Es vergeht kaum eine Woche, in der die Plattform Free Now by Lyft die Presse nicht über eine weitere Stadt informiert, in der man ab sofort Taxifahrten über die App Free Now buchen könne. Meist steckt dahinter eine neue Kooperation mit einem örtlichen Taxiunternehmer. Was sind die Gründe für diese Betriebe und wie gehen die örtlichen Taxizentralen damit um, die unter diesem Vertrauensverlust besonders leiden?
Die neuesten Beispiele für die von Free Now by Lyft eroberten Städte sind Amberg in der Oberpfalz und Kassel in Nordhessen. In Amberg konnte der Plattformvermittler das Unternehmen Taxi Penschok gewinnen. Dessen Geschäftsführer Benjamin Vogel sieht die neu geschlossene Kooperation positiv. „Wir können jetzt App-Anfragen von jungen Menschen und Geschäftsreisenden genauso reibungslos bedienen wie die Anrufe unserer langjährigen Stammkunden“.
Vogel greift dabei auf eine Software zurück, die Free Now by Lyft selbst entwickelt hat. Für den Betrieb von Taxi Penschok ist das offensichtlich der Weg für den künftigen Erfolg: „Die Bündelung aller Aufträge in einer Software, ergänzt durch weitere Tools und direkten Support, gibt uns volle Kontrolle über unsere Zukunft. Gleichzeitig bleibt unser Service persönlich und lokal – genau das ist die Stärke der Kombination“, wird Vogel in einer Pressemitteilung von Free Now by Lyft zitiert.
Ginge es nach Free Now by Lyft, würde man am liebsten jene Städte, in denen man bisher noch nicht relevant genug vertreten war, durch eine Kooperation mit der örtlichen Taxizentrale einbinden. Die erste Stadt, in der das umgesetzt werden konnte, war im Herbst 2024 Stuttgart. Was sich beide Seiten davon versprechen, haben Iordanis Georgiadis, Vorstand der Stuttgarter Zentrale „TAZ“, und der Free-Now-Präsident Alexander Mönch in einem ausführlichen Interview gegenüber Taxi Times erläutert (Die Printausgabe 3. Quartal 2024 mit diesem Interview kann als Einzelheft unter diesem Link bestellt werden).
Später folgten dann unter anderem Erlangen, Heidelberg und einige weitere Städte, unter anderem Köln – dort über eine Kooperation mit der im Vergleich zum Kölner Taxiruf deutlich kleineren Zentrale „Taxi 17“.
In Städten, in denen man dagegen auf eine genügend große Anzahl angeschlossener Taxis zurückgreifen kann, sind Kooperationen mit den dortigen Taxizentralen kein Thema. Entsprechend kommt von den Zentralenchefs dieser Städte auch eher große Skepsis zu solchen Kooperationen. Man kritisiert hier vor allem die kurze Laufzeit der Kooperationsverträge und die fehlende Absicherung im Falle einer Kündigung seitens Free Now by Lyft. Hermann Waldner, Geschäftsführer von Taxi Berlin, hatte deshalb einige Zeit mit Free Now by Lyft über einen einheitlichen Rahmenvertrag verhandelt. Dieser hätte eine mindestens zehnjährige Laufzeit beinhalten sollen sowie eine Art „Abschlagszahlung“ für jene Kundendaten, die aufgrund der Kooperation von der Taxizentrale auf Free Now by Lyft übergegangen sind. Die Verhandlungen liegen derzeit allerdings auf Eis.
Seit Stuttgart gab es auch keine weitere Kooperation mehr zwischen Free Now und größeren Taxizentralen. Allerdings gibt es konkrete Anhaltspunkte, dass demnächst auch die Zentrale „Hallo Taxi 3811“ in Hannover eine größere Kooperation mit Free Now by Lyft verkünden wird.
