In einem Brandbrief an Gemeinden, Landes- und Bundespolitiker und Europaparlamentarier weisen zwei nordrhein-westfälische Taxiverbände auf die steuerfinanzierte Zerstörung des Taxigewerbes durch Mietwagen hin und fordern Maßnahmen.
Das Schreiben ist unterzeichnet von Sascha Waltemate, dem Geschäftsführer des Verbands des privaten gewerblichen Straßenpersonenverkehrs Nordrhein-Westfalen e. V. (VSPV) und Dr. Michael Stehr, dem Geschäftsführer der Fachvereinigung Personenverkehr Nordrhein, Taxi-Mietwagen e. V. (FPN). Gleich im ersten Satz des Schreibens werden die Gewerbevertreter konkret: „Mietwagen, die für Uber fahren, sind mittlerweile in ganz NRW zu beobachten.“ Als Beispiel wird die „Bereithaltung von Taxen u. a. aus Düsseldorf, von Uber-Mietwagen und Fahrzeugen ohne Konzession“ am Rande des Festivals in Weeze am Wochenende vom 19. bis zum 21. Juli genannt.
Die Folge des Missstandes wird ebenfalls sofort beim Namen genannt: „In einigen insbesondere städtischen Konzessionsbezirken ist deshalb das Taxigewerbe bereits stark gefährdet.“
Für diese Auswirkungen führen Waltemate und Stehr ebenfalls konkrete Beispiele an, etwa die Insolvenz des Taxibetriebs Niederrhein in Kleve. Auch die kurze Zeit später bekannt gewordene Einleitung eines Schutzschirmverfahrens durch die Düsseldorfer Zentrale Rheintaxi wäre ein solches Beispiel gewesen. Über die Auftragslage in der Landeshauptstadt schreibt der Verband: „Dass Taxiunternehmer aus Düsseldorf während einer dort stattfindenden Großkirmes ihre Fahrzeuge gesetzeswidrig außerhalb der Betriebssitzgemeinde und dann auch noch weit entfernt davon bereithalten, verstehen wir als Hinweis auf die schlechte Auftragslage für Taxen in Düsseldorf. Dass manche Fahrer mit Wucherpreisen ihre Einnahmen aufbessern wollen, ist Ausdruck der Krise, aber auch eine Schande für das Gewerbe.“
Erneut wird betont, welchen Schaden das Geschäftsmodell des US-Fahrdienstes nicht nur beim Taxigewerbe, sondern für die ganze Gemeinschaft anrichtet: „Der Wettbewerb wird durch die für Uber fahrenden Unternehmen nur unter regelmäßigen Verstößen nicht nur gegen das Personenbeförderungsrecht bestritten. Besonders ärgerlich und für die Glaubwürdigkeit des Rechts- und Sozialstaats verheerend ist, dass die Wettbewerbsstrategie von Uber und weiteren Plattformbetreibern großflächig durch das Bürgergeld indirekt subventioniert wird.“ Diese Aussage bleibt nicht pauschal stehen, sondern wird ausführlich unter der Angabe von Online-Quellen erläutert. Der Begriff Sozialdumping fällt, und es wird betont, dass das Geschäftsmodell von Uber betriebswirtschaftlich nicht unter Einhaltung des Sozialversicherungsrechts funktionieren kann.
