Unternehmen mit 20 oder mehr konzessionierten Taxis sind verpflichtet, anteilig auch barrierefreie Taxis einzusetzen. In welcher Form haben die betroffenen Unternehmen diese neue Anforderung interpretiert? Das soll eine Umfrage klären, an der sich möglichst viele Taxibetriebe beteiligen sollten.
Gesetze werden vom Gesetzgeber nicht nur erlassen, sondern sie müssen anschließend auch in ihrer Wirksamkeit geprüft würden, was ja definitiv nach einer guten und somit unterstützenswerten Idee klingt. Einer solchen Prüfung, Evaluation genannt, unterliegen natürlich auch die Neuregelungen aus der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) aus dem Jahr 2021. Zum Thema der in der Novelle im Paragrafen 64c initiierten Inklusionsförderung soll dabei das Bundesamt für Straßenwesen (BASt) erheben, ob diese Initiative des Gesetzgebers nun tatsächlich auch Früchte trägt.
Die PBefG-Evaluation im Bereich Barrierefreiheit führt die PTV Transport Consult im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und in Kooperation mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie Rödl & Partner durch und hat dazu eine Befragung zur Barrierefreiheit im Taxiverkehr gemäß Paragraf 47 PBefG und im gebündelten Bedarfsverkehr gemäß Paragraf 50 PBefG online gestellt.
Die Teilnahme an dieser Umfrage ist freiwillig, doch je mehr Betreibe daran teilnehmen, umso aussagekräftiger werden die Ergebnisse ausfallen. Deshalb unterstützt auch der Bundesverband Taxi und Mietwagen diese Umfrage und hat seine Mitglieder in internen Rundschreiben informiert.
Michael Oppermann erklärt dazu: „Im Zuge der Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) wurden unter anderem Vorgaben zur Verbesserung der Barrierefreiheit im gebündelten Bedarfsverkehr und im Taxiverkehr (Paragraf 64c PBefG) eingeführt. Diese betreffen Unternehmen mit 20 oder mehr Fahrzeugen. Mit der Befragung soll untersucht werden, inwieweit das Ziel des Gesetzgebers, Menschen mit sensorischen und Mobilitätseinschränkungen eine weitgehend barrierefreie Mobilität zu ermöglichen und damit deren gesellschaftliche Inklusion zu fördern, bislang erreicht wurde. Die Evaluation soll dabei die unterschiedlichen Blickwinkel der Nutzerinnen und Nutzer von Bedarfsverkehren, der Mobilitätsanbieter und der Genehmigungsbehörden aufnehmen.“
Da sich das Taxigewerbe ja immer wieder, und das oft nicht zu Unrecht beklagt, dass seine Bedürfnisse, aber auch seine Leistungen vom Gesetzgeber nicht ausreichend wahrgenommen und gewürdigt werden, besteht hier nun eine der seltenen Gelegenheiten, dem Gesetzgeber im Umkehrschluss aufzuzeigen, dass die Branche durchaus engagiert ist, seine gesellschaftliche Aufgabe auch wahrzunehmen und mit Leben zu füllen, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt.
Darüber hinaus werden auch die weiteren Neuregelungen aus der PBefG-Novelle evaluiert werden. Und da hat die Branche ja sogar ein ureigenes Interesse, dass seine Stimme gehört wird und so vielleicht in der Zukunft sogar noch einige ihr unliebige Details im PBefG optimiert werden – obwohl dies erfahrungsgemäß als unwahrscheinlich erscheint. Trotzdem sollte die Hoffnung ja immer zuletzt sterben.
Die Teilnahme an der Befragung ist freiwillig, benötigt ca. 10 bis 15 Minuten Zeit. Es besteht die Möglichkeit, die Befragung beliebig oft zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen.
Die Befragung richtet sich dabei ausschließlich an Taxiunternehmen mit 20 oder mehr Fahrzeugen. Es sollten daran auch – oder gerade – diejenigen teilnehmen, die diese Regelung vielleicht gerade nicht gutheißen. Aber Achtung: Die Befragung wird nur ca. vier Wochen offen sein, es wäre also wünschenswert, wenn die Unternehmen oder ihre Fuhrparkleitung zeitnah aktiv werden, denn sonst ist diese Chance zur politischen Mitgestaltung auch schnell wieder verpasst.
Die Befragung möchte unter anderem herausfinden, welche Lösungen auf Anbieterseite gewählt werden, um Barrierefreiheit zu gewährleisten, wie sich der Anteil barrierefreier Fahrzeuge an den Fahrzeugflotten entwickelt und wie die Regelungen und Steuerungsmechanismen zur Barrierefreiheit gemäß Paragraf 64c PBefG bewertet werden.
