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Linienverkehr und Taxi brauchen Paartherapie

von Remmer Witte
27. November 2025
Lesedauer ca. 4 Minuten.
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Beitragsfoto: Symbolbild Paartherapie, pixabay
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Ein zentrales Thema des Erfurter Taxitags des BVTM war das ÖPNV-Taxi. Mit geballter Man- und Womanpower füllte die Diskussion über dieses Hybridmodell zwischen öffentlichem Nahverkehr und eigenwirtschaftlichem Taxiverkehr am ersten Nachmittag einen ganzen Veranstaltungsraum. Im Fokus standen die Fragen: Was leistet das ÖPNV-Taxi – und wo hakt es bei der Umsetzung?

„Von obskur bis allgegenwärtig – das ÖPNV-Taxi wächst“: Unter diesem Titel richtete der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) ein Doppelpanel aus, moderiert vom Rheinländer Guido Borning. Versammelt waren dort zentrale Akteure der noch jungen ÖPNV-Taxi-Szene. Das Format bot Raum, die Stärken des Modells fachkundig zu präsentieren und gleichzeitig häufig geäußerte Bedenken sachlich zu diskutieren.

Guido Borning, René Zach, Ilka Hunger, Darian Heim, Dennis Steinke u. Christof Rasche (FDP) beim DTMT 2025 Foto Taxi Times

Wie viel Potenzial im ÖPNV-Taxi steckt, vermittelte Darian Heim – einer der Initiatoren des Projekts – mit großer Leidenschaft. Heim leitet bei Simdle Mobility, Losch Digital Lab, ein Team für bedarfsgesteuerten Verkehr und innovative Mobilitätslösungen, die unter anderem beim ÖPNV-Leuchturmprojekt in Freudenstadt zum Einsatz kommt und dort stetig verbessert wird. Mit Studienabschlüssen in Philosophie, Politikwissenschaft, Rechts- und Wirtschaftslehre sowie internationaler Erfahrung aus der Schweiz, den Niederlanden und Spanien bringt er einen seltenen interdisziplinären Blick auf die Mobilitätsbranche mit. Genau diese Expertise macht ihn zu einer Schlüsselfigur für die erfolgreiche Weiterentwicklung des ÖPNV-Taxis.

In dieselbe Richtung der „hybriden“ Eigenschaften des ÖPNV-Taxis argumentierte auch Christof Rasche (FDP), Landtagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen. Dort hat das ÖPNV-Taxi inzwischen Eingang in die Landespolitik gefunden und sogar einen offiziellen Arbeitsauftrag des Landtags erhalten. Laut Beschluss gelten ÖPNV-Taxis als besonders attraktive Form des On-Demand-Verkehrs, weil dafür keine zusätzlichen Fahrzeuge oder Fahrer der Verkehrsbetriebe bereitgestellt werden müssen. NRW will das Modell daher überall dort in Nahverkehrskonzepte integrieren, wo es sinnvoll erscheint. Rasche setzte sich maßgeblich für diesen Beschluss ein – passend zur FDP-Linie, die auch im ÖPNV auf Wettbewerb und eigenwirtschaftliche Lösungen setzt.

Mit Dennis Steinke von der renommierten Personenbeförderungskanzlei BBG & Partner in Bremen war zudem juristische Expertise vertreten – unverzichtbar im komplexen ÖPNV-Recht. Steinke arbeitet eng mit Hubertus Baumeister zusammen, der dem ÖPNV-Taxi bundesweit nicht nur ein Gesicht, sondern auch seinen Namen gegeben hat. Ihr Team entwickelte die gesetzliche Einbettung des On-Demand-Verkehrs in das Taxirecht und schaffte damit erstmals eine Grundlage, die Ausschreibungspflichten zu umgehen. So wurde der On-Demand-Verkehr auch für das kleinteilige Taxigewerbe zugänglich und bestehende Taxiflotten konnten für die Verkehrswende nutzbar gemacht werden.

Ilka Hunger vom ZVON-Mobilitätsportal Oberlausitz/Niederschlesien brachte die Perspektive der Schnittstelle zwischen Taxi und Linienverkehr ein. Die Taxi-Branche selbst wurde zunächst von René Zach, Taxibetreiber aus Weißwasser, und später in der Fragerunde von Benjamin Schmidt vom bayrischen Unternehmen Metropolis/CarlE aus Aschaffenburg vertreten.

Was lässt sich zum ÖPNV-Taxi sagen, das nicht bereits in zahlreichen Taxi-Times-Berichten behandelt wurde – und nun auch wieder auf dem BVTM-Taxitag? Die wichtigste Erkenntnis für das Gewerbe ist wohl: Alle, die sich intensiver mit dem Modell beschäftigen, brennen für die Idee. Das ÖPNV-Taxi überzeugt Behörden, Wissenschaft und Verkehrswende-Akteure gleichermaßen, weil lokale Taxiunternehmen flexibel Fahrtwünsche erfüllen können, ohne dass dafür Millioneninvestitionen nötig wären. Kein anderes Konzept verbindet den Verzicht auf den privaten Pkw so gut mit dem Bedürfnis nach individueller Mobilität wie ein jederzeit verfügbares, nicht liniengebundenes Angebot.

