Der Fall Altötting hat gezeigt, wie sehr Behördenuntätigkeit Taxibetriebe in Existenznot bringen kann. Gewerbevertreter Christian Linz erläutert, wie viele Parameter bei einer Tarifanpassung zu beachten sind.
Für Christian Linz, den Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen e. V., war die jüngste Anpassung des Taxitarifs im Landkreis Altötting am 1. September nur folgerichtig. Allerdings musste eine Taxiunternehmerin dazu einiges in Bewegung setzen, um etwas eigentlich Selbstverständliches zu erreichen, was zur Daseinsvorsorge und damit zu den Pflichten deutscher Behörden zählt. Den Weg zu der Anpassung, der dritten in 23 Jahren in dem Landkreis, war vorsichtig formuliert umständlich.
Im Unterschied zu einer Behörde ist ein Gewerbeverband auf seinen einen Themenkomplex spezialisiert und hat einen genauen Plan von der Anpassung eines Taxitarifs. „Da die Kosten für Taxiunternehmen nahezu permanent steigen, sollte auch der Taxitarif spätestens alle zwei Jahre angepasst werden – ebenso wie die anderen ÖPNV-Tarife. Eine Erhöhung erst nach drei Jahren ist in meinen Augen weniger sinnvoll, da sie dann drastischer ausfällt, was immer eine abschreckende Wirkung auf die Kundschaft hat. Bei Erhöhungen im zweistelligen Bereich ist nach unseren Beobachtungen ein Aufschrei zu befürchten.“
Wie drastisch so etwas zu Buche schlagen kann, ist am Beispiel Altötting besonders deutlich zu sehen, wo die letzten Tarifanpassungen 2013, 2022 und eben Anfang September 2024 erfolgten.
Um das Zustandekommen einer Tarifanpassung verständlich zu machen, gibt Christian Linz Einblick in den Prozess. Wer ist formal antragsberechtigt? Die Verbände sind es sinnvollerweise nicht, denn die sind anhörungsberechtigt. „Ein Verband kann ja nicht eine selbst ausgearbeitete Tarifanpassung beantragen und die dann im Anhörungsverfahren als unglaublich gut beurteilen, das wäre eine Farce.“ Doch auch die Unternehmen haben nicht die Aufgabe oder das Recht, eine Tarifänderung zu beantragen. Der Tarif wird nicht auf Antrag angepasst, wie Linz erläutert, sondern von selbst („ex officio“), im eigenen Auftrag und durch Wachsamkeit der Behörde – theoretisch. Realistisch geht der Impuls aber meist doch von Betrieben oder Verbänden aus, da in Behörden auch nur mit Wasser gekocht wird.
Das Ziel von Tarifanpassungen: Laut Paragraph 39 PBefG muss die Genehmigungsbehörde die Auskömmlichkeit des Taxitarifs feststellen. Die Kosten der Unternehmen müssen gedeckt werden und es muss ein Gewinn von erfahrungsgemäß 10 bis 15 Prozent möglich sein. Zunächst muss hierfür die aktuelle Taxikosten-Inflation berechnet werden. Dazu dient ein standardmäßiger „Warenkorb“, dessen Preis zum Zeitpunkt der letzten Tarifänderung mit dem aktuellen Preis verglichen wird. Daraus ergibt sich in der Regel eine prozentuale Kostensteigerung der überwiegenden Posten. Dazu zählen unter anderem Fahrzeug-Beschaffung, Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer, Kosten für Kapitalbeschaffung, Kraftstoff bzw. Strom, Garagenmiete, Steuerberater und vieles mehr, was regelmäßig im Preis steigt. Eine Ausnahme bildete in letzter Zeit bei allen Tarifen der Dieselpreis, denn er lag 2022 deutlich höher als heute. Ein Teil sind zeitabhängige Kosten, ein Teil variable.
Aufgrund dieser Komplexität braucht es nach Linz’ Erfahrung alleine um die drei Tage für eine solide Kalkulation. In den einzelnen Kategorien werden stets die gleichen Warenkorb-Inhalte zum Vergleich herangezogen. Aus der Summe der Preissteigerungen – oder ausnahmsweise der Preissenkungen im Fall der schwankenden Kraftstoffpreise – ergibt sich schließlich eine Zahl von beispielsweise 8 Prozent durchschnittlicher Steigerung, die von der Behörde genehmigt werden und in Grund- und Kilometerpreise des neuen Taxitarifs einfließen muss, wobei auch die Wartezeitpreise angehoben werden können. Eine andere Rechnung betrifft die Zuschläge, deren Bedarf sich wiederum aus ganz anderen Parametern ergibt.