Für das Ergebnis dieser aktuellen Befragung wird vor allem auch spannend sein, wie die betroffenen Unternehmen ihre neue Pflichten dann tatsächlich interpretiert haben. Der Paragraf 64c PBefG formuliert die Anforderung ja wie folgt: „Beim Verkehr mit Taxen … ist ab einer Anzahl von 20 Fahrzeugen eine Mindestverfügbarkeit von barrierefreien Fahrzeugen je Unternehmer vorzusehen, … ein Richtwert von 5 Prozent bezogen auf die Anzahl der … betriebenen Fahrzeuge gilt.“ Die Ausgestaltung eines barrierefreien Fahrzeugs ist hier somit nicht eindeutig definiert, was auch bei der konstruktiven Erfüllung der Vorschrift tatsächlich noch einige Interpretationsspielräume lässt.
Allerdings dürfen die Genehmigungsbehörden hier durchaus regelnd eingreifen, wie der zweite Absatz des Paragrafen definiert: „Die Genehmigungsbehörde kann Einzelheiten zur Herstellung einer weitgehenden Barrierefreiheit im Hinblick auf die Mindestanzahl vorzuhaltender barrierefreier Fahrzeuge beim Verkehr mit Taxen und beim gebündelten Bedarfsverkehr festlegen“. Dies aber dürfte in vielen bundesdeutschen Kommunen bisher nicht erfolgt sein. Welche Behörde da in welcher Form aktiv geworden ist, wird im Rahmen der Evaluierung ebenfalls gemessen. Wie der PTV-Projektleiter Christian Reuter gegenüber Taxi Times bestätigte, werden parallel zum Taxigewerbe auch die Behörden befragt.
Das Ergebnis der Befragung wird zunächst nicht veröffentlicht, sondern dem deutschen Bundestag zur Verfügung gestellt – im Jahr 2025, wenn dort die Evaluierung der PBEF-Novelle durchgeführt werden muss. rw
Hier ist der Link zur Befragung: https://ww2.unipark.de/uc/KIT-IfV/278d/
Beitragsfoto: Axel Rühle
Bevor man gespannt sein kann, „wie die betroffenen Unternehmen ihre neue Pflichten dann tatsächlich interpretiert haben“, bedürfte es einer solchen Pflicht überhaupt erst einmal. Ein Tätigwerden des Aufgabenträgers nach § 64c Abs. 1 PBefG ist Voraussetzung für eine Rechtspflicht des Unternehmers (siehe Fielitz/Grätz, PBefG § 64c RN 6f.). Der Aufgabenträger (und das ist zumindest in NRW aufgrund von §§ 3-6 ÖPNVG NRW zwar manchmal auch der Kreis oder die kreisfreie Stadt, deutlich häufiger aber der Zweckverband, die kreisangehörige Stadt oder die gemeinsame AöR) müsste also erstmal nach § 64c Abs. 1 PBefG tätig werden und eine Mindestverfügbarkeit von barrierefreien Fahrzeugen je Unternehmer der entsprechenden Größe vorsehen, damit den Unternehmer eine entsprechende Rechtspflicht trifft. Die Kommentarliteratur (Fielitz/Grätz, PBefG § 64c RN 7) sieht die Vorsehung einer solchen Mindestverfügbarkeit als Vorbereitungshandlung einer letztlich erst nach Abs. 2 von der jeweiligen Genehmigungsbehörde zu treffenden Entscheidung hinsichtlich des jeweiligen Unternehmens an, weshalb die Möglichkeit eines entsprechenden Verwaltungsakts nur dann zur Verfügung stünde, wenn Aufgabenträger und Genehmigungsbehörde identisch wären, was häufig eben nicht der Fall ist. In der Kommentarliteratur wird gemutmaßt, dass dem Gesetzgeber mit der Betrauung der Aufgabenträger ein Fehler passiert sei, jedoch wegen des eindeutigen Wortlautes der Norm eine Umdeutung in Richtung Genehmigungsbehörde aber nicht denkbar sei.
Vor diesem Hintergrund wäre es viel spannender, ob denn überhaupt schon ein oder gar mehrere Aufgabenträger eine eine solche Rechtspflicht auslösende „Vorsehung“ vorgenommen haben oder ob aufgrund der mutmaßlich irrtümlich erfolgten Betrauung der Aufgabenträger die Norm schlicht völlig leerläuft…
Warum werden keine Taxibetriebe ab einem Wagen gezählt? Denn, selbst wenn die 20-Wagenbetriebe die Vorgabe nicht erfüllen sollten, stehen 20-Kleinstbetriebe dahinter und stopfen die ausgedachte Vorgabe über Maß.