Bis dahin wird die Plattform, die sich nach und nach in vielen Städten aus der Mietwagenvermittlung zurückzieht und sich ausschließlich zum Taxi bekennt, weiterhin über den Umweg der Einzelkooperationen den Markteinstieg in weitere Städte vorantreiben. In Kassel beispielsweise können rund ein Drittel der knapp 150 Taxis in der Stadt seit kurzem über die Mobilitäts-App gebucht werden.
Die „Hessische/Niedersächsische Allgemeine“ berichtet dazu von einem Kassler Taxiunternehmer Qayyum, der jüngst seine 46 Taxis bei Free Now by Lyft angeschlossen hat. Er setzte damit vor allem auf Geschäftskunden, die häufig Taxi fahren und die App bereits nutzen. Zugleich habe er vor allem jüngere Fahrgäste im Blick: „Die wollen nicht mehr zum Telefon greifen, um etwas zu bestellen.“ Er sei überzeugt: „Was bei Essenslieferdiensten und Tischreservierungen längst selbstverständlich ist, wird sich auch im Taxigewerbe etablieren. Das klassische Taxi, wie man es früher kannte, gibt es längst nicht mehr.“
Mit seinem neuen digitalen Angebot hofft der Taxiunternehmer, wieder mehr Umsatz zu generieren, um weiter auf dem Markt bestehen zu können. Er sehe das als gelungene Ergänzung zu der klassischen Taxizentrale. Auch Free Now by Lyft betont, ihr Angebot stärke die Wettbewerbsposition des Gewerbes: „Wir kombinieren die digitale Buchung über die App mit der Verlässlichkeit der lokalen Taxiunternehmen“, wird Alexander Mönch, Präsident von Free Now by Lyft Deutschland, in dem Artikel zitiert.
Der Kasseler Taxi-Service 88111, bei dem knapp 90 der Kasseler Taxis angeschlossen sind, steht dem Thema Free-Now-App eher skeptisch gegenüber: „Wir mögen den persönlichen Kundenkontakt lieber und sehen es kritisch, wenn Kundendaten an einen externen Vermittler übermittelt werden“, wird Geschäftsführer Markus Semmelroth zitiert. Die Taxizentrale selbst bietet neben dem klassischen Telefonkontakt eine Bestellmöglichkeit per Online-Formular oder E-Mail auf der Website an. Der Hinweis auf eine Taxi-App ist auf der Website nicht zu finden.
Die Plattform Uber ist in Kassel noch nicht nennenswert in Erscheinung getreten, ein ähnliches Problem gibt es in der nordhessischen Stadt allerdings mit den meist günstigeren Minicars. Während Kassels Taxifahrer tagsüber vor allem von Patientenfahrten und Stammkundschaft leben, dominieren diese Minicars bis dato bei spontanen Fahrten. Die Mietwagenbetriebe sind vorwiegend im Kasseler Umland ansässig, treten jedoch zahlreicher als die Taxis im Stadtgebiet auf – und halten sich laut wiederholter Klagen der Taxibranche oft nicht an die geltenden Vorschriften der Ordnungsbehörden.
Wie es in dem Bericht der HNA heißt, könne auch Qayyum ein Lied von dieser Problematik singen: „Die Rückkehrpflicht für Mietwagen zum Betriebssitz zwischen zwei Aufträgen wird vollständig ignoriert.“ Und trotzdem würden neuerdings auch Transportgutscheine für verspätete oder gestrandete Bahnpassagiere an Minicars anstelle von Taxis ausgegeben. jh
Hinweis der Redaktion: Im Sommer 2025 wurde Free Now an das US-Unternehmen Lyft verkauft und firmiert seitdem als „Free Now by Lyft“. Lyft betreibt in den USA eine Vermittlungsplattform für Mietwagen und ist der große Wettbewerber der dortigen Taxizentralen und hinter Uber die Nummer 2 unter den Mietwagenplattformen.
Beitragsfoto: Free Now by Lyft