Der letztendlich verordnete Tarif soll nach Meinung von Linz immer so übersichtlich und unkompliziert wie möglich aufgebaut sein. „Keep it simple and stupid“, so sein Motto, also ein einfach nachvollziehbarer, möglichst „idiotensicherer“ Tarif. Preiserhöhungen sollten so auf die einzelnen Preise innerhalb des Tarifs verteilt werden, dass keine Zahl zu abschreckend wirkt. Anstelle einer zu starken Anhebung des Grundpreises könnte es beispielsweise sinnvoll sein, die ersten Kilometer höher zu berechnen. In großflächigen Landkreisen, wo die durchschnittliche Länge einer Fahrt höher liegt, lässt sich ein Teil dieses Gewichts auch auf die „späteren“ Kilometer verteilen.
Im Fall des Landkreises Altötting sieht Linz zwar die jahrelangen Versäumnisse – nach dem 1.1.2001 wurde der Tarif über zwölf Jahre lang nicht geändert, danach noch einmal knapp neun Jahre nicht –, doch hält er es im Nachhinein dennoch für zu gewagt, gleich „an allen Stellschrauben zu drehen“. Die Erhöhung beispielsweise des Großraumzuschlags nach nur zwei Jahren und zwei Monaten von 6,50 Euro auf ganze 12 Euro sei Fahrgästen nicht ohne Weiteres zu vermitteln.
Auch sollten Zuschläge bedarfsgerecht und eindeutig sind. In Gepäckzuschlägen sieht Linz beispielsweise das generelle Problem, dass die Größe von Gepäckstücken selten eindeutig kategorisierbar bzw. abgrenzbar ist.
Ein Problem auch im Landkreis Altötting: „Sobald der Tarif erhöht werden soll, haben die Behörden mit dem Prozess viel zu tun und müssen darüber hinaus die soziale Ausgewogenheit im Blick haben“, wie Linz aus Erfahrung berichtet. Ein Verkehrsverband könne den Behörden entgegenkommen, indem er ihnen mit standardisierten Ablaufmustern hilft. So hat das Kreisverwaltungsreferat (KVR) der kreisfreien Stadt München eine ausführliche Begründung für Tarifanpassungen verfasst, die als Vorlage dienen kann. Auch könne eine Art Obmann ernannt werden, der für die Anpassung des Taxitarifs zuständig ist und über die hinreichende Kompetenz verfügt.
Tarife sollten Laut Linz spätestens alle zwei Jahre geprüft und ggf. angepasst werden, um den sich verändernden Kosten für die Unternehmen Rechnung zu tragen. Da ein Tarifbeantragungsverfahren drei bis sechs Monate dauern kann, sollte es im Frühjahr eingeleitet werden, damit der Tarif optimalerweise zum 1. Dezember angepasst werden kann, dem Zeitpunkt, zu dem auch die anderen ÖPNV-Tarife üblicherweise geändert werden.
Die Unternehmerin aus Altötting fragt sich, warum die Zuständigkeit für Taxitarife nicht auf einer höheren Verwaltungsebene, etwa auf Regierungsbezirks- oder gar Landesebene angesiedelt werden kann: „Ist es nicht unnötig kompliziert, wenn dieses umständliche Prozedere immer von hunderten Antragstellern und Genehmigungsbehörden in Deutschland durchlaufen werden muss?“ Im Saarland mit seinen sechs Landkreisen funktioniert die Zuständigkeit auf Landesebene. Auch in Niedersachsen gibt es Bestrebungen, die Taxitarife landesweit zu vereinheitlichen.
Christian Linz findet die Idee aus Unternehmersicht nachvollziehbar, ist aber der Meinung, dass man vielleicht einige abgrenzbare oder regional zusammengehörende Landkreise, nicht aber ganz Bayern zu einer Tarifgemeinschaft zusammenfassen könnte. „Dazu sind die Kostenparameter in den einzelnen Gegenden und auch die Strukturen der Tarifverordnungen zu unterschiedlich“, so Linz.
Vielleicht lässt sich ja darüber nachdenken, Kompetenz zu bündeln und eine Vielzahl von Verbänden und Behörden von einem regelmäßigen, aufwändigen Prozedere zu entlasten, ohne dass deshalb auf 70.000 Quadratkilometern die gleichen Taxifahrpreise gelten müssen. ar
Hinweis der Redaktion: Eine Übersicht über die deutschen und österreichischen Taxitarife finden Sie in unserer großen Tarifübersicht.
Beitragsbild: Landratsamt Ebersberg; Symbolfoto: J. Patrick Fischer (Wikipedia)