Leuchtet an der Einfahrt auf eine Kreuzung beispielsweise ein nach links zeigender grüner Pfeil auf schwarzem Grund, so darf man davon ausgehen, dass einem beim Linksabbiegen niemand in die Quere kommt (konfliktfreies Abbiegen), so dass man nicht bremsbereit auf den Gegenverkehr oder auf Fußgänger warten muss. Der grüne Abbiegepfeil hebt also das (direkt daneben leuchtende) allgemeine rote Ampellicht (ohne Pfeil, also als sogenannte Vollscheibe) für die vom Pfeil angezeigte Richtung auf. Das gilt aber nicht für den mancherorts installierten „Räumpfeil”, ein ebenfalls nach links zeigendes Lichtsignal, an dem man kurz vor Abschluss des Abbiegevorgangs vorbeikommt. Er leuchtet kurz nach Beginn der Rotphase (manchmal auch schon früher) für eine bis mehrere Sekunden auf und signalisiert, dass der Abbiegevorgang nun konfliktfrei vollendet werden kann, dass Gegenverkehr und Fußgänger also kein grünes Licht mehr haben. Das gilt aber nur für diejenigen Fahrer, die die eigentliche Ampel bereits passiert haben. Kommt man an eine Kreuzung, deren Ampel bereits Rot zeigt, schräg links gegenüber leuchtet aber ein grüner „Räumpfeil”, so darf man dennoch nicht mehr auf die Kreuzung fahren. ar
Fotos: Axel Rühle