Überzeugt werden müssen jedoch vielerorts die Geldgeber, die Linienbetreiber und oft sogar die Taxiunternehmen selbst. Das ÖPNV-Taxi kostet Kommunen zunächst Geld, weil sie die Differenz zwischen ÖPNV- und Taxitarif ausgleichen müssen – auch wenn sich diese Investition an anderer Stelle einsparen lässt. Zwar kann das Modell unwirtschaftliche Linien ersetzen oder Taktlücken schließen, doch greift es zugleich in etablierte Zuständigkeiten des Linienverkehrs ein. Und es verlangt eine zuverlässige Taxi-Bereitstellung, obwohl viele Betriebe gerade versuchen, sich kleinzureorganisieren oder gar aufzugeben.

Die gute Idee prallt somit häufig auf eine Realität, die nicht unbedingt auf sie gewartet hat. Am stärksten drängen die potenziellen Fahrgäste – meist im ländlichen Raum –, die sich vom klassischen Nahverkehr abgehängt fühlen. Doch kennen viele die Möglichkeiten des ÖPNV-Taxis kaum. Auch die Politik ist oft nur unzureichend informiert oder wurde von Anbietern konkurrierender On-Demand-Dienste mit eigenen Flotten auf andere, vermeintlich attraktivere Lösungen gelenkt.

Wenn sich einer der drei zentralen Akteure – Behörde, Linienbetreiber oder Taxiunternehmen – für das ÖPNV-Taxi begeistert, verweilen die anderen oft in ihrer Komfortzone: Der eine baut gerade Personal ab, der andere hat neue Busse bestellt, der dritte ist überlastet. Deshalb empfiehlt Darian Heim eine Art „Paartherapie“ für die beiden Verkehrsperformer, um die Vorteile einer engeren Zusammenarbeit vor Ort sichtbar zu machen. Moderator Guido Borning verwies zudem auf eine BVTM-Broschüre, die Behörden das Konzept verständlich näherbringt.

Am Ende liegt es an den engagierten Unterstützern des ÖPNV-Taxis, Einsatzorte zu finden, an denen das Modell seine Stärken zeigen kann. Denn das hybride Konzept lässt sich nicht in zwei Sätzen erklären – seine Vorteile sind zahlreich, aber nicht sofort erkennbar. Umso wichtiger sind weitere Leuchtturmprojekte, die dem ÖPNV-Taxi ein klares Profil in der komplexen deutschen Nahverkehrslandschaft und auch im Taxigewerbe verschaffen.

Alle, die das Modell kennen, sind begeistert – Fragen? rw

Hinweis der Redaktion: Taxi Times war beim Deutschen Taxi- und Mietwagentag mit vier Redakteuren vor Ort und konnte deshalb alle, teils parallel stattfindenden Panels besuchen. Lesen Sie die ausführlichen Zusammenfassungen der Panels über die nachfolgend aufgeführten Links. ..

18.11.25: Übersicht über den Tag 1 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Erfurt wurde zum Taxi-Mittelpunkt

19.11.25: Übersicht über den Tag 2 des Deutschen Taxi- und Mietwagentags: Freunde? Feinde? Überleben!

19.11.25: Panel „Tarifkorridor – Vor- und Nachteile“: Der Tarifkorridor hat viele Gesichter

20.11.25: Panel „Teilhabe und Daseinsvorsorge – Taxis noch inklusiver machen“: „Taxi für alle“ – wie wäre es mit „Rollitickets“?

25.11.25: Panel Rahmenbedingungen Krankenfahrten: „Gamechanger Krankenfahrten?“

26.11.25: Panel „Plattformen: Freund oder Feind“: Plattformkooperationen – Sackgasse oder ein neuer Weg?

28.11.25: Panel Die Kleine Fachkunde: „Wie geht es weiter mit der Kleinen Fachkunde?“

28.11.25: Panel Mindestbeförderungsentgelte: Wo wir jetzt stehen: „MBE – das neue Zaubertool der Taxler“

Beitragsfoto: Symbolbild Paartherapie, pixabay

Tags: BVTMChristof Rasche (FDP)Darian HeimDennis SteinkeErfurtGuido BorningIlka HungerÖPNVÖPNV-TaxiTaxitag
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Remmer Witte

Nach über 40 Jahren als Fahrer, Disponent und Chef im Taxi- und Mietwagengewerbe ist der Niedersachse heute unter anderem für einen taxinahen Dienstleister aktiv. Seine Themen sind die Branchenzukunft und -politik und die kleinen Dinge im Alltag des Gewerbes.

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Das SGB verpflichtet die Krankenkassen zwar, auch mit Taxi- und Mietwagenanbietern Krankenfahrtentgelte auszuhandeln, es fehlt jedoch eine Regelung für den Fall der Nichteinigung. In anderen Bereichen der Medizin steht den Verhandlungspartnern gesetzlich eine Schiedsstelle zur Verfügung, die Kompromisse erzwingen kann – nur den Taxlern nicht. Dadurch verschärft sich das ohnehin bestehende Ungleichgewicht zwischen David, den Taxlern, und Goliath, den mächtigen Krankenkassen. Aktuell existiert ein Flickenteppich länderspezifischer Entgeltvereinbarungen, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Das Publikum bestätigte dies sofort: Die Spanne reicht von 1,75 € pro Kilometer im Nordosten bis 2,70 € im Südwesten. Einzelne Krankenkassen oder ihre Verhandlungsführer versuchen sich immer wieder durch besonders rigides Vorgehen zu profilieren. 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