Krankenkassen als Kostenträger für Krankenfahrten sind gemäß Sozialgesetzbuch verpflichtet, sich mit den Leistungserbringern wie Taxis und Mietwagen auf eine Vergütung dieser Leistungen zu einigen. Einzelne Kassen verstehen dies immer wieder als Option, mit Einzelverträgen Dumpingvergütungen durchzusetzen. Warum aber gelingt dies, obwohl solche Verträge dem Taxi- bzw. Mietwagenunternehmer nachweislich schaden? Eine Bestandsanalyse.
Sie hat es wieder getan! Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse Gesundheit (DAK) hat sich in Hessen aus der Allianz der Versicherer ausgeklinkt und die bestehenden Rahmenverträge für Sitzendkrankenfahrten sowie für Liegend-Krankenfahrten und Tragstuhltransporte mit dem Fachverband Pkw-Verkehr Hessen e.V. (FPH) zum Jahresende gekündigt (Taxi Times berichtete).
Hessen ist kein Einzelfall: Nach Einschätzung der Abrechnungsspezialistin Gisela Spitzlei aus Kerpen ist insgesamt erkennbar, dass sich vor allem die DAK, vereinzelt aber auch andere Krankenkassen, aus der Allianz des Verbandes der Ersatzkassen (VdeK) ausklinken und – aus deren Sicht erfolgreich – verschlechterte Einzelverträge mit den lokalen Unternehmen abschließen. Dies etabliert sich offensichtlich überall dort, wo das Gewerbe nicht ausreichend oder auch gar nicht organisiert ist oder es zumindest in der Vergangenheit war. Bis auf den Sonderfall Bayern seien dagegen in den meisten Bundesländern mit historisch starken Verbandsstrukturen – zumindest ansatzweise – auskömmliche Vereinbarungen zwischen den Kostenträgern und dem Taxi- und Mietwagengewerbe üblich. In Bayern ist das Problem, dass es in diesem Bundesland große Unterschiede bei den amtlichen Taxitarifen gibt, was den Abschluss eines für alle in Bayern ansässige Mitgliedsunternehmen akzeptablen Rahmenvertrags verhindert.
Ein anderes Problem ergibt sich – nicht nur in Hessen – aus der stets mitschwingenden Existenzangst vieler Unternehmen bei diesem Thema. Im Gegensatz zum städtischen Umfeld, wo Krankenfahrten einen wichtigen, trotzdem aber nur einen Teil der Umsätze generieren, sind die Unternehmen in der Fläche sehr oft vollständig von ihren Krankenfahrten abhängig. Wochentags machen diese Beförderungen fast einhundert Prozent der Umsätze aus. Gibt es dann vielleicht auch noch einen agilen Mitbewerber in der Nähe, der vermeintlich schon unterschrieben hat und die eigenen Aufträge dann übernehmen würde, stellt sich schnell die Frage, ob schlechte Verträge nicht vielleicht doch besser sind als gar keine Verträge. Eben diese Angst aber konterkariert die Bemühungen der Gewerbevertreter erheblich, als starker Verhandlungspartner gegenüber den Kassen aufzutreten.
Im Ergebnis werden gleichzeitig auch die eigenen Interessen bombardiert. Denn bevor alles unterschrieben wird, was einem vorgelegt wird, bedarf es zuvor der Analyse, ob die offerierten Konditionen überhaupt zum Geld verdienen geeignet sind. Zumindest dort, wo Mitarbeiter im Fahrdienst eingesetzt werden, wird sich die Kostenstruktur letztlich ja für alle Unternehmen mehr oder weniger gleich darstellen: Minimal sechzig Prozent Lohnkosten, minimal fünf bis zehn Prozent weitere variable Kosten sowie minimal zwanzig Prozent Fixkosten sowie die hinzukommende Mehrwertsteuer erlauben keinem Betrieb die Akzeptanz von Dumpingangeboten.
Eine Schlüsselfunktion kommt hier im Übrigen den lokalen Taxitarifen zu. In vielen Regionen, in denen zwecks wirtschaftlicher Auskömmlichkeit eigentlich höhere Taxitarife nötig wären, tritt das Gewerbe selbst als Bremser auf. In den Metropolen hat man Angst, die Kluft zwischen den taxigleich agierenden Billiganbietern wie Uber zu vergrößern und so noch mehr Kunden an den billigen Plattformanbieter abtreten zu müssen (siehe das Beispiel Köln). In ländlichen Regionen – mit der dort vermeintlich selteneren Anwendung des Taxitarifes – kursiert die Befürchtung, dass man mit weiteren Erhöhungen möglicherweise die letzten Barzahlerkunden auch noch verliert.
Gleichzeitig benötigen die politischen Entscheidungsstrukturen gerade im ländlichen Umfeld oftmals sehr lange, bevor geplante Taxitarifanpassungen endlich umgesetzt werden (siehe das Beispiel aus dem bayerischen Landkreis Altötting). Im Ergebnis verhindern dann jene nicht auskömmlichen Taxitarife die Realisierung sachgerechter Sondervereinbarungen für Krankenfahrten, da seitens der Krankenkassen der Taxitarif als Vergleichsmaßstab herangezogen wird, auch wenn er im örtlichen Taxi-Alltag mangels klassischer Gelegenheitsfahrten kaum zur Anwendung kommt.
Bei der Bewertung der Vereinbarungen für Krankenfahrten gilt es im Übrigen auch noch einen gedanklichen Fehlschluss aus den Köpfen der Verhandler seitens der Krankenkassen, aber teilweise auch aufseiten des Gewerbes zu eliminieren. Auch wenn Krankenkassen natürlich ein Großkunde sind, dem vermeintlich Nachlässe zustehen: Die einzelnen Leistungen werden im Umfeld zwischen Metropole und Land vor allem mit Kurzfahrten im niedrigen zweistelligen Fahrpreisbereich erbracht. Eine Krankenfahrt beinhaltet aber in der Regel neben der reinen Fahrleistung einen im Vergleich zur Standardfahrt erhöhten Serviceaufwand, der Zeit kostet. Und eben diese Arbeitszeit muss auch bezahlt werden. Wo eine Krankenfahrtvereinbarung also nicht mindestens eine halbe Stunde Arbeitszeit pro Fahrt honoriert, egal welche Strecke dabei zurückgelegt wird, da kann sie nicht auskömmlich sein.
Die Krankenfahrten-Expertin Gisela Spitzlei fordert deshalb in ihrer regelmäßigen Taxi-Times-Kolumne seit langem, dass Krankenfahrten nicht unterhalb des Taxitarifs vergütet werden, sondern mindestens auf dessen Niveau – wenn nicht sogar darüber. Und hinsichtlich der Einzelverträge appelliert Frau Spitzlei zudem in der aktuellen Printausgabe vom 4. Quartal 2024 an alle Taxi- und Mietwagenbetriebe, die vorhandenen Einzelverträge wenigstens jährlich fristgerecht zu kündigen und neu zu verhandeln. Denn eine Tarifanpassung in Höhe der Grundlohnsummensteigerungsrate ist immer verhandelbar. Diese wird jährlich definiert. 2025 liegt sie bei 4,41 Prozent. rw
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