Dann werden die Verantwortlichen gerügt: „Das Geschäftsmodell von Uber setzt die Dysfunktionalität staatlicher Aufsichts- und Kontrollbehörden voraus. Nicht alle zur Regulierung und Kontrolle berufenen staatlichen Stellen haben die Herausforderung erkannt. Die für die Schwarzarbeitsbekämpfung zuständige FKS des BMF ist notorisch unterbesetzt, wenig interessiert und operativ schwergängig. Ähnliches gilt für die Finanzämter. Keine deutsche Behörde ist auf diesen flächendeckenden Angriff auf unser Sozialversicherungssystem vorbereitet – schon gar nicht, wenn sie von einem finanzstarken Konzern wie Uber orchestriert wird. Auch die kommunalen Konzessionsbehörden sind notorisch unterbesetzt. Diese aber haben zumindest den Vorteil, die Taxi- und Mietwagenbetriebe in ihrer Stadt oder ihrem Landkreis regelmäßig kontrollieren zu können – auch auf die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen.“
Es bleibt nicht bei Vorwürfen. Eine Lösungsmöglichkeit wird ebenfalls genannt: „Dort, wo das heute bereits mit System geschieht, hat das Geschäftsmodell von Uber keine Chance. Das zeigt das Beispiel Hamburg, dessen Genehmigungsbehörde ihre Aufgaben ernst nimmt. Außer Hamburg richten auch andere Großstädte (z.B. München, Wiesbaden, Mainz, Stuttgart, Mannheim, Dresden) ihre Prüfungspraxis zunehmend auf die neue Gefährdung aus. NRW aber bleibt erkennbar zurück.“
Während andere Gewerbevertretungen die im Zuge der PBefG-Novelle eingeführten Möglichkeiten für die Genehmigungsbehörden als wirksame Mittel bezeichnen und ihre Umsetzung fordern, sehen die nordrhein-westfälischen Verbände sie nur als scheinbar wirksame Instrumente an: „Die schmerzliche Erfahrung der letzten drei Jahre zeigt deutlich, dass beinahe alle neuen gesetzlichen Instrumente stumpfe Waffen sind. Eines dieser neuen gesetzlichen Instrumente, auf dem zunächst viele Hoffnungen ruhten, besteht in der Möglichkeit, sogenannte Mindestbeförderungsentgelte für Mietwagen festzulegen (§ 51a PBefG). Damit sollte der Dumpingwettbewerb verhindert und die Unternehmen, die Sozialstandards einhalten, geschützt werden. Leider wurde versäumt, eine entsprechende Verordnungsermächtigung ins Gesetz zu schreiben, so dass Mindestbeförderungsentgelte rechtlich ‚in der Luft’ hängen. Die Düsseldorfer Genehmigungsbehörde hatte eine Ratsvorlage für ein Mindestbeförderungsentgelt ausgearbeitet, die vermutlich wegen der fehlenden Verordnungsermächtigung – möglicherweise auch aus anderen Gründen – kurzfristig von ‚der Politik’ zurückgehalten wurde.“
Als Beleg wird die Taxi-Times-Meldung vom Januar 2023 verlinkt, in der über die Debatte in der Düsseldorfer Politik zur Einführung von Mindestpreisen für Mietwagenfahrten und Festpreise im Taxitarif berichtet worden war.
Zudem wird auf das Steuerdumping durch Uber & Co. und die Praxis der 20-Monats-GmbHs hingewiesen, deren Weiterentwicklung kürzlich unter dem Stichwort „Firmenbestattungen“ für Aufsehen sorgten, weshalb der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft ein Echtzeitsystem zur Kontrolle des Mietwagensegments fordert. Auch hierfür wird auf eine Taxi-Times-Meldung als Quelle verwiesen.
Gleichzeitig wird die Wichtigkeit des Taxis für den ÖPNV der Zukunft einschließlich der Krankenfahrten betont, mit denen Rettungs- und Krankentransportdienste überlastet seien.
Der Appell am Ende des Schreibens ist schließlich recht knapp und wenig konfrontativ gehalten: „Zur Bekämpfung der vorgenannten Übel sehen wir zunächst einmal alle Ebenen der Verwaltung in Bund, Ländern und Gebietskörperschaften in der Pflicht, gegen die vorgenannten Fehlverhaltensweisen vorzugehen. Die politischen Gremien rufen wir dazu auf, die Verwaltung dabei zu unterstützen und zu ertüchtigen. Für vertiefende Informationen kommen Sie gern auf die Unterzeichner zu.“
Eine der ersten Antworten auf das Schreiben kam aus der Stadtverwaltung von Gelsenkirchen. Die Rechtslage mit Mietwagen und der Paragraph 54 a des PBefG seien nichts Neues. „Dies praktiziere ich seit vielen Jahren um nicht zu sagen: seit Jahrzehnten und hat auch nie zu Problemen geführt“, schreibt ein Behördenvertreter. Die meisten Gelsenkirchener Mietwagen würden im unqualifizierten Krankentransport eingesetzt, Uber sei praktisch nicht existent, Verstöße seien nicht bekannt. „Ein viel größeres Problem als Uber stellen auswärtige Taxis an der Arena dar. Aber auch hier gilt: Es ist zu beweisen, dass sie sich bereithalten und nicht auf Bestellung dort stehen. Das Widerlegen einer solchen Ausrede ist nicht immer an Ort und Stelle und während der Kontrolle möglich. Das ist aber erforderlich, um eine Untersagung in zulässiger Weise auszusprechen. Ich bitte, diese Ausführungen zu berücksichtigen.“
Ball zurückgespielt, Sache für’s Erste erledigt. Aber von Bochum aus werden die Mietwagen nicht lange nach Gelsenkirchen brauchen. ar
Beitragsbild: Rotes Licht für Mietwagen, die illegalen taxiähnlichen Verkehr durchführen – das wünschen sich viele seriöse Personenbeförderer. Symbolfoto: Axel Rühle